Schwieriges Miteinander mit der AfD im Backnanger Gemeinderat

Nach TV-Äußerungen von Friedrich Merz stellt die CDU klar: Keine Zusammenarbeit mit der AfD. Wie sieht das im Backnang Gemeinderat aus? Fraktionsvorsitzende sprechen von einer Gratwanderung. Einem AfD-Antrag wurde schon zugestimmt, aber von einigen Räten widerwillig.

Im Backnanger Gemeinderat gibt es auch zwei Sitze für die AfD. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Im Backnanger Gemeinderat gibt es auch zwei Sitze für die AfD. Foto: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Backnang. „Wir sind alle per Du und gehen nach der Sitzung auch zusammen ein Bier trinken.“ Willy Härtner hat kein Problem damit, dies auf Anfrage unserer Zeitung zu sagen. Auch nicht, wenn der Fraktionsvorsitzende der Grünen – mit sechs Sitzen der zweitgrößten Liste im Backnanger Gemeinderat – mit dieser Aussage die beiden AfD-Räte mit einschließt. „Warum soll man da was verleugnen?“ sagt Härtner. Zählt ein solches Gebaren schon als Zusammenarbeit?

Was ist überhaupt Zusammenarbeit?

Friedrich Merz hatte mit seiner Aussage zur Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene für viel Wirbel und Aufregung gesorgt. Selten zuvor stand der CDU-Chef innerparteilich so in der Kritik. Carsten Linnemann, gerade einmal zwei Wochen im Amt des Generalsekretärs, sah sich offenbar genötigt, sich vor seinen Parteivorsitzenden zu stellen. Es gebe keine Zusammenarbeit mit der AfD, egal auf welcher Ebene. In dem Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU heißt es: „Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet.“ Und weiter: „Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab.“

Michael Malcher (links) und Steffen Siggi Degler sitzen für die AfD im Backnanger Gemeinderat. Ob sie derzeit AfD-Mitglieder sind, ist unklar. Archivfoto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Michael Malcher (links) und Steffen Siggi Degler sitzen für die AfD im Backnanger Gemeinderat. Ob sie derzeit AfD-Mitglieder sind, ist unklar. Archivfoto: Jörg Fiedler

Was also ist Zusammenarbeit? Die bundesweit erscheinende Tageszeitung „Die Welt“ zieht – aus ihrer Sicht – ein Beispiel für Kooperation aus ihrem Archiv, eines aus dem „schwäbischen Backnang“. Aufgefallen war ein Facebook-Post der AfD-Fraktion im Gemeinderat Anfang November 2022 mit dem Titel: „Gemeinderat stimmt AfD-Antrag zu.“ In der Tat hatte Steffen Degler beantragt, den von der Stadt vorgeschlagenen Förderbetrag von 85000 Euro auf 110000 Euro zu erhöhen. Die Stadträte hatten bei nur einer Gegenstimme zugestimmt.

„Das war ein ganz besonderer Fall“, erinnert sich Willy Härtner. „Die Verwaltung hat einen Vorschlag gemacht und die AfD wollte erst nicht.“ Daraufhin hätten die beiden Bandhaus-Leiterinnen Jasmin Meindl und Juliane Putzmann einen Vortrag gehalten, was sie alles leisten und vorhaben. „Dann ist Herrn Degler damals aufgefallen, dass eigentlich die Bandhaus-Damen sehr, sehr viel mit Eigenrisiko tragen, und dieses Eigenrisiko hat er dann unwahrscheinlich gewürdigt“, sagt der Grünen-Vorsitzende. Und fügt noch an: „Dann hat er das natürlich danach auch in Facebook entsprechend ausgeschlachtet.“

Die Frage war, dagegen zu stimmen, nur weil der Antrag von der AfD kommt

Auch Heinz Franke erinnert sich noch gut: „Das Ziel unserer Fraktion war damals, einen höheren Zuschuss als die Verwaltung zu erzielen und die beiden Bandhaus-Damen für ihre gute Arbeit finanziell so gut wie möglich auszustatten,“ sagt der Fraktionsvorsitzende der SPD. Die Forderung der Sozialdemokraten hätte die AfD noch getoppt. „Dann war die Frage, stimmen wir dagegen, nur weil der Antrag von der AfD kommt oder würde eine Mehrheit dazu führen, dass das Bandhaus in dem Sinn, wie wir uns das vorgestellt haben, gut und zukunftsfähig finanziell ausgestattet wird.“ Das aber habe mit AfD-Politik überhaupt nichts zu tun.

„Unser Wunsch war, dem Verwaltungsvorschlag zuzustimmen“, sagt Ute Ulfert. Der Tagesordnungspunkt sei zunächst im Verwaltungsausschuss nichtöffentlich vorberaten worden. „In der Gemeinderatssitzung konnten wir dann nur noch so mitstimmen. Wer möchte schon gegen das Bandhaus stimmen, denn alle wissen, dass die beiden Damen jeden Cent brauchen“, erklärt die Fraktionsvorsitzende der CDU, mit sieben Sitzen die stärkste Liste im Gremium. „Wir waren aus sachlichen Gründen gegen einen höheren Förderbetrag als die Verwaltung vorgeschlagen hatte, weil wir ja die Kulturlandschaft insgesamt fördern. Wir können nicht ein Theater besonders hervorheben, wir haben auch noch andere.“ Der Fördertopf sei leider endlich.

Zusammenarbeit mit der AfD: „Es gibt keine gute Lösung.“

Ulfert meint: „Das ist wie ein Drama, es gibt da keine ganz gute Lösung. In diesem Fall war es keine Zusammenarbeit mit der AfD, das war alles pro Bandhaus.“ Es sei nicht politisch diskutiert worden, sondern es sei nur um die Höhe der Förderung gegangen. Im Gemeinderat seien die AfD-Räte „häufig gegen alles, was es dann leichter macht, sich abzugrenzen“, sagt Ulfert. „Aber wenn Herr Degler vorschlägt, wir wollen das Theater noch besser fördern, ... und er hat diese Lunte gerochen, das war extrem schlau von ihm.“

„Es ist ja nicht so, dass die AfD permanent tolle Vorschläge macht, meistens ist es ja genau anders herum“, relativiert Willy Härtner. „Und wir betreiben auch nicht dauernd Konsenspolitik mit der AfD. Im Gegenteil, das ist einfach selten“, so der Grüne zur Situation im Gemeinderat.

Gemeinderäte müssen das Wohl der Stadt und der Bürger im Blick haben

„Klare Aussage: Keine Zusammenarbeit mit der AfD“, versichert Heinz Franke. „Das kann aber nicht heißen, dass überall da, wo die AfD zustimmt oder ablehnt, wir auf unsere eigenen Forderungen verzichten.“ Die Gemeinderäte hätten sich verpflichtet, sich für das Wohl der Stadt Backnang und ihrer Bürgerinnen und Bürger zu engagieren.

„Anfangs gab es Vorbehalte gegen uns als AfD-Fraktion, mit der Zeit hat man sich aber persönlich kennengelernt und bei Nachsitzungen konnte man sich auch im privateren Umfeld besprechen und mittlerweile kann man sich auch gut austauschen über unterschiedliche Thematiken.“ So schildert Steffen Degler die Zusammenarbeit im Gemeinderat. Auf die Frage, ob er aktuell Mitglied der AfD ist, sagt der Gemeinderat: „Ich gebe keine Auskunft zu parteiinternen Vorgängen.“ Vor zwei Jahren waren Malcher und Degler keine Mitglieder mehr. Beide schwiegen jedoch dazu, was im Vorfeld geschehen war.

Tagesthemen Die ARD wird heute Abend vor der Gemeinderatssitzung die beiden Stadträte Willy Härtner (Grüne) und Steffen Degler (AfD) zu dem Thema befragen. Ausgestrahlt wird der Beitrag am morgigen Freitag in den „Tagesthemen“ (21.45 Uhr).
Kommentar
Was bedeutet eigentlich Zusammenarbeit?

Von Kornelius Fritz

Dürfen die etablierten Parteien auf kommunaler Ebene mit der AfD zusammenarbeiten, wie es CDU-Chef Friedrich Merz jetzt in einem Interview andeutete? Oder tun sie es gar schon längst? Auf der Suche nach Beispielen sind die überregionalen Medien nun auf Backnang aufmerksam geworden, denn hier feierte sich die AfD im November dafür, dass einer ihrer Anträge im Gemeinderat eine Mehrheit fand, mit Zustimmung von CDU, SPD und Grünen. Gab es in Backnang also bereits den Sündenfall?

Schaut man sich die Sache genauer an, ist diese Interpretation doch etwas gewagt. Bei besagtem Antrag ging es um eine Erhöhung der städtischen Zuschüsse für das Bandhaustheater, einer Einrichtung, die sicher nicht im Verdacht steht, rechtes Gedankengut zu fördern. Auch Vertreter anderer Fraktion wollten den Kulturbetrieb gerne noch stärker unterstützen. Hätten sie dagegen stimmen sollen, nur weil der Antrag von der AfD kam?

Da stellt sich die Frage, was überhaupt Zusammenarbeit bedeutet. Alleine dadurch, dass man einem Antrag zustimmt, der auch von jeder anderen Partei hätte kommen können, ist dieser Tatbestand noch nicht erfüllt. Entscheidend ist, dass man keine Absprachen mit den AfD-Stadträten trifft und sich inhaltlich klar von ihnen abgrenzt, vor allem in Fragen der Migrationspolitik. Auch Duz-Freundschaften mit Rechtsaußenpolitikern müssen sicher nicht sein.

k.fritz@bkz.de

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Erstellt:
27. Juli 2023, 06:00 Uhr

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