EU-Gipfel in Brüssel
Selenskyj drängt die EU zur Kooperation mit den USA
Der ukrainische Präsident ist zu Gast beim EU-Gipfel in Brüssel. Dort bittet er um mehr europäische Unterstützung.
Von Knut Krohn
Die Bilder gleichen sich bei jedem Treffen in Brüssel. Wolodymyr Selenskyj steht in Pullover und khakifarbener Hose zwischen den EU-Staats- und Regierungschef im feinen Zwirn. Der ukrainische Präsident sucht beharrlich das Gespräch, wirkt allerdings angesichts der dramatischen Lage an der Front im Osten seiner Heimat von Mal zu Mal verzweifelter. Auch bei dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel richtete er fast schon flehende Worte an seine Kollegen, denn mit dem Amtsantritt von Donald Trump im Januar als US-Präsident wird die Zukunft der Ukraine noch ungewisser.
Dringlicher Appell an die EU
„Nur zusammen können die USA und Europa Putin tatsächlich stoppen und die Ukraine retten“, betonte Selenskyj und drängte Europa zur Zusammenarbeit mit Washington. Noch immer ist unklar, welche Pläne Trump in Sachen Ukraine tatsächlich hegt. Von seiner Absicht, den Krieg in 48 Stunden zu beendet, redet inzwischen niemand mehr, sicher aber scheint, dass der zukünftige US-Präsident die US-Militärhilfen für Kiew kürzen wird. Zudem drängt er die Ukraine zu Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Wir müssen das Gemetzel beenden“, sagte Trump in diesen Tagen in seiner Residenz Mar-a-Lago in Florida. Deshalb werde er mit Putin und dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj sprechen. Der Kreml-Chef sagte am Donnerstag im Rahmen seiner jährlichen Pressekonferenz in Moskau, dass er zu einem Treffen mit Trump „jederzeit“ bereit sei.
Keine Entscheidung über den Kopf der Ukraine hinweg
In den meisten Staaten der Europäischen Union stoßen solche Ankündigungen allerdings auf wenig Verständnis. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mahnte bei dem EU-Gipfel in Brüssel erneut, „dass es keine Entscheidung geben darf über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg“. Es dürfe keinen „Diktatfrieden“ mit Putin geben. Ähnlich äußerte sich Luxemburgs Regierungschef Luc Frieden, der in Brüssel betonte: „Die Zukunft der Ukraine entscheidet sich nicht in Washington.“ Allerdings sind die USA der mit Abstand größte Unterstützer Kiews im Abwehrkampf gegen die russischen Truppen und ein Präsident Trump dürfte sich eher wenig um die Mahnungen der Europäer kümmern.
Aus Teilnehmerkreisen hieß es, dass die in den vergangenen Wochen immer wieder angesprochene europäische Friedenstruppe für die Ukraine beim EU-Gipfel kein Thema war. Auch Bundeskanzler Scholz bezeichnete die Diskussion am Rande des Treffens als verfrüht. Belgiens Regierungschef Alexander De Croo sagte, zunächst gehe es um Unterstützung für einen Sieg der Ukraine. Falls es der Ukraine gelinge, „die Russen zurückzudrängen, wird jeder seine Rolle zur Friedenserhaltung spielen müssen“, betonte er aber.
Neue Milliardenhilfe für die Ukraine
Ein greifbares Ergebnis des Gipfels war, dass die EU-Kommission am Rande des Treffens den europäischen Anteil aus einem G7-Hilfspaket von insgesamt 50 Milliarden US-Dollar offiziell freigab. Die 18 Milliarden Euro aus Europa sollen ab Januar schrittweise an Kiew fließen. Sie werden aus den Zinsgewinnen aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten finanziert. Die Baltenstaaten und Finnland wollen der Ukraine zudem das gesamte in Europa eingefrorene russische Vermögen von rund 300 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, wie Selenskyj es schon lange fordert. Deutschland und Luxemburg machen juristische Bedenken geltend.
EU will die illegale Migration eindämmen
Ein weiteres Thema der 27 Staats- und Regierungschefs war in Brüssel auch die Eindämmung der irregulären Migration. Diskutiert wurde dabei über die Migrationsabkommen, die die EU-Kommission bereits zum Beispiel mit Tunesien geschlossen. Abkommen mit Jordanien und Marokko sollen kurz vor dem Abschluss stehen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte, dass bei dem Thema mit Pragmatismus vorangegangen werden müsse. Deutschland habe es geschafft, die irreguläre Migration im Asylsystem in den zurückliegenden Monaten um fast 50 Prozent zu reduzieren. „Das zeigt ja, dass entschlossenes, pragmatisches Handeln hilft“, unterstrich Scholz.
In diesem Zusammenhang wurde auch über die Entwicklung in Syrien gesprochen. Belgiens Premierminister Alexander De Croo rief dazu auf, die Lage in dem Land mit der Lieferung von humanitärer Hilfe zu festigen. Das tat er allerdings nicht ganz ohne Hintergedanken. „Sobald sich die Lage stabilisiert hat, können wir natürlich damit beginnen, den in Europa lebenden Syrern bei der Rückkehr in ihr Heimatland zu helfen“, sagte der Belgier.