Pistorius verzichtet auf SPD-Kanzlerkandidatur
Scholz muss sich jetzt dringend etwas einfallen lassen
Der ausdrückliche Verzicht von Boris Pistorius auf die Kanzlerkandidatur beendet eine qualvolle Debatte für die SPD. Doch die Probleme der Partei sind damit noch lange nicht gelöst, kommentiert unser Hauptstadtkorrespondent Tobias Peter.
Von Tobias Peter
Was für ein katastrophaler Start! Das würde man zu jeder Fußballmannschaft sagen, der ohnehin kaum jemand den Sieg zutraut und die dann auch noch in der ersten Minute ein Eigentor schießt.
So ist es auch mit der SPD, die – nach dem Auseinanderbrechen der Ampelkoalition – aus einer schwierigen Position in den Wahlkampf zieht. Jetzt ist klar: Olaf Scholz ist auch der Kanzlerkandidat seiner Partei. Daran gibt es keinen Zweifel mehr, seit Verteidigungsminister Boris Pistorius nun ausdrücklich erklärt hat, nicht zur Verfügung zu stehen. Nur: Mit der vorher außer Kontrolle geratenen Debatte, ob Scholz noch der richtige für den Job als Spitzenkandidat ist, hat die Partei ihren Kanzler nicht unerheblich beschädigt.
Das Vertrauen ist am Tiefpunkt
Der Kanzler als Kanzlerkandidat? Das klingt logisch. Es wäre historisch außergewöhnlich gewesen, wenn die Partei es anders entschieden hätte. Doch nach drei Jahren des nervtötenden Dauerstreits in der Ampel ist das Vertrauen großer Teile der Bevölkerung in Scholz an einem Tiefpunkt. Die Regierung hat zwar – etwa beim Sondervermögen für die Bundeswehr und in Sachen Energiesicherheit über mehrere Kriegswinter – auch einiges zustande bekommen. Aber das Ansehen des Kanzlers hat stark gelitten.
Es ist also alles andere als absurd, dass in der SPD die Frage aufgekommen war, ob es nicht klüger gewesen wäre, mit Pistorius als Kanzlerkandidat anzutreten. Immerhin ist der hemdsärmelige Niedersachse der beliebteste Politiker Deutschlands. Ein Kandidatenwechsel wäre nicht ohne Risiko, aber auch mit neuen Chancen verbunden gewesen. Es ist ein Versagen der SPD-Führung, dass es nicht gelungen ist, eine öffentliche Eskalation im der Kandidatenfrage zu vermeiden. Eines, über das parteiintern sicher noch gesprochen werden wird.
Eine Nachricht von Boris Pistorius für Dich. pic.twitter.com/LJKOzSAX6D — SPD Parteivorstand (@spdde) November 21, 2024
Die Menschen im Land wollen nun vor allem eines wissen: Wie kommt das Land wieder aus der ökonomischen Krise? Es war zwar dreist und nicht im Mindesten staatsmännisch, wie Christian Lindner das Ende der Ampelkoalition systematisch weniger mit Blick auf das Land als auf die eigenen Wahlchancen betrieben hat. Die Kritik des FDP-Vorsitzenden und entlassenen Finanzministers, dass Scholz die schlechte wirtschaftliche Lage zu spät ernstgenommen hat, ist aber richtig. Der Kanzler hat es hier an Kreativität und Ideen vermissen lassen. Ein großer Wurf fehlt bislang erst recht.
Olaf Scholz muss jetzt zeigen, ob er dem Land noch etwas zu geben hat. Sozialversprechen ohne plausible Gegenfinanzierung, wie er sie in der Rente macht, werden nicht ausreichen. Die floskelhafte Formel des Kanzlers, alle müssten sich unterhaken, läuft schon lange ins Leere. Die Menschen wären womöglich sogar bereit, die eine oder andere Zumutung zu ertragen. Wenn die Sache gut erklärt wird. Und wenn das Gefühl herrscht, dass es fair zugeht.
Ein harter Wahlkämpfer
Der Kanzler startet mit einem riesigen Rückstand in den Wahlkampf. Das bedeutet, er muss jetzt genau darlegen, was er inhaltlich konkret anzubieten hat. Die Idee, es werde für Scholz schon ausreichen, auf ein paar Fehler von Friedrich Merz zu warten, war schon immer albern. Jetzt gilt: Der Bruch der Ampel hat Merz in eine Lage versetzt, in der er bislang auf mutiges Offensivspiel verzichten und sich auf Fehlervermeidung konzentrieren kann. Das ist schwierig für Scholz und schade fürs Land. Denn auch vom Unionskanzlerkandidaten wüsste man gern noch sehr viel genauer, was er vorhat.
Olaf Scholz ist ein harter Wahlkämpfer, den man nicht unterschätzen sollte. Aber er muss sich dringend etwas einfallen lassen, wenn er möchte, dass noch jemand Führung bei ihm bestellt.