Blei und andere Vergiftungen
Schon die alten Römer litten unter Luftverschmutzung
Im Römischen Reich wurde Blei im großen Stil abgebaut. Dabei gelangten riesige Mengen des giftigen Stoffs in die Atmosphäre. Eine Studie hat nun gesundheitliche Folgen für die Bevölkerung berechnet.
Von Markus Brauer
Zur Blütezeit des Römischen Reiches haben Bergbau-Aktivitäten einer Studie zufolge die Atmosphäre so stark mit Blei belastet, dass die Intelligenz von großen Teilen der europäischen Bevölkerung darunter litt. Das schließt ein internationales Forscherteam aus der Analyse von drei Eisbohrkernen aus verschiedenen Teilen von Grönland und aus der russischen Arktis.
Hochgiftiges Schwermetall
Blei ist ein hochgiftiges Schwermetall und Luftschadstoff. Atmen wir die Substanz ein, gelangt sie über die Lunge in das Blut. Bei Erwachsenen führt eine hohe Bleibelastung zu einer verminderten Immunantwort, Unfruchtbarkeit und Anämie (eine Erkrankung, bei der die Zahl der roten Blutkörperchen oder der Hämoglobinspiegel niedrig ist). Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Gedächtnisverlust können eine Folge sein.
Bei Kindern kann schon eine geringe Bleimenge Konzentrationsprobleme verursachen und den Intelligenzquotienten (IQ) senken. Doch welche Folgen hatte Blei, bevor dessen krankmachende Wirkung bekannt war?
Eisbohrkerne zeigen historische Luftschadstoffe
Ein Forscherteam um Joseph McConnell vom Desert Research Institute (DRI) in Reno (US-Bundesstaat Nevada) jetzt untersucht, wie stark die Erdatmosphäre in der Vergangenheit mit Blei verschmutzt war. Besonders die Zeit des Römischen Reiches zwischen 500 v. Chr. und 600 n. Chr. war dabei von Interesse. Die Studie ist im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) erschienen.
Lead #Pollution during the #RomanEmpire likely reduced European IQs by 2-3 points, as revealed by Arctic ice core analysis. This highlights the long-term cognitive impacts of industrial #LeadExposure. @DRIscience@PNASNewshttps://t.co/Yj7kQynyjghttps://t.co/s7fuaA3kHU — Phys.org (@physorg_com) January 6, 2025
Wie die Forscher vorgegangen sind
Die Hydrologen, Archäologen und Historiker entnahmen drei Eisbohrkerne aus der Arktis, wo sich über Jahrtausende dicke Eisschilde gebildet haben. In den Eissäulen ist das Klima der damaligen Zeit archiviert.
Das Team schmolz das Eis im Labor und ermittelte die darin enthaltene Konzentration von Blei und anderen Luftschadstoffen. Mit Computermodellen zur Aerosolbewegung in der Atmosphäre erstellten die Forschenden anschließend Karten der einstigen Bleibelastung in ganz Europa.
Hohe Bleiverschmutzung während des Römischen Reiches
Demnach begann die Bleiverschmutzung der Luft schon während der Eisenzeit und stieg zunächst bis zum späten 2. Jahrhundert v. Chr. an. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Römische Republik auf ihrem ersten historischen Höhepunkt.
Während der Krise des Imperium Romanum im 1. Jahrhundert v. Chr. ging die Bleibelastung vorübergehend stark zurück, bevor sie um 15 v. Chr. mit dem erneuten Aufstieg des Römischen Reiches wieder zunahm.
Die Bleibelastung blieb hoch, bis zur sogenannten Antoninuspest, die von 165 bis 180 n. Chr. wütete und an der rund zehn Prozent der Menschen in Europa starben.
500 Kilotonnen Blei in der Atmosphäre
Den Untersuchungen zufolge wurden während dieser fast 175-jährigen Blütezeit des Römischen Reiches – der sogenannten Pax Romana – mehr als 500 Kilotonnen Blei in die Atmosphäre emittiert.
„Diese Forschung verändert unser Verständnis der Ära, indem sie genaue Verbindungen zwischen den Aufzeichnungen der Bleiverschmutzung und historischen Ereignissen wie Bevölkerungsrückgängen im Zusammenhang mit periodischen Seuchen und Pandemien aufzeigt“, erklärt Autor Andrew Wilson von der Universität Oxford.
Woher das Blei stammte
Die Eisbohrkerne belegen damit, dass das Ausmaß der Bleiverschmutzung mit dem wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Auf- und Abschwung Roms zusammenhing. Gedieh das Römische Reich, stieg der Bleigehalt in der Luft, während Krisen sank er. Doch woher stammte das Blei?
Aus historischen Quellen weiß man, dass Blei damals für Wasserleitungen, Geschirr, Kosmetika und Farben verwendet wurde. Die Analyse der Blei-Isotope ergab, dass das Blei in diesem Zeitraum überwiegend aus dem Bergbau und aus Verhüttungsbetrieben in ganz Europa kam.
Vor allem im Zuge des Silberbergbaus, bei dem das bleireiche Mineral Galenit (Bleiglanz) eingeschmolzen wurde, um daraus Silber zu gewinnen, gelangte Blei in die Atmosphäre. Für jede Unze gewonnenen Silbers wurden dabei Tausende Unzen Blei frei, wie die Forscher berichten. Da Silber damals die Grundlage der römischen Wirtschaft bildete, belegt die Studie, dass „der Mensch seine Gesundheit seit Tausenden von Jahren durch industrielle Aktivitäten beeinflusst“, betont McConnell.
Bleibelastung senkte IQ der Bevölkerung
Der Studie zufolge könnte die Bleibelastung der Luft zudem zu einem durchschnittlichen Bleigehalt im Blut von Kindern unter fünf Jahren von etwa 3,4 Mikrogramm pro Deziliter geführt haben. Auch bei Kindern unter elf Jahren stiegen die Blutwerte wohl deutlich an.
Infolgedessen wäre das durchschnittliche IQ-Niveau der europäischen Bevölkerung während der Römischen Herrschaft um mindestens 2,5 bis drei Punkte gesunken. „Eine IQ-Reduktion um zwei bis drei Punkte klingt nicht nach viel, aber wenn man das auf die gesamte europäische Bevölkerung anwendet, ist das eine große Sache“, sagt Nathan J. Chellman. Demnach verringerte die Bleibelastung die geistigen Fähigkeiten der damals lebenden Menschen deutlich.