„Sie dürfen auch an falschen Stellen lachen“

Jüngst hat Lisa Fitz ihren 70. Geburtstag gefeiert, seit 50 Jahren ist die Kabarettistin auf der Bühne zu Hause. In der Auenwaldhalle präsentiert sie ihr Jubiläumsprogramm – mit viel Elan zwar, aber auch viel Politikverdrossenheit, verpackt in große Zitate.

Ihr Können an der Gitarre muss bei Lisa Fitz auch mal für Pandemiespott herhalten. Foto: T. Sellmaier

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Ihr Können an der Gitarre muss bei Lisa Fitz auch mal für Pandemiespott herhalten. Foto: T. Sellmaier

Von Carmen Warstat

Auenwald. Das Programm heißt „Dauerbrenner – Das große Jubiläumsprogramm“. Im ersten Teil definiert Lisa Fitz ihre Arbeit als Pionierin des Kabaretts, weil sie die erste selbst textende Frau war in einer Branche, die bis dato nur Alibi- oder Quotenfrauen kannte. Seit 50 Jahren ist die gebürtige Schweizerin auf Kleinkunstbühnen zu Hause – ein Dauerbrenner in der Tat, und einer, der seit einiger Zeit zum Zündeln neigt. Lisa Fitz, die mit dem jeder Rechtslastigkeit unverdächtigen Dieter Hildebrandt zusammengearbeitet hat, wird heute des Spiels mit antisemitischen Klischees bezichtigt und wehrt sich dagegen.

Ganz unvermittelt berichtet sie darüber, wie sie einen Kritiker mit dem „Argument“ in die Flucht schlug, sie sei schon für Freiheit eingestanden, als der noch in die Windeln gemacht habe. „Sie dürfen auch an falschen Stellen lachen. Immer und überall.“ Mit diesen Worten bekräftigt die Künstlerin ihre Absage an ein übermäßiges Feingefühl für kompliziertere Zusammenhänge und sagt: „Political Correctness kriegt ihr bei mir nicht!“ Aber erst einmal wird in Erinnerungen geschwelgt. „Wer sich an die Siebziger erinnert, hat sie nicht erlebt.“

Lisa Fitz gibt zu, etwas unsicher zu sein im Hinblick auf diese Zeit, geht weiter zurück, um politische Ereignisse beginnend in den Sechzigern aneinanderzureihen – „Schee war’s!“: Studentenproteste und sexuelle Revolution, Berliner Mauer und Kuba-Krise, Kennedy-Mord und Bikini, Martin-Luther-King-Mord und Woodstock, Apollo-Landung und endlose Küchendiskussionen, Sechstagekrieg und Oswald Kolle, Prager Frühling und Tuttlinger Gemeindereform, kurz: Rebellion! „Super Zeitgeist.“ Der heutige hingegen sei: „Blutleer, betroffen, beleidigt.“

Da ist sie also, die Systemkritik der Lisa Fitz. Im Gewande des Zitats prügelt sie auf Journalisten ein: „Ratten und Schmeißfliegen.“ Franz Josef Strauß gegen Jens Spahn, also „stockbesoffen“ gegen „stocknüchtern“, bei der Bayerin macht Strauß das Rennen, noch im Vollrausch, versteht sich. Mit Selbstironie blickt sie auf ihre Zeit als Moderatorin der Bayerischen Hitparade (1972), wo sie dann wohl die „Rebellion gegen die Rebellion“ bediente: „Wenn I zu meim Bacherl geh...“ Sie jodelt sauber und spielt eine saubere Gitarre dazu, echt gekonnt. „Da kann man doch später nur Kabarett machen“, urteilt die Künstlerin selbst.

Goethe wird zum ersten Verschwörungstheoretiker erklärt

Fitz spricht über „Brüche im Leben“, Momente, wo man weiß, man müsste „den Job wechseln oder den Mann“, und das sind die Mitteilungen, die überzeugend wirken. Weil sie nicht haltmacht vor einem problematischen Privatleben, der Trennung vom Vater als Produzent und Manager, dem eigenen Alkoholkonsum, den vielen Männern. „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“, zitiert sie Adorno und findet zurück ins andere Element. Pseudoironisch wird Goethe zum ersten Verschwörungstheoretiker erklärt und Mephistos „Hexeneinmaleins“ im „Faust“ angeführt: „Es war die Art zu allen Zeiten...Irrtum durch Wahrheit zu verbreiten.“ Dass Goethe hier die katholische Kirche im Blick hatte, verschweigt die Fitz geflissentlich.

Nach der Pause heißt es: „Quo vadis, meine Lieben?“ Sie konjugiert es durch, buchstäblich auch („Quo vadimus?“) – wohin geht’s, was soll das werden und wohin führen? Greta Thunberg bekommt eine kleine Klatsche, Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Annegret Kramp-Karrenbauer und Saskia Esken ebenso. Die an Intelligenz kaum zu unterbietende Begründung der Lisa Fitz: „Das Auge isst doch mit.“ Da helfen dann auch Sokrates und Plutarch nicht mehr. Das großartige Gitarrenspiel muss herhalten für Pandemiespott („Es ist ein Vir’ entsprungen aus einer Fledermaus“). Lisa Fitz bezeichnet es als kritischen Humor. Nicht witzig ist die düstere Prognose, die die Fitz im Song „Deutschland, quo vadis?“ verkündet, sinngemäß: Dein eigenes Gesicht, Deutschland, siehst du nicht im Spiegel von morgen. Aber: „Man kann sein Land lieben, ohne völkisch zu sein“, findet die Kabarettistin und landet bei den „Big Five“, die alles kontrollieren, Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft, in der Tat alle nicht deutsch. Lisa Fitz nennt es ihr Finale Grande und grüßt ihre „Freunde der Nacht“. Sie habe sich eingelesen, verrät sie vielsagend und fragt noch einmal: „Wer stoppt Google?“ Eine weitere Prophezeiung: „Nur die Mutigen entkommen!“

Der Abschied fällt schwer, denn das Publikum ist restlos begeistert und will sie nicht gehen lassen. Einen hat sie noch, beruhigt Lisa Fitz die Leute und erzählt einen letzten Witz. Witze erzählen kann sie.

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Erstellt:
28. Oktober 2021, 06:00 Uhr

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