Sechspunkteplan für bessere ambulante Versorgung im Rems-Murr-Kreis
Bei der Kommunalen Gesundheitskonferenz des Rems-Murr-Kreises geht es um den Ärztemangel und die Schließung der Notfallpraxis.
Waiblingen. Bei der zehnten Kommunalen Gesundheitskonferenz des Rems-Murr-Kreises kamen Vertreterinnen und Vertreter des Gesundheitswesens, der Kreisärzteschaft, der Rems-Murr-Kliniken, der Krankenkassen sowie Kreistagsmitglieder zusammen, um über die medizinische Versorgung im Kreis zu diskutieren. Große Herausforderungen stellen dabei ein drohender Engpass bei der Ärzteversorgung im ländlichen Raum sowie die Schließung der Notfallpraxen in Backnang und Schorndorf dar. Die Sicherstellung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung ist eine zentrale Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. Für den Landkreis habe sie oberste Priorität, so Landrat Richard Sigel.
Zu viele Patienten für zu wenig Ärzte
Beim Blick auf die Versorgung im Landkreis werden die Probleme deutlich: Ein Hausarzt im Rems-Murr-Kreis versorgt im Schnitt 1950 Einwohner. Das sind 334 Patienten mehr als im Bundesdurchschnitt. Auch bei der Versorgung mit Kinderärzten zeigt sich deutlich ein Mangel: 13 von 31 Gemeinden haben keinen Kinderarzt (mehr). Rund 34 Prozent der im Kreis niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte stehen kurz vor dem Ruhestand. Die Nachbesetzung gestaltet sich schwierig. Laut aktuellem Versorgungsbericht der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) zeichnet sich besonders im ländlichen Raum des Rems-Murr-Kreises ein besorgniserregender Rückgang der hausärztlichen Versorgung ab. Der Versorgungsgrad in Backnang ist bereits auf 85 Prozent gesunken und wird laut einer Prognose der KVBW in den nächsten fünf Jahren um weitere zehn Prozentpunkte sinken.
Plan soll Versorgung stabilisieren
Das im Frühjahr 2023 in Auftrag gegebene Strategiepapier zur ambulanten medizinischen Versorgung basiert auf einer umfassenden Befragung der Haus- und Kinderärzteschaft des Kreises. Ein Sechspunkteplan zielt darauf ab, die Versorgung in den kommenden Jahren zu stabilisieren und langfristig zu sichern.
„Uns war es wichtig, konkrete Lösungsansätze zu präsentieren, auch wenn viele der Hebel bei der Bundes- und Landespolitik sowie bei der Kassenärztlichen Vereinigung liegen“, so Landrat Sigel. Ziel sei es, die flächendeckende medizinische Versorgung im Rems-Murr-Kreis zu gewährleisten und den Kreis als attraktiven Standort für medizinisches Fachpersonal zu stärken.
Den Sechspunkteplan stellte die Leiterin des Gesundheitsamts, Dagmar Behringer, vor. Sie unterstrich die Bedeutung einer guten Vernetzung zwischen Kreisärzteschaft, den Rems-Murr-Kliniken und dem Gesundheitsamt bis hin zu den vielen bestehenden Beratungsangeboten der Krankenkassen. Auch soll die telemedizinische Untersuchung weiter vorangetrieben werden, damit diese langfristig ein selbstverständlicher Baustein zur Versorgung der Bürgerinnen und Bürger werden kann.
Moderne Lernangebote für den medizinischen Nachwuchs
Um die Attraktivität des Rems-Murr-Kreises für angehende Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner zu steigern, sollen diese von einem sogenannten Weiterbildungsverbund profitieren können. Ein weiteres zentrales Zukunftsprojekt soll der Bildungscampus mit Pflegeschule am Standort Winnenden sein, den Landrat und Rems-Murr-Kliniken bereits planen. Dank enger Anbindung an das Rems-Murr-Klinikum sollen moderne Lernangebote für die dringend benötigten Fachkräfte geschaffen werden. Moderne Schulungs- und Unterrichtsräume sollen auch die Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Tübingen als akademisches Lehrkrankenhaus für junge Mediziner weiter stärken und diese in den Rems-Murr-Kreis locken.
Mit dem Ziel, die medizinische Versorgung in der Fläche zu sichern, arbeitet der Landkreis gemeinsam mit den Rems-Murr-Kliniken am Projekt „Gesundheitspunkte“. Die Vision dahinter ist eine zentrale Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten. Patientenlotsen sollen schnell an die richtige Stelle verweisen und Kontakte, Termine und Hilfsangebote vermitteln. Sie sollen gemeinsam mit Ärztinnen und Ärzten auch bei akuten medizinischen Problemen helfen und Ersatz für den Wegfall der Notfallpraxen schaffen, aber auch in besonderen Lebenssituationen (etwa Pflege oder Behinderung) Auskunft geben und so die Arztpraxen entlasten.
„Wir haben als Landkreis bereits Gesundheitszentren in Backnang, Schorndorf und Winnenden. Dort haben wir den Raum, weitere Angebote zu etablieren und diese mit bereits bestehenden Angeboten noch besser zu verzahnen“, schilderte Landrat Sigel die Situation. Das Projekt ist derzeit noch in der Konzeptionsphase. Im November wird die Empfehlung der Kommunalen Gesundheitskonferenz in den Sozialausschuss des Kreistags eingebracht. pm