Shamir bestürzt über Antisemitismus auf Demos

dpa/lsw Stuttgart. Immer wieder tragen Demonstranten auf den Corona-Demos gelbe Sterne mit der Inschrift „ungeimpft“ - und verharmlosen damit den Holocaust. Die neue israelische Generalkonsulin ist schockiert.

Die israelische Generalkonsulin Carmela Shamir spricht. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Die israelische Generalkonsulin Carmela Shamir spricht. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Die Generalkonsulin des Staates Israel, Carmela Shamir, hat sich bestürzt gezeigt angesichts antisemitischer Auswüchse auf den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. „Wir waren schockiert, als wir die Slogans gesehen haben und die Bilder von Menschen, die den Davidstern tragen“, sagte Shamir der Deutschen Presse-Agentur bei ihrem Antrittsbesuch im baden-württembergischen Innenministerium in Stuttgart. „Das Ausmaß hat uns erschüttert.“ Die Gesellschaft habe lange gebraucht, um zu verstehen, wie ernst das Phänomen ist. Mittlerweile gebe es aber mehr Verständnis und immer mehr Gegenproteste, sagte Shamir.

Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden versuchen Rechtsextremisten vermehrt, die Demonstrationen für ihre Zwecke zu vereinnahmen. In der Vergangenheit hatten sich Demonstranten immer wieder mit Davidstern und der Aufschrift „ungeimpft“ gezeigt - was den Holocaust verharmlost. Solche gelben Symbole erinnern in ihrer Aufmachung an die Sterne, die jüdische Bürger in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft tragen mussten. Insgesamt ermordeten die Nazis sechs Millionen Juden.

Der Antisemitismusbeauftragte Michael Blume berichtet von einer Zunahme antisemitischer Vorfälle auf den Demonstrationen. Immer wieder komme es zur „Selbstgleichsetzung mit dem Holocaust“ etwa durch das Tragen von „Ungeimpft“-Davidsternen, sagte er der dpa. Antisemitische Verschwörungsmythen gebe es gegenüber Medien, Wissenschaft, Politik. Das ZDF sei bereits als „zionistisches Desinformationen-Fernsehen“ bezeichnet worden. „Verschwörungsgläubige sind häufig in Antisemitismus verstrickt“, sagte Blume. Davidsterne sehe man mittlerweile regelmäßig. Dabei handle es sich um eine doppelte Verhöhnung - es würden die Opfer des Holocaust verhöhnt und die heutige Demokratie, weil die Politiker mit den Nazis gleichgesetzt würden. Blume sagte, aus seiner Sicht sei das Tragen der Sterne in dem Kontext strafbar. Das müssten Gerichte entscheiden.

Die Generalkonsulin Shamir sagte, sie sei zudem grundsätzlich sehr besorgt angesichts der Gefahr gewalttätiger Angriffe auf die jüdische Gemeinde in Deutschland. Sie sei froh über die staatlichen Bemühungen, die jüdische Gemeinde zu schützen. Aber es gebe immer noch zu tun - dabei sprach sie davon, mehr Bewusstsein im Kampf gegen Antisemitismus in der Bevölkerung zu schaffen und etwas gegen die Aufstachelung in sozialen Medien zu tun.

„Viele hätten sich diese besonders widerliche Art und Weise von Hass und Hetze in der Form des Antisemitismus nicht mehr vorstellen können. Sie dachten, das ist Vergangenheit. Wir haben uns getäuscht. Der Antisemitismus war nie weg“, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU). „Wir sind erst zufrieden, wenn Kinder jüdischen Glaubens mit einer Kippa auf dem Kopf in die Schule gehen können, ohne dass die Großeltern Angst haben müssen.“

Shamir hatte ihren Posten im vergangenen Jahr angetreten. Zu ihrem Amtsgebiet gehört ganz Süddeutschland - der Konsularbezirk umfasst den Freistaat Bayern sowie die Länder Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland.

In Baden-Württemberg bleibt die Zahl antisemitischer Straftaten auf einem hohen Niveau. Laut Innenministerium wurden in den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 im Südwesten 165 antisemitische Delikte erfasst – im selben Vorjahreszeitraum waren es 118 - ein Anstieg um 39,8 Prozent. Der Schwerpunkt der Delikte liegt mit 119 Fällen bei Volksverhetzung beziehungsweise Gewaltdarstellung. Im gesamten Jahr 2020 wurden 228 antisemitische Straftaten verzeichnet, im Gesamtjahr 2019 waren es 182 und im Jahr 2018 noch 136.

Die meisten judenfeindlichen Delikte werden laut Innenministerium von Personen aus dem rechtsextremistischen Milieu verübt. In den ersten drei Quartalen 2021 waren das mit 119 Delikten rund 72 Prozent aller Fälle. Hinter 17 Straftaten steht laut Ministerium eine ausländische oder religiöse Ideologie.

© dpa-infocom, dpa:220127-99-866589/7

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Erstellt:
27. Januar 2022, 05:17 Uhr

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