Regierungschef besucht Pragschule
Sedra und ihre Klassenkameraden lassen Kretschmann staunen
In Stuttgart lassen Ministerpräsident Kretschmann und Kultusministerin Schopper sich zeigen, wie ihre geplanten Reformen wirken können. Eine Lehrstunde für die Politik an der Pragschule.
Von Bärbel Krauß
Großer Bahnhof für hohen Besuch – das ist für die Schüler der Klasse 3 a in der Stuttgarter Pragschule nun wirklich gar kein Problem: Sie stehen gut eingepackt in Winterjacken, Ohrenschützer und Schals links und rechts auf der großen Treppe am Haupteingang nicht nur Spalier. Beim Empfang für Ministerpräsident Winfried Kretschmann und „die oberste Schulchefin im Land“ – so stellt der Regierungschef Kultusministerin Theresa Schopper später vor – rappen und tanzen sie stolz den „Pragschulsong“: von der Schulcrew, die zusammenhält wie ’ne Familie, wo alle mit ihren Talenten Werbung machen für den Frieden.
Demokratie in der Schule
Erkennbar sorgt das bei Kretschmann, Schopper und Stuttgarts Schulbürgermeisterin Isabel Fezer, die die beiden begleitet, schon für gute Laune, und das ist erst der Anfang: Beim Pragschulrat schauen die Politiker sich an, wie Erst- bis Viertklässler beraten werden, ob und wie die Spielzeugausgabe für die Mittagspause besser gestaltet werden kann. Entschieden wird erst nächstes Mal, denn heute ist wegen der Besucher zu wenig Zeit dafür. „Wisst ihr denn, was ihr da gerade gemacht habt?“, fragt Kretschmann danach fast andächtig, um die Antwort gleich selbst zu geben: „Demokratie.“
Unter anderem deshalb sind Kretschmann und Schopper an diese Schule gekommen. Bei den anstehenden Reformen, die die grün-schwarze Koalition für ganz Baden-Württemberg auf den Weg gebracht hat, soll unter anderem Demokratiebildung und Sprachförderung gestärkt werden.
Sprachförderung ist hier schon lange normal
Bei beidem steht die Pragschule, die eine bunt gemischte internationale Schülerschaft hat, nicht am Anfang. Im Pragschulrat finden die gewählten Erst- bis Viertklässler, wie einige von ihnen später erzählen, besser funktionierende Lösungen für manche Konflikte – etwa um das Fußballspielen in der Pause, was auch die Lehrkräfte neidlos einräumen. Und die Sprachförderung, die andernorts erst Zug um Zug eingeführt werden muss, ist in der Ganztagsschule schon durch die Teilnahme am Förderprogramm „schulreifes Kind“ eine erprobte Disziplin.
Fünf Viertklässler sitzen mit Politikern und Lehrern am Tisch und erklären die Vorzüge ihrer Schule: die Patenschaften der Viert- für die Erstklässler, viele Ausflüge, der schuleigene Zirkus und dass man einander hilft. Ob Kamiran, Fadou, Sedra, Nele und Annabel früher selbst irgendwann einmal an Sprach- oder Leseförderung teilgenommen haben, ist nirgends zu erraten. Kretschmann zeigt sich von ihrer „Sprach- und Formulierungskompetenz schwer beeindruckt“.
Was Kretschmann den Eltern rät
„Alle Kinder müssen die Chance haben, Leistung zu bringen und etwas aus ihrem Leben zu machen. Deshalb ist es wichtig, Sprachdefizite bei Kindern früh auszuräumen“, betont Kretschmann. Er und Schopper sehen sich in ihrem Reformkurs für das Land durch den Besuch bestätigt. „Wenn das alle Schulen so gut hinbekommen wie die Pragschule, sind wir einen großen Schritt weiter“, sagt Kretschmann.
Der verhauene Kompass-4-Test in Mathe spielt bei dem Schulbesuch nur am Rande eine Rolle. „Das war hier kein großer Aufreger“, sagen Konrektor Johannes Knapp und der Klassenlehrer der Viertklässler, Matze Krebs. Kretschmann formuliert bei dem Besuch deshalb einen Appell an alle Eltern: „Wenn man der Empfehlung der Lehrerschaft folgt, macht man nichts falsch“, sagte er. Die Lehrer hätten ein objektives Urteil. „Es müssen schon sehr belastbare Dinge vorliegen, um davon abzuweichen.“