Organisierte Kriminalität

Schwerer Schlag gegen die sizilianische Mafia

Bei einer Großrazzia sind in Palermo und Umgebung mehr als 180 mutmaßliche Mafiosi festgenommen worden, darunter mehrere Clan-Bosse.

Carabinieri durchsuchen im Rahmen der Großrazzia ein Gebäude  auf Sizilien.

© dpa-Bildfunk

Carabinieri durchsuchen im Rahmen der Großrazzia ein Gebäude auf Sizilien.

Von Dominik Straub

Mafia-Experten fühlen sich an die Nacht vom 28. auf den 29. September 1984 erinnert, an die größte Anti-Mafia-Razzia aller Zeiten in Italien. Vor vierzig Jahren wurden innerhalb von wenigen Stunden 366 Gangster verhaftet. Die Aktion war die Antwort des Staates auf einen Gangsterkrieg gewesen, in welchem die Cosa Nostra, die sizilianische Mafia, Dutzende von Politikern, Polizisten und Richtern ermordete, darunter die legendären Mafiajäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. Beim anschließenden Prozess im Gerichtsbunker von Palermo wurden 344 Mafiosi zu insgesamt 2665 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Anführer alter Mafia-Familien

In der Nacht auf Dienstag führte der italienische Staat erneut einen schweren Schlag gegen das Organisierte Verbrechen. Die Zahl der Verhafteten beläuft sich auf 181. Fast alle von ihnen stammen aus der Stadt oder der Provinz Palermo; unter den Festgenommenen befinden sich diverse Anführer der alteingesessenen Mafia-Familien in den verschiedenen Quartieren und Vororten. Ihnen werden zahlreiche kriminelle Aktivitäten vorgeworfen, darunter versuchter Mord, Körperverletzung, Erpressung sowie Drogen- und Waffenhandel. An der Razzia waren nach Angaben der Behörden 1200 Einsatzkräfte von Polizei und Carabinieri beteiligt.

Die hohe Zahl der Verhafteten belegt, dass die Cosa Nostra noch keineswegs geschlagen ist. Aber sie hat sich stark gewandelt. Insbesondere haben die Clans das Morden praktisch vollständig eingestellt: In den 80er- und 90er-Jahren starben in Italien noch jedes Jahr durchschnittlich 500 bis 600 Menschen durch die Hand der Clans, im Rekordjahr 1991 zählte man über 1900 Tote. Heute liegt die Zahl der Mafia-Morde noch bei weniger als zwei Dutzend jährlich. Den 181 Verhafteten werfen die Ermittler gerade noch einen einzigen, versuchten Mord vor. Der letzte große Pate der Cosa Nostra, der vor zwei Jahren verhaftete und vergangenes Jahr gestorbene Matteo Messina Denaro, hatte sich noch damit gebrüstet, dass man mit den von ihm ermordeten Menschen „einen ganzen Friedhof füllen“ konnte.

Die heutige Cosa Nostra verdient ihr Geld hauptsächlich mit Drogenhandel und – wie früher – mit Schutzgelderpressung. Nicht wenige der heutigen Paten trauern offenbar den Zeiten nach, in denen sich weite Teile Siziliens in ihrer Gewalt befanden. „Das Niveau ist tief heute: Wenn einer verhaftet wird, beginnt er gleich zu singen“, erklärte einer der verhafteten Bosse in einem von den Ermittlern abgehörten Telefongespräch. „Jetzt leben wir vom Drogenverkauf – so tief sind wir gesunken. Unsere früheren Mitglieder, die leider Gottes alle für den Rest ihres Lebens in den Knast gegangen sind, haben nicht von Drogen gesprochen oder wenn, dann nur von ganzen Schiffsladungen.“

Gangster zuhause abgehört

Die Mafiabosse hatten Mobiltelefone mit aufwendiger Verschlüsselungstechnik verwendet. Was sie nicht wussten: Die Ermittler hatten ihre Wohnungen, Büros und Autos verwanzt, und so konnten sie gleichwohl mithören, was sich die Mafiosi am Telefon zu sagen hatten. Trotz des Selbstmitleids haben einige der Bosse den Glauben an für sie bessere Zeiten nicht aufgegeben. „Ich habe immer von tiefstem Herzen an die Prinzipien der Cosa Nostra geglaubt, dafür habe ich zehn Jahre im Gefängnis gesessen“, sagte ein abgehörter Gangster. „Denn wir sind gegen den Staat, wir sind gegen die Polizei. Das wird immer so bleiben. Unsere Ideale sterben nie, dafür beten wir zum Herrn.“

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Erstellt:
11. Februar 2025, 17:02 Uhr

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