Schweizer Bundespräsidentin

Sie gibt den Ton an

Die gestrenge Finanzministerin Keller-Sutter wird am 1. Januar Schweizer Bundespräsidentin. Die Freisinnige aus St. Gallen muss den Eidgenossen einen teuren Deal mit der EU erklären.

Karin Keller-Sutter ist Helvetiens künftige Bundespräsidentin.

© IMAGO/20 Minuten/IMAGO/Stefan Lanz

Karin Keller-Sutter ist Helvetiens künftige Bundespräsidentin.

Von Jan Dirk Hebermann

Karin Keller-Sutter (61) will stets nach oben. Im kommenden Jahr wird Helvetiens Finanzministerin den Höhepunkt ihrer Laufbahn erklimmen: Die liberale von der FDP übernimmt am 1. Januar die Position der Schweizer Bundespräsidentin. „Die inoffizielle Chefin ist jetzt auch die offizielle“, kommentierte die Neue Zürcher Zeitung nach der Wahl im Parlament. Und das St. Galler Tagblatt konstatierte: sie „gilt bereits als einflussreichste Politikerin des Landes“. Spätestens bei dem Krimi 2023 über die taumelnden Großbank Credit Suisse erwarb sich Keller-Sutter den Ruf als zupackende Strategin: Die Finanzministerin begleitete die Übernahme der Credit Suisse durch die Konkurrentin UBS. Dadurch half „KKS“, eine große Bankenkrise zu vereiteln.

Zwar läuft die Amtszeit der Schweizer Bundespräsidenten nach einem Jahr ab. Sie sind auch nicht wie die Bundespräsidenten in Deutschland oder Österreich das Staatsoberhaupt. Aber Helvetiens Bundespräsidenten leiten die Sitzungen der Regierung, des siebenköpfigen Bundesrates, und sie repräsentieren das Land nach außen. Wenn es sich bei der Bundespräsidentin um eine starke Persönlichkeit handelt, kann sie durchaus etwas bewegen.

Lösungen finden sich nicht im Kontrast, sondern im Kompromiss

„Die Bundespräsidentin sorgt dafür, dass der Bundesrat seine Aufgaben rechtzeitig, zweckmäßig und koordiniert an die Hand nimmt und abschließt“, zitierte KKS anlässlich ihrer Wahl den entsprechenden Gesetzestext. So stellte sie klar, wer in den nächsten zwölf Monaten den Ton in Helvetiens Regierung angeben wird. Die neue Chefin setzt auf Ausgewogenheit und Kooperation: „Wir wissen aus Erfahrung, dass die wirklichen Lösungen nicht im Kontrast liegen, sondern im Kompromiss.“

Im kommenden Jahr warten große Herausforderungen auf die Schweiz, bei denen sich die verheiratete Keller-Sutter beweisen kann. Die Kassenchefin, die sich stets adrett und stilsicher kleidet, wird vermutlich auch als Bundespräsidentin ihrer Devise treu bleiben: „Solide Finanzen sind eine Voraussetzung für einen starken, souveränen und sozialen Staat.“

Keller-Sutter muss auch die neuen Vereinbarungen mit der EU im Schweizer Parlament und vor der Bevölkerung verteidigen. Bei einem Punkt dürfte sie sich schwertun: Ausgerechnet beim Geld. In den Verhandlungen mit Brüssel gab die Schweizer Regierung erheblich nach: Von 2030 bis 2036 soll Bern jährlich einen Betrag von 350 Millionen Franken (376 Millionen Euro) an die EU überweisen. Derzeit zahlt das Nicht-EU-Mitglied Schweiz deutlich weniger. Den Betrag entrichtet das Land praktisch als Eintrittspreis zum EU-Binnenmarkt. „Oft braucht es ein Geben und Nehmen, um zu Lösungen zu kommen“, erläuterte Keller-Sutter.

Ihren Pragmatismus eignete sich Keller-Sutter schon als Kind an: Im Restaurant ihrer Eltern lernte sie schon als kleines Mädchen, dass man nur das ausgeben kann, was man einnimmt. Als Schwester von drei älteren Brüdern formierte sie früh ihren Behauptungswillen. Auch Keller-Sutters Musikgeschmack lässt auf eine gewisse Härte ihres Charakters schließen: Sie steht auf den Punkrock von The Clash.

Streben nach Gerechtigkeit

Das Engagement von KKS für andere begann als Klassensprecherin der Kantonsschule. Während des Studiums wurde sie Vorsitzende der Fachschaft. „Nicht weil ich eine Streberin bin – ich habe einen großen Gerechtigkeitssinn“, erläuterte sie gegenüber der Schweizer Illustrierten. Den Einstieg in die Politik legte die Übersetzerin, Dolmetscherin und Lehrerin im Alter von 29 Jahren hin: Sie wurde Gemeinderätin in ihrer Heimatstadt Wil.

Später folgte ihr Sprung ins Parlament und in die Regierung von St. Gallen. Im Jahr 2011 betrat die Ständerätin Keller-Sutter die nationale Bühne. Schließlich zog sie 2019 als Justizministerin in die Schweizer Regierung ein und übernahm später das Finanzressort. Ab dem Neujahrstag wird die Frau aus St. Gallen die größte politische Aufgabe ihres Lebens meistern.

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Erstellt:
27. Dezember 2024, 14:32 Uhr

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