Sensen für den virtuosen Hausgebrauch
Serie Mitgemacht: VHS Murrhardt bietet einen Kurs an, in dem sich die Kunst des Handmähens bei den Meistern des Fachs lernen lässt
Alle, die zu Hause ihr Wieschen ganz praktisch von Hand auf Nachwachshöhe bringen wollen, sind eingeladen, bei Gerhard Rickert und Uli Traub von den Murrtaler Sensenmähern diese Kunst zu lernen. Als sich die Volkshochschule Murrhardt die Dozenten ins Boot geholt hat, spielten auch Überlegungen zum Naturschutz eine Rolle. Es ist ein Angebot im Rahmen des Schwerpunkts Biodiversität. Die Eindrücke vom Seminar sind definitiv nachhaltig.
Von Christine Schick
MURRHARDT. Die Kursbeschreibung macht was her: „Bienen und andere Insekten, aber auch viele Kräuter profitieren davon, wenn Wiesen erst nach der Blüte gemäht werden. Dafür ist das Sensen einfach ideal. An zwei Terminen wird der Dozent Sie in diese alte Kulturtechnik einweisen, sodass das Mähen hinterher leicht von der Hand geht.“
Weil sich elf Teilnehmer angesagt haben, hat sich Gerhard Rickert Unterstützung von Uli Traub geholt. Vielleicht besser, erst mal nicht zu verraten, dass ich weder einen hübschen Garten mit hochgewachsenem Rasen noch eine einzige Topfpflanze mein Eigen nennen kann. Ganz verbergen lässt sich allerdings nicht, dass die anderen mir schon allein ausrüstungstechnisch voraus sind. Bei der Ankunft auf dem Göckelhof von Familie Rickert bei Murrhardt werden die Sensen aus den Kofferräumen geholt.
Das Großmuttermodell, das auf Gerda getauft wird, ist genauso mit von der Partie wie die moderne Baumarktvariante mit Alustab. Mit dem Arbeitswerkzeug geht es ins Sensenparadies. In der großen Scheune der Rickerts hängen eine ganze Reihe wettkampferprobter Schnittwerkzeuge. Die Murrtaler Sensenmäher blicken auf etliche Auszeichnungen bis hin zu Weltmeistertiteln in dieser ungewöhnlichen Sportart zurück. Das Epizentrum der Profis ist auch Anprobe- und Tuningstudio. Die meisten mitgebrachten Varianten kommen bei Gerhard Rickert nicht so gut weg. Gerda beispielsweise verfügt zwar über ein altes, aber viel zu waagrecht angebrachtes Sensenblatt. Beim Neukauf sieht es ähnlich aus und ein Sensenbaum oder -worb, wie der Stab mit Griffen heißt, aus Alu statt aus Holz ist für den Dozenten ein Unding. „Wir wollen ja nicht nur ein paar Brennnesseln köpfen, sondern richtig Gras mähen“, stellt er fest. Dazu muss eine Sense eingestellt werden, wie der Fachmann sagt. Das Blatt sollte im Verhältnis zum Worb eine gewisse Rundung und Neigung haben, damit es gut durchs Gras gleitet, was man an einer einfachen Messeinrichtung vor Ort kontrollieren kann. Ein paar Exemplare können Uli Traub und Gerhard Rickert gleich auf Vordermann bringen, bei einem Teil sind noch Nachbesserungen nötig. Dann die Detailarbeit: Es geht ans Dengeln. Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich um eine geräuschvolle Arbeit. Entweder wird das Blatt an der Schnittkante mit dem Hammer dünner und dadurch schärfer geklopft oder dies wird mit einer fußbetriebenen Druckpresse erledigt. Bei der Handarbeit an einem Blatt wird schnell klar: Das braucht Routine. Bei mir stellt sich noch nicht mal der Hauch einer Ahnung ein, ob sich da nach intensivem Geklopfe etwas verändert hat. „Wenn ich mit dem Nagel ganz sanft an der Kante entlangfahre, könnt ihr sehen, dass sich das Blatt aufgrund seiner Dünne leicht biegen lässt“, erklärt Uli Traub. Gegenfrage: „Kann denn hier etwas kaputt gehen?“ Gerhard Rickert grinst und sagt zu dem Blatt, auf dem fröhlich herumgedengelt wird: „Das nehm ich nachher nicht mehr.“
Allmählich wird es ernst. Nach dem Wetzen, also Schärfen der Sense, ebenso eine technisch-kunstvolle Angelegenheit, und ersten Trockenübungen am weltmeisterlichen Trainingsgerät mit Seilwinde und Gewichten, geht es auf die Wiese. Damit es für mich nicht bei der Theorie bleibt, bekomme ich ein Rickert’sches Exemplar geliehen. Auch das Gehen mit dem Werkzeug will gelernt sein, Worb an die Schulter, Blatt nach oben und vorne, sodass die Sense beim Stolpern weit genug vom Körper weg ist und nichts passieren kann.
Die Wiese sieht genauso wie in der Ankündigung aus: Hochgewachsen wiegt sie sich mit Blüten im Wind. Eigentlich schade um das Bild, denke ich mir. Aber es hilft nichts. Dann nehmen sich die beiden nach und nach jeden einzelnen Frischling vor. Es ist ein bisschen wie in der Fahrschule beziehungsweise beim ersten Schlagzeugunterricht. Hände und Füße sollen ganz unterschiedliche Dinge tun, ohne sich gegenseitig ins Gehege zu kommen oder ins Stocken zu geraten, weil der Kopf hinterherhinkt: Beine breit, rechter Fuß leicht nach vorne, etwas herunterbeugen, Sense mit rechter und linker Hand auf fast gleicher Höhe halten, Werkzeug rechts ablegen und dann in einem Halbkreis nach links ziehen, sodass der Worb nahe am linken Knie vorbeiführt. Himmel!
Es ist ein bisschen wie bei der ersten Fahrstunde oder beim ersten Schlagzeugunterricht
„Nach jedem Schnitt müsst ihr auch einen kleinen Schritt nach vorne gehen“, sagt Gerhard Rickert. „Und immer im Rhythmus bleiben.“ Dem Meister des Fachs legt sich das Wieschen vor ihm im Halbkreis zu Füßen. Ich versuche, wenigstens im Schwung zu bleiben. Als ich den Schritt nach vorne vergessen habe, stellt Uli Traub fest: „Sehr gut, jetzt war zwar kein Gras mehr da, aber sonst prima.“ Ich muss lachen. Bei einer kleinen Wetzpause ist von der „Flying Gerda“ die Rede, die durchs Gras gleitet, Streuobstwiesen und Patenschaften städtischer Stückle für Fälle wie mich, um nach dem Kurs ein Betätigungsfeld zu haben.
Nach einer guten, entspannten Trainingseinheit wird der zweite Praxistermin vereinbart. Dass der Abend in der Rekordhitzewoche liegt, lässt die Gruppe verständlicherweise schrumpfen. Sich bei über 30 Grad der Doppelmad und dem meisterlichen Sensen zu widmen, ist ein bisschen verrückt. Der Schweiß dringt schon aus allen Poren, ohne dass man sich einen Millimeter bewegt. Netterweise suchen uns Gerhard Rickert und Uli Traub ein Wiesle an einer Scheune, die ein bisschen Schatten wirft. Profisensen und eigene kommen zum Zug. Ich gebe mein Bestes, aber zum Koordinationskampf kommt noch der mit der Hitze sowie Ameisenhaufen, die meinen Mähweg zu pflastern scheinen. „Das ist ja auch hartes Gras hier“, sagt Uli Traub aufmunternd. Idealer sei eine Wiese mit viel Klee, die man sich bei Morgentau vornehme und die Feuchtigkeit zu einem Mäh-Kinderspiel mache. Nun gut. Ich bin ja nicht angetreten, um Wunder zu vollbringen, sondern eine Ahnung vom kunstvollen Tun zu bekommen.
Unter der Anleitung der beiden stellt sich schließlich wieder ein Hauch von Rhythmus und Flow ein. Für eine echte Routine freilich reicht das nicht aus. Also doch in Richtung Patenschaft überlegen? Inklusive Ausgleichssport für das viele Sitzen am Schreibtisch? Mal sehen, denke ich, und träume von großen Kleeflächen und Morgentau.
Für die Serie „Mitgemacht“ testen Redakteure unserer Zeitungen
verschiedene Kursangebote und
berichten über ihre Erfahrungen.