„Signalgate-Affäre“

Schwere Sicherheitspanne im Trump-Team

Ein Gruppenchat von Mitgliedern der US-Regierung, in dem ein Journalist Pläne zu einem Militärangriff mitverfolgt, bringt Präsident Trump in Erklärungsnot.

Auf einem Sofa sitzend verfolgen Sicherheitsberater Mike Waltz (v. re.) , Verteidigungsminister Pete Hegseth und Vizepräsident J.D. Vance dem US-Präsidenten Donald Trump bei einem Pressetermin im Oval Office des Weißen Hauses.

© AFP/Mandel Ngan

Auf einem Sofa sitzend verfolgen Sicherheitsberater Mike Waltz (v. re.) , Verteidigungsminister Pete Hegseth und Vizepräsident J.D. Vance dem US-Präsidenten Donald Trump bei einem Pressetermin im Oval Office des Weißen Hauses.

Von Thomas Spang

Pentagon-Chef Pete Hegseth versichert der Runde voller Selbstbewusstsein, für die Kommunikation bestünde „100 Prozent OPSEC“. Die Abkürzung steht im militärischen Jargon für „operationelle Sicherheit“. Einer der achtzehn Teilnehmer reibt sich die Augen, während er die Nachricht des Moderators des Chats liest. Denn was Jeffrey Goldberg seit seiner Aufnahme in den erlesenen Kreis des „Principal Committees“ am 11. März in Echtzeit mitverfolgen kann, ist gewiss nicht für seinen Konsum bestimmt.

Er habe „noch nie einen solchen Verstoß erlebt“, schreibt Goldberg, Chefredakteur des Magazins „The Atlantic“, nun in einem Artikel über den peinlichen Leak. Statt in Person in Hochsicherheitsräumen oder mindestens über speziell gesicherte Geräte zu kommunizieren, benutzte das gesamte nationale Sicherheitsteam von US-Präsident Donald Trump die kommerzielle App „Signal“ auf ungesicherten Endgeräten, um Militärschläge gegen die Huthi-Rebellen im Jemen zu besprechen. Ein möglicher Verstoß gegen das Gesetz zur Spionageabwehr.

Angriffe auf Huthi-Stellungen im Jemen

Der Nationale Sicherheitsberater Michael Waltz hatte Goldberg am 11. März aus bisher ungeklärten Gründen dem Signal-Chat „Houthi PC small group“ hinzugefügt. Verteidigungsminister Hegseth prüfte weder die Identität aller Teilnehmer, noch stellte er sicher, dass die Kommunikation über sichere Kanäle lief. Letzteres hätten auch die anderen Teilnehmer wissen müssen, darunter Vizepräsident J.D. Vance, Außenminister Marco Rubio, CIA-Chef John Ratcliffe, die Nationale Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard, Finanzminister Scott Besens, Stabschefin Susie Wiles, Präsidentenberater Stephen Miller und der Nahost-Beauftragte Steve Witkoff. Nicht einer fragte sich, wer sich hinter dem Kürzel ‚JG’ im Chat verbarg.

Goldberg verzichtet darauf, über die auf Signal ausgetauschten Details der Militärgeheimnisse einzugehen, die Hegseth am 15. März um 11:44 Uhr Ostküstenzeit gepostet haben soll. Dazu gehörten Angaben zu Zielen, Waffen und zeitlichem Ablauf des geplanten Angriffs auf Stellungen der Huthis. „Ein guter Anfang“, lobte CIA-Direktor Ratcliffe die Pläne. Sicherheitsberater Waltz reagierte mit Emojis: Faust, US-Flagge, Feuer.

Schimpfen auf die Europäer

Tags zuvor hatte Vance in dem Chat noch die Strategie hinter der Operation infrage gestellt. „Drei Prozent des US-Handels läuft durch den Suezkanal, bei den Europäern sind es 40 Prozent“, hinterfragte er das US-Interesse an dem Militärschlag. „Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Präsident bewusst ist, wie inkonsistent dies mit seiner derzeitigen Botschaft gegenüber Europa ist.“ Wenn der Verteidigungsminister glaube, der Angriff sei richtig, dann werde er sich nicht in den Weg stellen, so Vance. „Ich hasse es nur, die Europäer schon wieder herauszukaufen.“

Hegseth pflichtete dem Vizepräsidenten bei. „Ich teile Ihre Abscheu gegen die europäische Trittbrettfahrerei. Sie ist ERBÄRMLICH.“ Das veranlasste Sicherheitsberater Waltz zu versichern, dass die USA „die damit verbundenen Kosten zusammenstellen und den Europäern in Rechnung stellen werden“.

„Dies ist eine Art von Unachtsamkeit, durch die Menschen sterben können“

Trumps rechte Hand im Weißen Haus, Miller, beendete die Diskussion. „Grünes Licht, aber wir machen Ägypten und Europa bald klar, was wir im Gegenzug erwarten.“ Goldberg selbst glaubte zunächst, die Signal-Gruppe könnte eine Falle sein, um sein Magazin hereinzulegen. Er entschied sich für einen ungewöhnlichen Faktencheck. „Wenn dieser Signal-Chat echt ist, so überlegte ich, würden bald Huthi-Ziele bombardiert werden“, schreibt Goldberg in seinem Artikel. Also wartete er in seinem Auto auf einem Supermarktparkplatz. Pünktlich um 13:55 Uhr Ostküstenzeit begannen die Luftschläge – der letzte Beweis, dass er tatsächlich Zugang zu echten Kriegsplänen hatte.

„Dies ist eine Art von Unachtsamkeit, durch die Menschen sterben können“, verurteilt der Senatsführer der Demokraten Chuck Schumer den Vorgang. Ähnlich fassungslos äußert sich John Bolton, Trumps ehemaliger Sicherheitsberater. „Es ist unvorstellbar, dass dies überhaupt passieren konnte.“ Hillary Clinton, die im Wahlkampf 2016 von Trump wegen ihrer Kommunikation über einen privaten E-Mail-Server unerbittlich attackiert wurde, reagierte mit beißendem Spott. „Das kann doch nicht euer Ernst sein“, postete sie auf X. Hegseth selbst hatte Clinton damals vorgeworfen, sie habe „ihr Land verraten“ und zwar „aus Bequemlichkeit“, weil sie als Außenministerin private E-Mails benutzt hatte.

Der Druck auf Hegseth nimmt zu

Trump selbst hatte damals eine strafrechtliche Untersuchung gefordert und „Lock her up“-Sprechchöre bei seinen Kundgebungen angefeuert. Das möchte der Amtsinhaber lieber vergessen machen. „Ich weiß nichts davon“, erklärte er auf Nachfrage von Reportern. Das von ihm mit der Gefolgsfrau Pam Bondi besetzte Justizministerium, aber auch das für die Spionageabwehr zuständige FBI mit seinem Vertrauten Kash Patel an der Spitze sehen bisher keinen Anlass zu handeln. Auch Speaker Mike Johnson hält den Vorgang nicht für bedeutsam.

Der Druck auf Hegseth nimmt jedoch massiv zu. Der ehemalige Fox-News-Kommentator, dessen militärische Qualifikation für das Amt des Verteidigungsministers von Beginn an in Zweifel standen, versucht mit Angriffen auf den Journalisten Goldberg abzulenken. Bei einem Zwischenstopp auf Hawaii auf dem Weg nach Asien bezeichnete er den renommierten Chefredakteur als „sogenannten Journalisten“. Es seien „keine Kriegspläne per SMS geschickt worden“. Auf die Nachfrage, ob der Chat authentisch sei, antwortete Hegseth dann, er wisse nichts darüber. „Sie erzählen mir das zum ersten Mal. Sonst noch Fragen?“

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Erstellt:
25. März 2025, 15:30 Uhr
Aktualisiert:
25. März 2025, 17:21 Uhr

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