Schulteskandidaten auf dem Prüfstand

Bürgermeisterwahl Weissach im Tal In der Seeguthalle stellen sich die drei Bewerber den Fragen der Bürger. Neben etlichen fachlichen Fragen etwa zu Haushaltsführung und Wirtschaftsförderung sind auch persönliche Dinge von Interesse.

Die Vorstellung der Bürgermeisterkandidaten Daniel Gutmann (von links), Lena Weller und Daniel Bogner in der Seeguthalle stößt auf großes Interesse. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Vorstellung der Bürgermeisterkandidaten Daniel Gutmann (von links), Lena Weller und Daniel Bogner in der Seeguthalle stößt auf großes Interesse. Foto: A. Becher

Von Bernhard Romanowski

Weissach im Tal. Eine Kommune, drei Kandidaten und viele interessierte Fragesteller: So lässt sich die Veranstaltung vom Dienstagabend in der Seeguthalle im Ortsteil Cottenweiler auf eine schnelle Formel bringen. Nachdem die Weissacher Bürger jüngst beim Wahlpodium der Backnanger Kreiszeitung schon Gelegenheit hatten, die Aspiranten für das Bürgermeisteramt ausgiebig kennenzulernen, fand nun noch eine von der Gemeinde veranstaltete Kandidatenvorstellung statt. Rund 240 Besucher hatten sich dazu in der Halle eingefunden, darunter auch Amtsinhaber Ian Schölzel an seinem vorletzten Arbeitstag in Weissach. Per Internet verfolgten zusätzlich über 200 Menschen den Abend, der dazu als Livestream im Netz übertragen wurde.

Die Begrüßung der Gäste übernahm Gemeinderat Jörg Schaal und erörterte kurz das weitere Prozedere. Damit sie nicht per Handy im Netz mitverfolgen können, wie die Mitbewerber sich auf der Bühne äußerten, hatte man den Kandidaten die Smartphones abgenommen und sie in jeweils einem eigenen Raum untergebracht. Sie wurden einzeln aufgerufen. Nach jeder Bewerbungsrede hatten die Besucher Gelegenheit, ihnen Fragen zu stellen. Die Aufgabe, die Bewerber auf die Bühne zu rufen und den Frageteil zu moderieren, übernahm dann Gemeinderat Luciano Longobucco.

Daniel Gutmann, mit seinen 30 Jahren der Älteste in der Bewerberrunde, hatte als Erster das Wort. Der in Waiblingen geborene und in Waiblingen-Neustadt aufgewachsene Gutmann lebt mit seiner Frau Jana und den drei Kindern im Auenwalder Ortsteil Unterbrüden. Der gelernte Einzelhandelskaufmann ist Filialleiter eines Familienunternehmens in Weinstadt-Endersbach und belegt seit Oktober 2021 an einer Fernuniversität einen Bachelorstudiengang im Bereich Politikwissenschaft, Verwaltungswissenschaft und Soziologie. Würde er zum Weissacher Bürgermeister gewählt, würde er unter anderem regelmäßige Begegnungen von Kitakindern mit Senioren in die Wege leiten, sich des Themas Pflege und wohnortnaher Unterbringung alter Menschen annehmen und die Sicherheit der Schulwege im Gemeindegebiet verbessern, wie er sagte. Auf die Frage, wie er die Ausgaben der Gemeinde refinanzieren wolle, wenn er den Haushalt laut eigener Aussage nicht weiter belasten wolle, antwortete Gutmann mit der Möglichkeit, den Gewerbestandort „Wanne“ zu erweitern, um Einnahmen zu generieren. Dem Einwurf einer Besucherin, er habe noch nichts zur Schulkindbetreuung gesagt, entgegnete der 30-Jährige mit dem Hinweis, erst anderntags ein Gespräch darüber führen zu können. Die Frage, wie die Sicherheit für Radfahrer verbessert werden könne, beantwortete er mit der Bestätigung, dass hier durchaus Handlungsbedarf bestehe.

Der 28-jährige Daniel Bogner war als nächster Bewerber an der Reihe und stieg gleich mit einer Entschuldigung ein. Bei der BKZ-Veranstaltung sei er wohl zu schnell gewesen, sodass man ihn oft nicht gut verstanden habe. Er versprach nun Besserung. Der 28-Jährige ist seit 2020 Leiter der Stadtkämmerei in Lorch. Zuvor leitete der gebürtige Backnanger vier Jahre lang die Kämmerei der Gemeinde Simmersfeld (Landkreis Calw) und war stellvertretender Bürgermeister. Bogner wuchs in Sulzbach an der Murr auf, wo er nun wieder lebt. Er ist liiert und hat nicht zuletzt ein Bachelorstudium an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg vorzuweisen. „Ich habe Verwaltung von der Pike auf gelernt, arbeite seit jeher in einem Rathaus und das sehr gerne“, so Bogner. Er will, so er denn gewählt wird, unter anderem einen Gemeindeentwicklungsplan für die nächsten 15 Jahre mit Beteiligung der Bürger auflegen, will die Gewerbegebiete auch interkommunal weiterentwickeln, regelmäßige Bürgersprechstunden abhalten, die Digitalisierung der Schulen und die Ärzteversorgung im Auge behalten und die Klimaneutralität der Gemeinde anstreben. Auf die Frage aus dem Publikum, wie sich seine Mitgliedschaft in der FDP im Bereich Naturschutz auswirke, gab Bogner zu verstehen: „Die Parteimitgliedschaft hat mit der Kandidatur nichts zu tun.“ Mit seinem beruflichen Hintergrund als Wirtschaftsförderer stehe er aber beispielsweise der Ausweisung von Gewerbegebieten positiv gegenüber. Bogners Ausführungen auf die Fragen, wie er den Gemeindehaushalt verbessern wolle, erschienen so manchem Zuhörer aber offenbar zu kryptisch. „Das ist kaum verständlich, was Sie sagen – zu schnell und viel Fachchinesisch“, so ein älterer Besucher.

Als dritte und mit 26 Jahren jüngste Bewerberin in der Runde stellte sich Lena Weller in der Seeguthalle vor. Sie arbeitet in leitender Funktion beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Sachsen, ist aber in der Tälesgemeinde aufgewachsen und hat das Abitur am Bildungszentrum gemacht. Sie hat das Fach „Governance and Public Policy“ an der Universität Passau studiert und zwei Masterabschlüsse in der Tasche: einen von der Universität Erfurt in Staatswissenschaften mit den Schwerpunkten Politikwissenschaft und öffentliches Recht und einen in politischer Psychologie von der Bournemouth University in England. Ihr Partner stammt aus Allmersbach im Tal, beide schätzen das Leben im Täle sehr, wie sie sagt. „Ich kann verwalten, ich kann gestalten. Ich kann ein großes Team führen und die Interessen der Bürger moderieren“, so Weller, die Mitglied der SPD ist. Sie entwarf am Dienstag eine Vision, wie Weissach im Tal in zehn bis 20 Jahren aussehen könnte: mit einer starken Wirtschaft, vielen guten Fachkräften, einem interkommunalen Gewerbegebiet Backnanger Bucht mit guten Einnahmen, Barrierefreiheit für Rollatoren und Kinderwagen, gut ausgebauten Fuß- und Radwegen sowie blühenden Wiesen und ertragreichen Feldern. Von der Ausweisung neuer Bau- und Gewerbegebiete hält Weller – auch mit Blick auf die Streuobstwiesen – eher wenig. Sie hält die Nachverdichtung auf Brachflächen und den Bau barrierefreier Wohneinheiten im Bestand für sinnvoller, als „noch mehr Flächen zu versiegeln.“ Zur Wirtschaftsförderung sieht Weller die Themen Mobilität, Breitbandversorgung und Freizeitangebote als wichtig an, um Firmen über die Attraktivität der Gemeinde für ihre Mitarbeiter anzulocken. Die allesamt von weiblichen Besuchern gestellten Fragen, ob sie Kinder wolle, warum sie bei Gesprächen mit den Bürgern so viel mitschreibe und wie sie ihren Wahlkampf finanziere, hatte Weller am Dienstag quasi exklusiv.

Einer der drei Bewerber gab
einem älteren Besucher zufolge zu viel Gas bei der Vorstellung.
Ian Schölzel verlässt das Rathaus

Abschiedsbotschaft Der bisherige Weissacher Bürgermeister Ian Schölzel hatte gestern seinen letzten Arbeitstag, heute wird er seine neue Stelle als Erster Bürgermeister der Stadt Waiblingen antreten. Im Mitteilungsblatt und auf der Homepage der Gemeinde hat er sich von den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde verabschiedet. „Die Weissacherinnen und Weissacher sind ein liebenswertes Völkchen – ich habe sie sehr in mein Herz geschlossen“, schreibt Schölzel in seiner Botschaft. Deshalb falle ihm der Abschied schwer: „Aber wie heißt es so schön: Man soll dann gehen, wenn’s am schönsten ist – und die Menschen einen in guter Erinnerung behalten.“ Privat bleibt Schölzel übrigens auch nach seinem Wechsel Weissacher: Mit seiner Familie will der 45-Jährige im Täle wohnen bleiben.

Verabschiedung Die offizielle Verabschiedung des scheidenden Bürgermeisters ist für Samstag, 30. April, geplant, und zwar in Form einer Rundtour durch die Gemeinde. In den verschiedenen Teilorten besteht dann für jedermann die Möglichkeit, sich persönlich vom Bürgermeister zu verabschieden. Für unsere Zeitung wird Schölzel in den nächsten Tagen auch noch einmal in einem ausführlichen Interview auf seine fast 15 Jahre in Weissach im Tal zurückblicken.

Rückblick Ian Schölzel war im Juli 2007 mit 85,8 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister von Weissach im Tal gewählt worden, zuvor war er Hauptamtsleiter in Wiernsheim. 2015 wurde er ohne Gegenkandidat mit 98,2 Prozent der Stimmen wiedergewählt. kf

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Erstellt:
17. März 2022, 06:00 Uhr

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