Schulden verzehnfachen sich bis 2023

Trotz finanzieller Belastungen durch die Coronakrise will die Stadt Backnang an ihrem umfangreichen Investitionsprogramm festhalten. Kritik kommt von den Fraktionen des Bürgerforums und der AfD.

Eines von vielen Bauprojekten in den nächsten vier Jahren: Die Stadtbrücke schafft Barrierefreiheit am Backnanger Bahnhof und soll 2,6 Millionen Euro kosten. Visualisierung: Büro sbp

Eines von vielen Bauprojekten in den nächsten vier Jahren: Die Stadtbrücke schafft Barrierefreiheit am Backnanger Bahnhof und soll 2,6 Millionen Euro kosten. Visualisierung: Büro sbp

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. „Wir kommen mit einem blauen Auge davon“, sagt der Backnanger Kämmerer Alexander Zipf über die Auswirkungen der Coronakrise auf den städtischen Haushalt 2020. Zwar hat die Pandemie durch Steuerausfälle und zusätzliche Ausgaben ein Loch von 9,3 Millionen Euro gerissen, dieses lasse sich aber weitgehend stopfen, unter anderem dank der Soforthilfen von Bund und Land. Wegen der guten Vorjahresergebnisse und weil sich einige Bauprojekte verzögert haben, könne man sogar auf die für 2020 geplante Neuverschuldung von 6,4 Millionen Euro verzichten, erklärte Finanzbürgermeister Siegfried Janocha nun im Gemeinderat. Statt des erwarteten Anstiegs sinkt der Schuldenstand im Kernhaushalt dadurch bis Jahresende auf 3,4 Millionen Euro.

Das war’s dann allerdings mit den guten Nachrichten, denn die Zukunftsaussichten sind weniger rosig: „Die Haushaltsjahre 2021 bis 2024 gestalten sich sehr schwierig“, prophezeite Janocha. Den im Moment noch nicht abschätzbaren Coronafolgen auf der Einnahmenseite stehen dann Rekordinvestitionen auf der Ausgabenseite gegenüber. So will die Stadt in den nächsten vier Jahren insgesamt fast 83 Millionen Euro investieren, der Plan listet 62 Projekte auf.

Janocha: „Uns bleibt nichts anderes übrig.“

Insgesamt 16,6 Millionen Euro fließen in die Backnanger Schulen, zum einen in die Sanierung der Gebäude, aber auch in die Digitalisierung des Unterrichts. Größte Einzelinvestition ist der Neubau der Karl-Euerle-Halle mit 14,4 Millionen Euro, 10 Millionen fließen in den Hochwasserschutz. Weitere Großprojekte sind die sechsgruppige Sport-Kita in der Plaisir (9,3 Millionen Euro), das neue Feuerwehrhaus für die südlichen Stadtteile (5,6 Millionen) und die Stadtbrücke am Bahnhof (2,6 Millionen).

All diese Investitionen sind aus Sicht der Verwaltung unumgänglich und sollten möglichst zügig umgesetzt werden. Das geht allerdings nur auf Pump: Geplant ist eine Neuverschuldung von 34,2 Millionen Euro, der Schuldenstand würde sich dadurch bis Ende 2023 fast verzehnfachen (siehe Grafik).

Obwohl dies laut Janocha „eine erhebliche Abkehr von der seitherigen städtischen Finanzpolitik“ bedeutet, hält der Finanzbürgermeister diesen Weg für richtig. Wenn man die Infrastruktur verbessern und die Stadt zukunftsfähig aufstellen wolle, bleibe einem nichts anderes übrig. Bei einem Zinsniveau nahe null sei der Zeitpunkt dafür auch günstig. „Danach sollten wir uns wieder auf unsere schwäbischen Tugenden konzentrieren und eine sparsame Haushaltswirtschaft anstreben“, sagte Janocha.

Der Gemeinderat scheint diesen Weg mehrheitlich mitzugehen: „Die Leuchtturmprojekte sollten wir auf jeden Fall durchziehen“, forderte die CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Ulfert. Allerdings müsse man die Finanzlage dabei stets im Auge behalten und wenn nötig reagieren. „In den vergangenen Jahren kam es immer besser als erwartet. Damit sollten wir diesmal aber nicht rechnen“, erklärte Ulfert. Auch SPD und Grüne signalisierten Zustimmung: „Grundsätzlich stehen wir dahinter, über einzelne Projekte werden wir aber noch diskutieren müssen“, sagte SPD-Fraktionschef Heinz Franke. Seine Stellvertreterin Siglinde Lohrmann erklärte, sie sehe das Ganze gelassen. Die Erfahrung habe gezeigt, dass sich viele Projekte sowieso nicht so schnell umsetzen ließen wie geplant.

Deutliche Kritik äußerten hingegen Vertreter von Bürgerforum (BfB) und AfD. BfB-Fraktionsvorsitzende Charlotte Klinghoffer nannte die Pläne „verantwortungslos“. Wenn die Stadt sich so hoch verschulde, sei das ein „erweiterter Suizid“, sagte Klinghoffer. AfD-Stadtrat Michael Malcher erinnerte daran, dass Großprojekte wie die Karl-Euerle-Halle, die Sport-Kita oder das Feuerwehrhaus Süd bereits vor Baubeginn deutlich teurer geworden seien als ursprünglich geschätzt. Auch bei anderen Projekten müsse man deshalb mit Kostensteigerungen rechnen. Dass solch eine mittelfristige Planung immer Unwägbarkeiten und Risiken birgt, wollte Siegfried Janocha gar nicht bestreiten: „Wir müssen flexibel reagieren.“ Allerdings hält der Erste Bürgermeister auch nichts von Schwarzmalerei: „Wir sollten optimistisch bleiben.“ Verbindlich ist der Investitionsplan ohnehin nicht, weshalb auch nicht darüber abgestimmt wurde. Der Gemeinderat muss über jedes Projekt noch einzeln entscheiden.

Schulden verzehnfachen sich bis 2023
Kommentar
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Von Kornelius Fritz

Es hat in Backnang schon Tradition, dass Finanzbürgermeister Siegfried Janocha einmal im Jahr im Gemeinderat verkündet, dass sich die städtischen Finanzen nun doch positiver entwickelt hätten als gedacht. Die geplante Kreditaufnahme sei deshalb glücklicherweise nicht nötig gewesen. Mancher Stadtrat vermutet dahinter Taktik: Wer vorher ein möglichst düsteres Bild an die Wand malt, kann später mit „überraschend“ guten Zahlen umso heller glänzen.

Mag sein, dass dieser Gedanke auch bei der nun vorgelegten Investitionsplanung eine Rolle spielt. Darauf zu hoffen, dass am Ende alles schon nicht so schlimm kommen wird, wäre angesichts der vielen Großprojekte aber fahrlässig. Zumal die Kostensteigerungen, die bei solchen Bauvorhaben mittlerweile üblich sind, in der Planung noch gar nicht berücksichtigt sind.

Der Gemeinderat muss sich deshalb gut überlegen, ob er seine in den Haushaltsreden stets gepriesene Sparsamkeit wirklich über Bord werfen und der Nachwelt einen Schuldenberg hinterlassen will. Das städtische Investitionsprogramm listet mehr als 60 Projekte auf, die allesamt wichtig sein mögen. Ob man sie alle in den nächsten vier Jahren realisieren muss, ist allerdings die Frage.

k.fritz@bkz.de

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Erstellt:
5. Oktober 2020, 06:00 Uhr

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