Sie verbringen ihren Urlaub klimafreundlich

Immer mehr Menschen achten mittlerweile darauf, nicht nur ihre Essgewohnheiten und ihren Konsum möglichst klimafreundlich zu gestalten, sondern auch ihren Urlaub. Sie reisen mit Bus, Bahn und Fähre zu ihrem Reiseziel – oder verbringen ihren Jahresurlaub gleich ganz zu Hause.

Bertram Ribbeck hat dieses Jahr mit seiner Frau Urlaub auf der Nordseeinsel Amrum gemacht und von dort aus Ausflüge unternommen. Mit der Fähre sind sie zum Beispiel auf die Hallig Nordmarsch-Langeneß übergesetzt. Fotos: privat

Bertram Ribbeck hat dieses Jahr mit seiner Frau Urlaub auf der Nordseeinsel Amrum gemacht und von dort aus Ausflüge unternommen. Mit der Fähre sind sie zum Beispiel auf die Hallig Nordmarsch-Langeneß übergesetzt. Fotos: privat

Von Melanie Maier

Backnang. Beim wöchentlichen Lebensmitteleinkauf oder auch beim Kauf neuer Kleidung achten viele Menschen bereits explizit darauf, möglichst klimafreundliche Entscheidungen zu treffen. Sie greifen nach der Biogurke aus der Region, ernähren sich vor allem vegetarisch, kaufen ihre T-Shirts im Secondhandshop oder bei einem nachhaltigen Label. Beim Jahresurlaub sieht es jedoch häufig anders aus. Fernziele locken, die nur mit dem Flugzeug schnell erreichbar sind. Doch auch in Backnang und der Umgebung verzichten manche schon bewusst auf den Strandurlaub auf den Malediven, auf Madeira oder Mallorca, um die Umwelt zu schonen und CO2 einzusparen.

Zu ihnen gehört zum Beispiel Bertram Ribbeck. Der Hausarzt und Sprecher der Gruppe Klimaentscheid Backnang achtet vor allem auf eine klimafreundliche Anreise zu seinem Reiseziel. „Der Verkehr ist einer der größten Energietreiber“, erklärt er. Wenn es irgendwie geht, reisen er und seine Frau mit der Bahn zu ihrem Urlaubsort. „Da bucht man das Abenteuer gewissermaßen mit“, scherzt er bezüglich der notorischen Verspätungen und Zugausfälle hierzulande. „Aber wenn wir dann im Zug an langen Staus auf der Autobahn vorbeifahren, bin ich ganz froh, in der Bahn zu sitzen.“

Dieses Jahr haben er und seine Frau zwei Wochen auf der Nordseeinsel Amrum verbracht. Vor Ort sind sie viel mit dem Bus gefahren, ab und zu mit der Fähre. „Mit dem 49-Euro-Ticket hat man quasi eine Bus-Flatrate“, sagt Bertram Ribbeck.

Die meisten Restaurants haben vegane und vegetarische Speisen im Angebot

Nicht nur zu Hause, sondern auch am Urlaubsort achten der 62-Jährige und seine Frau darauf, saisonale Lebensmittel aus der Region zu kaufen. Essen sie auswärts, sehen sie das etwas lockerer. „Wir essen vorzugsweise vegan oder vegetarisch, suchen im Urlaub aber nicht gezielt nach Restaurants, die speziell damit werben“, sagt Ribbeck. „Die meisten Restaurants haben inzwischen sowieso vegane und vegetarische Speisen im Angebot.“ Er esse aber auch gerne Fisch.

Wenngleich es ihm sehr wichtig ist, sich möglichst klimafreundlich zu verhalten, schließt er Flugreisen nicht partout für sich aus. „Meine Vorfahren kommen aus Japan. Ich spiele schon mit dem Gedanken, dort in der Rente einmal hinzureisen“, erklärt er. Das CO2, das durch die Flüge entstehen würde, würde er mit einem Kompensationsdienstleister ausgleichen – obwohl er von dem Prinzip nicht 100-prozentig überzeugt ist. „Ein bisschen Greenwashing ist das schon. Ich habe das einmal durchgerechnet. Wenn man den CO2-Preis des Umweltbundesamts zugrunde legt, müsste man eigentlich den achtfachen Preis kompensieren.“

Auch Krimiautor Klaus Wanninger fährt bevorzugt mit dem Zug in den Urlaub. Der 70-jährige Backnanger bezeichnet sich selbst als passionierten Bahnfahrer. Er habe schon unheimlich viele Freundschaften auf Bahnfahrten geschlossen, erzählt Klaus Wanninger. Im Zug, sagt er, komme man schnell ins Gespräch. Vor allem, wenn der mal wieder Verspätung habe. „Prinzipiell kann man mit dem Zug alle Reiseziele gut erreichen. Man muss nur flexibel sein“, sagt er und lacht. „Wenn da steht: Ankunft 14 Uhr, gehe ich von 16 Uhr aus.“ Deshalb machen ihm Verspätungen nichts aus. „Ich setze mich einfach in den Speisewagen, trinke einen Kaffee – und wenn der leer ist, bin ich schon mal zwei Stunden weiter.“

Autor Klaus Wanninger erholt sich gerne in Norddeutschland, wie hier in Travemünde.

© privat

Autor Klaus Wanninger erholt sich gerne in Norddeutschland, wie hier in Travemünde.

Da er gerne flexibel unterwegs ist, hatte er viele Jahre die Bahncard100, mit der man bundesweit unbegrenzt reisen kann. Da konnte es schon sein, dass er und seine Frau morgens nach Hamburg (seine Lieblingsstadt) oder an die Nordsee gefahren sind und abends wieder zurück. „Auf der Hinfahrt schreibe ich meine Krimis, auf der Rückfahrt lese ich Zeitung, weil ich da schon ziemlich ausgepowert bin“, sagt er.

Wegen eines schweren Autounfalls, den er als 18-Jähriger miterlebte, hat Klaus Wanninger nie den Führerschein gemacht. Doch auch der Klimaaspekt trug zu seiner Entscheidung für die Bahn bei. Während seines Geografiestudiums besuchte er auch meteorologische Seminare, die ihm deutlich vor Augen führten, dass die Welt auf eine Klimakrise zusteuert. „Das war schon in den 70ern bekannt“, betont Klaus Wanninger.

Die Schweiz ist das Eisenbahntraumland

30 Jahre lang schrieb der Krimiautor auch Reiseführer. Als Student verdiente er sich Geld als Schlafwagenschaffner dazu. So kam er viel in Nord-, West- und Südeuropa herum und lernte zahlreiche schöne Zugstrecken kennen. Etwa die Rhätische Bahn, die den Schweizer Kanton Graubünden durchquert. „Die Schweiz ist überhaupt das absolute Eisenbahntraumland“, schwärmt er. Wegen der wunderbaren Landschaften und weil die Züge pünktlich sind.

Simone Lebherz, Backnangs erste hauptamtliche Klimamanagerin, fährt im Urlaub meist gar nicht weg. Die 51-Jährige verbringt ihre freien Tage am liebsten zu Hause in Fellbach – klimafreundlicher geht es kaum. Durch ihren Beruf und ihr Engagement im Fellbacher Gemeinderat komme sie unter der Woche oft spät nach Hause. In ihrer Freizeit genieße sie es daher, daheim zu sein, sagt sie. „Mein Mann und ich haben ein schönes Haus und einen großen Garten mit rund 30 verschiedenen Obst- und Gemüsesorten. Wenn ich abends nach der Arbeit noch schnell ein paar Kilo Zucchini, Auberginen und Paprika zu einem Ratatouille verarbeiten muss, ist das für mich Stress. Aber im Urlaub, wenn ich keine Eile habe, zelebriere ich das richtig“, erzählt sie.

Simone Lebherz verbringt ihren Urlaub in ihrem Garten. Dort erntet sie etwa Feigen.

© Simone Lebherz

Simone Lebherz verbringt ihren Urlaub in ihrem Garten. Dort erntet sie etwa Feigen.

Sie möge es, im Garten auf der Terrasse zu liegen, ein gutes Buch zu lesen, Freunde zum Grillen oder zu Kaffee und Kuchen einzuladen – oder sich einladen zu lassen. Mit ihrem Mann fährt sie zudem gerne Fahrrad. Tagesausflüge führen sie beispielsweise in schöne Biergärten in der Nähe oder zu ihrer Lieblingseisdiele nach Winterbach. Geocaching ist ihr gemeinsames Hobby. „Dafür reicht der Landkreis oder auch mal der Nachbarlandkreis völlig aus“, sagt Simone Lebherz. „Ich muss nirgends hinfliegen, wenn es auch hier so abwechslungsreich und schön ist.“ Was sie aber gerne mag: Sich die Urlaubsfotos ihrer Freundinnen und Freunde zeigen zu lassen – „das, was früher der klassische Diaabend war“.

Hin und wieder fahren sie und ihr Mann zum Wandern ins Allgäu. Mit dem Auto, das im Alltag eher selten zum Einsatz kommt. „Diesen Luxus gönnen wir uns dann auch bewusst“, sagt Simone Lebherz. „Ich weiß, dass man das klimafreundlicher machen könnte, aber da bin ich nicht ganz konsequent. Aber das ist ja jeder irgendwo, wenn man ganz ehrlich ist. Mein Mann und ich versuchen zum Beispiel, plastikfrei zu leben und uns mit Lebensmitteln aus der Region oder unserem Garten zu ernähren. Dafür leben wir in einem vergleichsweise großen Haus. Luft nach oben ist immer. Wichtig ist, dass man irgendwo anfängt.“

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Erstellt:
28. August 2023, 11:30 Uhr

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