USA-Talk bei Maybrit Illner

„Sind Sie Trump-Versteher, Herr Spahn?“

Die Euphorie über Kamala Harris im ZDF-Talk war rasch abgehakt. Erstaunlich und umstritten war das Lob von CDU-Politiker Jens Spahn über Donald Trumps Außenpolitik.

Jens Spahn (CDU) war bei Maybrit Illner im ZDF-Polittalk zu Gast (Archivfoto).

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Jens Spahn (CDU) war bei Maybrit Illner im ZDF-Polittalk zu Gast (Archivfoto).

Von Christoph Link

Die lachende und offenbar bald von den Demokraten nominierte Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris in den USA beherrscht die Schlagzeilen, und auch die Talkrunde von Maybrit Illner im ZDF am Donnerstagabend beleuchtete zunächst einmal, wie es die 59-jährige Demokratin geschafft hat, unter einem „Schattendasein“ als Vize von US-Präsident Joe Biden plötzlich „wie entfesselt“ einen eigenen Wahlkampf zu starten.

Ist das eine Erfolgsgeschichte mit Luft nach oben, fragte Illner und die Studiorunde bejahte das unisono. Harris habe „bessere Chancen“ als Joe Biden, bemerkte der CNN-Korrespondent Fred Pleitgen, „sie hat das Momentum auf ihrer Seite, sie wird stark in diesen Wahlkampf gehen“. Der New Yorker Wirtschaftshistoriker Adam Tooze meinte, Kamala Harris sei ja wie oft behauptet gar nicht „links“ – mal abgesehen von ihrer Hautfarbe und ihrem Geschlecht – sie sei eher „zentristisch“, vertrete unternehmerorientierte Positionen, und es sei entscheidend, ob sie die linken Teile der Biden-Opposition bei den Demokraten sowie die Mitte-Wähler gewinnen könne.

Aber laut Constance Chucholowski von der Organisation „Democrats Abroad“ aus Berlin hat sie das längst getan und beispielsweise auch die Unterstützung von Alexandria Ocasio-Cortez vom linken Flügel der Demokraten gewonnen, die „Democrats“ stünden „so gut wie“ vereint hinter ihr, nach drei Wochen des tiefen Durchatmens unter Biden habe Kamala Harris jetzt „Energie“ in den demokratischen Wahlkampf gebracht.

Illner erstaunt über Spahn

Die allgemeine Euphorie über Harris ist dann etwas gebremst worden vom CDU-Außenpolitiker Jens Spahn, der zu Gast beim Parteitag der US-Republikaner in Milwaukee gewesen ist, und auf die Frage von Maybrit Illner, wen er jetzt als künftigen Präsidenten bevorzuge – Donald Trump oder Kamala Harris – nur eine ausweichende Antwort gab.

„Ich hätte nicht gedacht, dass sie bei der Frage zögern“, meinte die Moderatorin Illner erstaunt, und später hielt sie dem Ex-Gesundheitsminister sogar die Frage vor, ob er vielleicht ein „Trump-Versteher“ sei. Spahn hatte geantwortet, er wünsche sich einen US-Präsidenten, der das Land vereine, und er halte wenig davon, wenn Politiker aus dem Ausland anderen Nationen Ratschläge geben würden, wen sie wählen sollten.

Deutschland müsse aus nationalem Interesse heraus mit allen US-Präsidenten umgehen können, man müsse mit allen „sprechfähig“ bleiben und es sei problematisch, wie eindeutig sich Kanzler Olaf Scholz einmal für Joe Biden ausgesprochen habe.

Wertschätzung für Trump

Später in der Sendung brachte Spahn dann noch einige Punkte, die sogar eine gewisse Wertschätzung für Trumps Außenpolitik erkennen ließen, wobei er bemerkte, dass die Unterschiede der Außenpolitik der US-Demokraten und der US-Republikaner eigentlich gar nicht so groß seien.

Über vieles an Trump könne man „verärgert und verstört“ sein, aber außenpolitisch habe er in einigen Dingen im Nachhinein doch recht gehabt: Das gelte für seine Skepsis vor der westlichen Iran-Politik (Atomabkommen), die Warnung vor der Abhängigkeit vor russischer Energie und die Eindämmung Chinas, bei der es mit den Europäern eigentlich ein gemeinsames Interesse geben müsse.

„Es ist bei Trump nicht so, dass ich es mag, wie der das macht“, sagte Jens Spahn. Aber häufig entsprächen seine drastischen Worte gar nicht dem, was dann wirklich passiere. So seien in der Amtszeit Trumps – der mit dem Abzug seiner Truppen drohte - so viele US-Soldaten wie noch nie in Deutschland stationiert gewesen.

Im Übrigen gebe es bei Themen wie China, Israel und Stärkung der Nato in der EU durchaus „Anknüpfungspunkte“ mit Trump, falls der erneut gewählt werden sollte. Auch was ein möglicher Friedensdeal von Trump für die Ukraine - „Kriegsende in 24 Stunden!“ anbelangte, wonach Maybrit Illner fragte, hielt Spahn alles für machbar: Es sei doch gut möglich, dass Trump Selenskyi und Putin anrufe und an einen Tisch bringe, entscheidend sei doch, „was am Ende dabei herauskommt“.

Diktatfrieden für Ukraine?

Hubertus Heil, SPD-Vizevorsitzender und Arbeitsminister, war da skeptischer: Er unterstellte Trump ein „erratisches Auftreten“, und es bestehe die Gefahr, dass Trump „über die Köpfe der Ukraine hinweg mit Putin einen Deal für einen Gewaltfrieden“ verabredet, der zementiere dann das Recht des Stärkeren, es sei ein Diktatfrieden. Im Gegensatz zu Spahn sprach sich der Sozialdemokrat eindeutig für einen Wahlsieg der US-Demokraten aus: „Mit ihnen teilen wir mehr Werte und Interessen.“

Einig war sich die Runde immerhin in der Bewertung des Risikos einer Eskalation der politischen Spannungen in den USA: Von einem möglichen Bürgerkrieg wollte eigentlich niemand sprechen, aber Adam Tooze warnte vor einem „Prozess“, der die amerikanischen Institutionen weiter infrage stelle und die Angst davor stecke den Leuten „in den Knochen“.

Jens Spahn berichtete von seiner USA-Reise, dass er eine „Aggressivität und Wortwahl“ im Wahlkampf erlebt habe, „wie wir es nicht kennen“. Jeweils 45 Prozent der Bevölkerung hätten zur Zeit seines Aufenthalts in den USA die Aussage getroffen, dass sie keineswegs für Trump oder keineswegs für Biden stimmen könnten, die Wahl werde also von einigen Hunderttausenden in der Mitte entschieden. Da kursierten Aussagen, man müsse die USA von Biden „erlösen“ oder den „Diktator Trump“ verhindern – das spalte die Nation. Hubertus Heil meinte, dass in den USA politische Gegner als Feinde „dämonisiert“ werden: „Wir müssen aufpassen, dass das nicht auch bei uns passiert.“

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Erstellt:
26. Juli 2024, 06:54 Uhr

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