Zustimmung im Bundesrat
Schuldenpaket beschlossen – wie geht es nun weiter?
Pforten auf für eine riesige Schuldenaufnahme? Ganz so einfach ist es nicht, auch nachdem der Bundesrat am Freitag zugestimmt hat.

© dpa/Michael Kappeler
Lars Klingbeil (links) und Friedrich Merz
Von red/dpa
Das historische Paket mit Milliardenschulden für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz hat im Bundesrat die letzte große Hürde genommen. Die Länder stimmten mit großer Mehrheit zu, es gab sogar deutlich mehr als die nötigen zwei Drittel der Stimmen. Nun ist das Paket beschlossen.
Das dürfte für Erleichterung beim voraussichtlich nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und den Koalitionsverhandlern von Union und SPD sorgen – denn diese Milliarden sollen die Grundlage für ihre schwarz-rote Bundesregierung bilden.
Was ist geändert worden?
Es ging um drei Artikel des Grundgesetzes. Damit kann Deutschland nun theoretisch unbegrenzt viel Geld in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit investieren. Die Schuldenbremse gilt nur noch für einen Teil dieser Ausgaben, alles darüber hinaus kann beliebig durch Kredite finanziert werden.
Außerdem wird ein Sondertopf an der Schuldenbremse vorbei mit Krediten bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert. Daraus soll die Instandsetzung der maroden Infrastruktur – also Brücken, Energienetze, Straßen oder Schulen – bezahlt werden. 100 Milliarden Euro sollen fest für Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft genutzt werden.
Das Geld darf aber nur fließen, wenn im normalen Kernhaushalt eine angemessene Investitionsquote gilt. Damit soll verhindert werden, dass Union und SPD auf Umwegen Wahlgeschenke finanzieren.
Die Länder stimmten auch deswegen zu, weil sie von dem Paket deutlich profitieren: Nicht nur bekommen sie 100 der 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz. Sie dürfen künftig zusammen Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen – das wären in diesem Jahr ungefähr 15 Milliarden Euro. Bisher gilt für die Länder eine Schuldengrenze von null.
Ab wann sind die Änderungen in Kraft?
Jetzt fehlt nur noch die Ausfertigung des Gesetzes durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der Bundespräsident muss prüfen, ob die Grundgesetzänderung nach den Vorschriften der Verfassung zustande gekommen ist.
Dem Vernehmen nach haben die Juristen im Bundespräsidialamt damit bereits begonnen. Dass das Bundesverfassungsgericht das Verfahren vor der Abstimmung im Bundestag für rechtens erklärt hat, dürfte es Steinmeier leichter machen, seine Unterschrift unter das Gesetz zu setzen.
In manchen Ländern muss für deren Lockerung der Schuldenbremse auch die Verfassung geändert werden – nur in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Thüringen und im Saarland steht keine Schuldenbremse in der Landesverfassung.
Wie viele Schulden werden dieses Jahr aufgenommen?
Das steht noch nicht fest. In ihrem Haushaltsplan für 2025 hatte die Ampel-Regierung Verteidigungsausgaben von 53 Milliarden Euro eingeplant. Nach den neuen Regeln müssten nur rund 44 Milliarden davon auf die Schuldenbremse angerechnet werden, um die neun Milliarden könnten über Kredite finanziert werden.
Die Lockerung für Ausgaben in den Bereichen Zivilschutz, Cyberabwehr, Nachrichtendienste und Hilfen für völkerrechtswidrig angegriffenen Staaten erhöht den Spielraum zusätzlich. Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nennt in einer Berechnung, die dem „Handelsblatt“ vorliegt, weitere 13 Milliarden Euro.
Dabei muss es nicht bleiben, denn grundgesetzlich gibt es nun keine Begrenzung der Ausgaben in diesen Bereichen mehr. So könnte die neue Bundesregierung entscheiden, auch das Bürgergeld für Geflüchtete aus der Ukraine über Kredite zu finanzieren. Oder den Verteidigungsetat deutlich aufzustocken. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte im November erklärt, die Bundeswehr brauche etwa 58 Milliarden Euro, um Fähigkeitslücken schnell zu schließen.
Bedeutet das unbegrenzte Möglichkeiten?
Nein, aber begrenzender Faktor ist künftig wahrscheinlich weniger das Geld. Es wird mehr um die Kapazitäten der Industrie und im Fall des Infrastruktur-Sondertopfes um die Verfügbarkeit von Handwerkern und Rohstoffen sowie die Planungskapazität in Behörden gehen. Die Höhe der neuen Schulden wird also davon abhängen, was überhaupt so schnell beauftragt werden kann.
Bei Verteidigungsausgaben gilt in der Regel das Prinzip: Bezahlt wird erst bei Lieferung – und so weit muss man ja erstmal kommen.
Wer entscheidet, wofür wie viel Geld ausgegeben wird?
Pistorius betonte, das liege nicht allein bei der Bundesregierung. Denn am Ende entscheidet das Parlament über den Haushaltsplan und damit auch über die Höhe der Verteidigungsausgaben. Für das Sondervermögen muss noch ein sogenannter Wirtschaftsplan aufgestellt werden, der regelt, welche Vorhaben finanziert werden. Ein Vorschlag kommt zwar von den zuständigen Ministerien, das letzte Wort hat aber auch hier der Bundestag.
Um Details dürfte noch viel gerungen werden. Beispiel Klimaschutz: Manche Politiker und Bundesländer zählen Maßnahmen zur Klimaanpassung wie einen besseren Hochwasserschutz dazu. Andere argumentieren, so sorge man zwar gegen Folgen des Klimawandels vor, bekämpfe ihn aber nicht.
Auch wie die neuen Schuldenmöglichkeiten der Länder zwischen den einzelnen Bundesländern verteilt werden, muss noch in einem weiteren Gesetz geregelt werden.
Wann werden die Schulden zurückgezahlt?
Auch das ist noch nicht geregelt. Für das Infrastruktur-Sondervermögen muss ein Tilgungsplan aufgestellt werden. Ob die durch Lockerung der Schuldenbremse mögliche Verteidigungs-Kredite jemals getilgt werden, ist ungewiss. Denn dass ein Staat verschuldet ist, ist per se nicht problematisch – vorausgesetzt er gilt als kreditwürdig. Relevant dafür ist vor allem die erwartete Wirtschaftsleistung, aber auch zum Beispiel eine stabile Demokratie.
Betrachtet werden meist die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Da die Wirtschaft mit wenigen Ausnahmejahren in der langjährigen Betrachtung wächst, wird der Schuldenberg im Verhältnis immer kleiner. Schmerzhaft können allerdings jährlich anfallende Zinszahlungen werden.
Welchen Einfluss hat das Paket auf die Koalitionsverhandlungen?
Wer glaubt, alle Geldprobleme einer neuen Bundesregierung seien gelöst, der irrt. Zwar werden die Milliarden dringend gebraucht, im Haushalt dürfte aber immer noch eine riesige Lücke klaffen. Denn CDU, CSU und SPD haben einige teure Vorhaben beschlossen wie die Ausweitung der Mütterrente, die Anhebung der Pendlerpauschale und eine Steuersenkung für die Gastronomie.
Das Geld aus dem Infrastrukturtopf dürfen sie nur einsetzen, wenn gleichzeitig im normalen Haushalt angemessen investiert wird. Merz hat deshalb schon angekündigt, nun müsse an anderer Stelle gespart werden. Entsprechend zäh laufen gerade dem Vernehmen nach auch die Gespräche in vielen Gruppen, die am Koalitionsvertrag arbeiten.