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Sieben ehrenamtliche Naturschutzbeauftragte helfen der zuständigen Behörde im Landratsamt bei der Beurteilung von Vorhaben und Planungen, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind.

Die Remstal-Gartenschau war für die Naturschutzbeauftragten im Kreis ein Mammutprojekt. Archivfoto: Landratsamt:

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Die Remstal-Gartenschau war für die Naturschutzbeauftragten im Kreis ein Mammutprojekt. Archivfoto: Landratsamt:

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Ist ein Bauvorhaben mit den Vorgaben des Naturschutzes vereinbar? Kann es umgesetzt werden oder muss es gestoppt werden? Dass bei derlei Entscheidungen eine ehrenamtliche Person mitwirkt, mag erst einmal befremdlich klingen. Wer allerdings das Anforderungsprofil für die Naturschutzbeauftragten kennt, weiß: Das sind wahrlich keine Laien. „Bei uns gibt es Bauingenieure, Biologen, eine frühere Obstbauberaterin und einen ehemaligen Mitarbeiter der Naturschutzbehörde“, führt Jochen Schäufele, Leiter des Amts für Umweltschutz im Rems-Murr-Kreis, aus. Nicht nur müssen die Kandidaten ein anspruchsvolles Anforderungsprofil erfüllen (siehe Infotext), der Amtsleiter setzt auch technischen Sachverstand voraus. „Man muss auch Pläne lesen können“, sagt er. Allerdings werden die Ehrenamtlichen nicht alleingelassen: Sie nehmen an verschiedenen Fortbildungen und Schulungen teil und werden über rechtliche Änderungen auf dem Laufenden gehalten.

Dass es die ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten gibt, ist eine Besonderheit Baden-Württembergs, deren Grund in der Geschichte zu suchen ist. „In der Vergangenheit, als die Naturschutzbehörden noch keinerlei Fachpersonal (und auch sonst wenig Personal) hatten, war nur durch sie eine halbwegs geordnete Naturschutzarbeit möglich“, heißt es hierzu vom Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg. Heute seien die Ämter zwar besser ausgestattet, die Zahl der Aufgaben nehme aber auch zu. So kommt es, dass die ehrenamtlichen Kenner von Natur und Landschaft auch weiterhin den unteren Naturschutzbehörden der Stadt- und Landkreise mit ihrem Rat zur Seite stehen. Ein Großprojekt, bei dem man im Landratsamt sehr froh um die Hilfe war, war etwa die Remstal-Gartenschau 2019, so Schäufele. Und auch bei Windkraftprojekten seien die Ehrenamtlichen im Einsatz.

Manche Bauherren ärgern sich über die Stellungnahmen

Dabei, betont Schäufele, sind die Beraterinnen und Berater weisungsfrei. Das heißt: Sie müssen nicht nach dem Wunsch des Landratsamts handeln. Andersherum gilt: Die Stellungnahmen der Naturschutzbeauftragten müssen nicht zwangsläufig befolgt werden. Ist das der Fall, können die Ehrenamtlichen verlangen, dass ihre Vorlage an die nächsthöhere Naturschutzbehörde – in diesem Fall das Regierungspräsidium – weitergeleitet wird, die den Sachverhalt dann prüft. „Diesen Fall hatten wir bislang aber nur einmal. Wir setzen uns für gewöhnlich nicht über sie hinweg“, versichert Jochen Schäufele.

Nicht ganz so selten komme es hingegen vor, dass den Bauherren die Stellungnahmen der Ehrenamtlichen nicht gefallen – etwa dann, wenn sie ihr Projekt nicht so umsetzen können, wie sie wollen. „Den Ärger können wir zwar manchmal gut verstehen, aber wenn der rechtliche Rahmen es nicht hergibt, können wir keine Zustimmung rechtfertigen“, so Schäufele. Um die Naturschutzbeauftragten zu schützen, wird ihr Beitrag in der Stellungnahme der Behörde nicht kenntlich gemacht. So könne man vermeiden, dass sie angefeindet werden. Das Spannungsfeld bedingt auch, dass die Ehrenamtlichen nicht gerne im Mittelpunkt stehen und daher nicht in der Zeitung von ihren Erfahrungen erzählen wollten. „Sie gehen nicht hausieren mit ihrer Arbeit“, hat auch der Amtsleiter festgestellt.

Aber wie werden denn Nachfolger gewonnen, wenn das Ehrenamt in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist? Eine Stellenausschreibung wäre kontraproduktiv, findet Jochen Schäufele. „Das hört sich nach einem schönen Ehrenamt an und zieht dann auch Laien an“, befürchtet er. Die beste Vorgehensweise sei es, das eigene Netzwerk zu nutzen, so Schäufele weiter. „Wir haben eine Liste mit möglichen Kandidaten.“ Allerdings sei das Vorgehen bei der Auswahl geeigneter Personen bislang etwas undurchsichtig gewesen, räumt er ein. Deshalb war er bereits mit der Idee auf die Kreisräte zugegangen, hierfür einen transparenten Vorgang zu entwickeln. „Überlegungen gibt es, die sind aber noch nicht schriftlich fixiert“, führt der Amtsleiter aus. So solle es etwa eine klare Bewertungsmatrix geben, sodass bei mehreren Interessenten eine nachvollziehbare Entscheidung getroffen werden kann. Vorstellungs- beziehungsweise Bewerbungsgespräche werde es wiederum nicht geben. Stattdessen soll es einen Austausch geben, in dem beispielsweise besondere Interessen abgeklopft werden. „Manche Personen sind auf Themenbereiche spezialisiert oder auf bestimmte Naturschutzgebiete im Landkreis“, erklärt Schäufele. Dieses Spezialwissen werde dann gerne genutzt.

Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

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Ein Interessenkonflikt muss ausgeschlossen sein

Situation im Kreis Sieben Personen sind derzeit als Naturschutzbeauftragte im Rems-Murr-Kreis aktiv. Manche von ihnen sind schon annähernd 30 Jahre tätig. Der Altersdurchschnitt liegt bei fast 70 Jahren (die jüngste Person ist 59 Jahre alt), weshalb in den kommenden Jahren Nachfolger gesucht werden. Die Naturschutzbeauftragten werden vom Kreistag jeweils für fünf Jahre bestellt. Erst kürzlich wurden im Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistags Ute Tränkle und Hans König wiederbestellt. Beide sind im nördlichen Rems-Murr-Kreis im Einsatz.

Aufgaben Die Ehrenamtlichen beraten und unterstützen die unteren Naturschutzbehörden insbesondere bei der Beurteilung von Vorhaben und Planungen, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind. Darüber hinaus erarbeiten sie Stellungnahmen zu den Fachplanungen anderer Verwaltungen und werden bei allen Vorhaben angehört, bei denen die Belange von Natur und Landschaft in den Stadt- und Landkreisen berührt sind.

Anforderungsprofil Die Voraussetzungen, welche Interessierte mitbringen sollten, sind in einer Verwaltungsvorschrift geregelt. Neben ausreichend Zeit müssen Kandidaten fundierte Fachkenntnisse vorweisen, etwa durch eine naturwissenschaftliche Ausbildung oder eine vergleichbare Qualifikation. Sie sollten Kenntnisse über Verwaltungsverfahren besitzen, dürfen aber nicht Bedienstete der unteren Naturschutzbehörde im Landkreis sein – obwohl sie in ihrer Tätigkeit dort angegliedert sind. Darüber hinaus müssen Kandidaten persönlich unabhängig und zuverlässig sein und sollten aufgrund anderer Ehrenämter nicht in einem Interessenkonflikt stehen.

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Erstellt:
4. Januar 2024, 16:00 Uhr

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