Singles lernen sich bei Stadtführung durch Backnang kennen

Die zweite Auflage der Stadtführung für Singles ist schon allein wegen des Stadtführers Michael „Mike“ Keim ein Erlebnis. Bei herrlichem Herbstwetter zeigt er sich von seiner besten Seite und vermittelt Wissenswertes auf eine authentische, natürliche und humorvolle Art.

Die meisten Teilnehmer kennen Backnang bereits gut. Trotzdem nehmen sie an der Stadtführung für Singles teil, da Michael Keim (blaues Hemd) für Stimmung sorgt. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Die meisten Teilnehmer kennen Backnang bereits gut. Trotzdem nehmen sie an der Stadtführung für Singles teil, da Michael Keim (blaues Hemd) für Stimmung sorgt. Foto: Tobias Sellmaier

Von Andreas Ziegele

Backnang. Es sollte laut Ankündigung der Stadt eine Stadtführung für Singles sein, bei der die Alleinstehenden Stadt und Leute kennenlernen und sich austauschen können. Doch schon bevor der Stadtrundgang mit den 16 weiblichen und acht männlichen Teilnehmern startet, hat man den Eindruck, dass sich viele schon kennen. Michael „Mike“ Keim schafft es dann auch gleich, eine gute Atmosphäre herzustellen, indem er die Teilnehmer duzt. Wenngleich auch auf die schwäbische Art.

Seit vier Jahren ist der gebürtige Tübinger wieder zurück in Backnang und lebt mit seiner Frau Susanne in Sachsenweiler. Zuvor waren beide 14 Jahre lang auf die kanarische Insel La Palma ausgewandert. Einem größeren Publikum bekannt wurde das Ehepaar durch die Pro-Sieben-Serie „Die Auswanderer“. Für einige der Teilnehmer auch ein Grund, an dieser Stadtführung für Singles teilzunehmen, die auch die Idee der beiden war. Das Wandern war schon immer ihre Passion und neben gewöhnlichen Wandertouren auf der Schwäbischen Alb gab es bereits in der Vergangenheit das „Wandern für die Liebe“, das speziell die Zielgruppe der Alleinstehenden angesprochen hat. Seit über 20 Jahren ist der 64-Jährige Mike Keim bereits als Stadt- und Wanderführer tätig.

Es sind zum größten Teil Frauen und Männer, die sich zu den „Best Agern“ zählen

Dass Singles nicht nur junge Menschen sind, wie allgemein angenommen, zeigt sich an diesem Sonntagnachmittag auch bei den Teilnehmern. Es sind zum größten Teil Frauen und Männer, die sich zu den „Best Agern“ zählen dürfen, also der Zielgruppe, die sich in der zweiten Lebenshälfte befindet. Eines haben sie dabei alle gemeinsam: Sie sind sehr zurückhaltend, wenn man Fragen zu ihrer Person stellt.

Doch zurück zur eigentlichen Stadtführung und deren Interpretation durch Mike Keim. „Dieser schmucklose Kasten ist ein ehemaliges Schloss, in dem sich heute das Amtsgericht befindet“, so seine Meinung zum Gebäude Stiftshof 11. Die nächste Station ist dann die Stiftskirche. Dort zeigt Keim den Interessierten die Krypta und kommentiert: „Hier liegen die Hermänner. Wer da genau liegt, kann ich nicht sagen“ – und meint damit die Markgrafen von Baden. Da die Sakristei geöffnet ist, nutzt Mike Keim die Gunst der Stunde: „Hier ist sonst immer abgeschlossen, dabei ist das eine der interessantesten Stellen der Stiftskirche.“ Damit meint er vor allem den aus dem Jahr 1501 erhaltenen Schrank und den Beichtstuhl, den es hier zu sehen gibt.

Auf dem Freithof, der hinter der Stiftskirche liegt, war vor dem Jahr 1116 der Friedhof der Pfarrgemeinde Backnang. „Stellt euch mal beim Ausblick in Richtung Norden die Landschaft ohne Häuser und Straßen vor“, fordert er die Teilnehmer der Stadtführung auf und gibt dann eine Erklärung für den Stadtnamen. Etwas gewagt ist seine These dann zum Namen des Flusses. „Der Name Murr bedeutet modrig und stinkend“, behauptet Keim. Tatsächlich ist der Name Murr keltischen Ursprungs und bedeutet „schlammiger Fluss“ und bezieht sich auf das trübe Wasser nach starken Regenfällen. Weiter geht es den Ölberg runter und vor dem Galli-Theater sorgt ein Programmhinweis für Gelächter unter den weiblichen Teilnehmerinnen. „Männerschlussverkauf – Wie man den Mann findet“ heißt ein Stück, das derzeit auf dem Programm steht. Der Aufforderung von Keim zu einem Gruppenfoto der männlichen Teilnehmer vor diesem Plakat kommt dann aber niemand nach.

Nicht nur neu Zugezogene nutzen das Angebot

Einer der Höhepunkte von Stadtführungen in Backnang ist der Stadtturm. Nahezu alle genießen den Ausblick über die Stadt, die sich bei spätsommerlichem Wetter an diesem Tag von ihrer besten Seite zeigt. Eine Frau aus Sachsenweiler verzichtet auf den Aufstieg. „Ich war letztes Jahr im Rahmen derselben Stadtführung schon mal oben“, sagt sie. Gleichzeitig ist sie auch ein Beweis dafür, dass nicht nur neu Zugezogene das Angebot nutzen. „Ich lebe schon seit 33 Jahren in Backnang“, sagt die Dame mit eindeutig badischem Dialekt. Den hat sie auch in dieser langen Zeit nicht verloren. Warum sie ausgerechnet diese Stadtführung gebucht hat, begründet sie wie folgt: „Ich war mit Mike schon auf La Palma wandern und wohne wie die beiden Keims in Sachsenweiler.“ Später erklärt dann Sabine Keim, dass tatsächlich ein Großteil der Teilnehmer regelmäßig an ihren Singlewanderungen und -treffen teilnimmt und einige auch schon auf La Palma waren.

Besonders angetan haben es Keim auf diesem Rundgang die sogenannten Schildwirtschaften. Die Gaststätten, die mit einem Schild und einem Namen anzeigten, dass sie das Recht hatten, Gäste mit einem gehobenen Maß an warmen Speisen sowie mit Getränken zu verköstigen. Das älteste davon in Backnang ist der „Löwen“ am Marktplatz. Während Mike Keim den Teilnehmern auf dem Marktplatz Informationen zur Geschichte dieser Schildwirtschaften gibt, sagte Sabine Keim: „Vielleicht bieten wir ja in Zukunft mal eine spezielle Stadtführung zu diesen Gaststätten an.“ Wenn man die beiden an diesem Tag erlebt hat und sieht, wie zufrieden die Teilnehmer am Ende sind, könnte diese Idee schnell Wirklichkeit werden.

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Erstellt:
26. September 2023, 06:00 Uhr

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