KI visualisiert Wahlprogramme

So schaut’s aus, wenn die AfD allein regiert

Künstliche Intelligenz wird gemeinhin als Gefahr für die Demokratie angesehen. Max Mundhenke versucht es mit einem anderen Ansatz.

Was, wenn alle Forderungen aus dem AfD-Wahlprogramm umgesetzt würden? Die KI macht sich ein Bild davon. Die Bildergalerie zeigt die Visionen für andere Parteien bei der Bundestagswahl.

© KI-generiert/Dall-E3

Was, wenn alle Forderungen aus dem AfD-Wahlprogramm umgesetzt würden? Die KI macht sich ein Bild davon. Die Bildergalerie zeigt die Visionen für andere Parteien bei der Bundestagswahl.

Von Jan Georg Plavec

Wie sähe Deutschland aus, wenn die in Teilen rechtsextreme AfD alleine regieren dürfte? Was sich manch einer allzu gern, andere so gar nicht vorstellen wollen, packt Künstliche Intelligenz (KI) in ein einziges Bild. Man sieht darauf eine Stadt mit breiten Straßen, rauchenden Schornsteinen und zwei riesigen Deutschlandflaggen, im Hintergrund ein Hochhausviertel: eine „geordnete, traditionelle und souveräne Zukunft“. So steht es in den Anmerkungen auf der Website bundestagswahl.ai und in Postergröße im Bürogebäude und Innovationszentrum Westspitze nahe des Tübinger Bahnhofs. Dort wird das AfD-Bild seit Mittwoch ausgestellt und ist wie die Visionen der anderen größeren Parteien noch bis Freitag zu sehen.

Erzeugt wurden die Bilder von ChatGPT – dem Programm, das im Herbst 2022 den bis heute anhaltenden KI-Hype auslöste. Die Idee hatte aber ein Mensch, Max Mundhenke. Der 32-Jährige war Experte für Krisenkommunikation, ehe sein Unternehmen ihn rauswarf und er auf einem Selbstfindungstrip in Asien seine neue Bestimmung als KI-Berater fand. Um die Technologie auch selbst einzusetzen, erstellte er mithilfe von ChatGPT mittlerweile mehr als 60 Chatbots – Onlineprogramme, die jeder mit natürlicher Sprache bedienen kann. Manche sind rein humoristisch wie „Promis als Autos“ (Olaf Scholz: VW Phaeton, „ein solides Auto, das sich nicht in den Vordergrund drängt, aber Leistung bringt“), manche pädagogisch wertvoll („Nationalsozialismus verstehen – und bekämpfen“) und einer richtig originell – das Programm mit den Wahlprogramm-Bildern hat Mundhenke bekannt gemacht.

80 Seiten Wahlprogramm in einem Bild

Zum ersten Mal warf er die Bild-KI bei der Europawahl an. Das Tiktok-Video, in dem er die Motive vorstellte, ging über Nacht viral, erinnert sich Mundhenke. Das ist aber nicht der Grund, dass er es damit mittlerweile von der ARD bis zum „Stern“ in gefühlt alle Medien geschafft hat und mit den Motiven vor der Wahl jetzt sogar auf Deutschlandtour geht. „80 Seiten Wahlprogramm in ein einziges Bild zu packen, das ist das Originelle“, sagt der Wahlberliner. Er ist SPD-Mitglied, aber ohne Funktion, eher aus staatsbürgerlicher Pflicht, sagt er.

Die Wahlprogramm-Bilder „sollen die Betrachter anregen, sich mit den Zukunftsvisionen der Parteien auseinanderzusetzen“, sagt Mundhenke. Das passiere zu selten. Wenn es geschieht, drehen sich politische Gespräche statt ums allzu Atmosphärische wieder mehr um konkrete Maßnahmen und Forderungen. Ja, die AfD liebt Verbrennerautos, die Grünen emissionsfreie Verkehrsmittel. Das macht etwas mit dem Stadtbild und mit der Luftqualität, und auch das packt die KI in verständliche Bildsprache.

In Tübingen beginnt Mundhenkes Deutschlandtour, in einer Handvoll Städte können seine Bilder betrachtet und diskutiert werden. In Tübingen diskutieren gut 100 Menschen mit Parteienvertretern, was sie sehen und was nicht. Einer moniert, dass so viele Hochhäuser zu sehen sind – weil ChatGPT vor allem mit amerikanischen Daten trainiert wurde? Dabei müsste er nur nebenan die KI-Bilder der Linken oder des BSW anschauen, wo typisch europäische Mehrfamilienhäuser zu sehen sind. So stellt KI sich den bezahlbaren Wohnraum vor, den diese Parteien in ihren Wahlprogrammen fordern. Den örtlichen Linken-Vertreter freut’s, auch wenn er betont, dass andere Forderungen seiner Partei wie das bedingungslose Grundeinkommen oder die Reichensteuer viel schwerer zu verbildlichen sind.

Eines der wenigen positiven KI-Angebote

Max Mundhenkes Bilder regen zum Reden an, zum Nachdenken. Sie sind eines der wenigen positiven Beispiele, wie KI politische Debatten bereichern kann. Statt über die Chancen redet man bisher mehr über die Risiken: KI-generierte Deepfakes, also täuschend echte, aber eben gefälschte Fotos, Videos, Tonschnipsel von Politikern zum Beispiel. Oder über die Vorurteile, die in KI-Chatbots unterschwellig eingewebt sind. Ist das typisch deutscher Pessimismus? Übersehen viele Menschen die Chancen von KI?

Johannes Freyer, der Geschäftsführer des Tübinger Innovationszentrums Westspitze und Co-Organisator der Veranstaltungsreihe „KI und wir“, fühlt sich an die Anfänge des Internets vor 30 Jahren erinnert. Die Hoffnung auf dessen demokratische Potenziale ist längst verflogen. Wie gelingt es mit KI besser? „Wir müssen aktiv erarbeiten, was KI für uns bedeuten soll“, glaubt Freyer. Falls nicht, „könnten wir mit KI das Denken verlernen“. Jeder müsse lernwillig sein. „Das gilt gleichermaßen für die Demokratie. Wir müssen sie am Leben halten“, sagt er.

Genau das will auch Max Mundhenke. KI könne bei Faktenchecks helfen, politische Bildung leicht zugänglich über Chatbots vermitteln – oder eben Wahlprogramme als Wimmelbild darstellen. Am Ende gehe es darum, politische Entscheidungen auf das Individuum herunterzubrechen, Politik also verständlich und in ihren Folgen erfahrbar zu machen. Mit Blick auf die AfD, die er ablehnt, sagt Mundhenke: „Die Bilder können darstellen, was diese Politik bedeutet – anstatt zu sagen: Was diese Partei behauptet, klingt irgendwie plausibel.“

Im Grunde gilt das freilich auch für die anderen Parteien, im Guten wie im Schlechten. „Ich mache keine Werbung für Parteien“, betont Mundhenke, „sondern für die Demokratie.“

Gute KI-Angebote zur Wahl

wahl.chatDas von Studenten erstellte Angebot durchsucht die Wahlprogramme der Parteien nach einem beliebigen Thema und ordnet die Positionen auf Wunsch ein.

wahlcheck25.make.orgDie von der Bundeszentrale für politische Bildung unterstützte Plattform vermittelt Informationen zum Ablauf der Wahl, zum Wahlsystem und zu den Positionen der Parteien – samt Link zum Originaldokument.

CDU

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Grüne

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SPD

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BSW

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Linke

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FDP

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Volt

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Volt

von ihm stammt die Idee: Max Mundhenke, KI-Berater aus Berlin

© StZN/Plavec

von ihm stammt die Idee: Max Mundhenke, KI-Berater aus Berlin

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Erstellt:
8. Februar 2025, 08:10 Uhr

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