Appell von Bosch, ZF, IG Metall und anderen

So schlagen die großen Zulieferer beim Bundeskanzler Alarm

In einem Brief an Kanzler Olaf Scholz dringen die fünf größten Zulieferunternehmen und die IG Metall auf Unterstützung. An erster Stelle steht dabei die Förderung der Elektromobilität, aber auch die Revision des Neuzulassungsstopps für Verbrenner 2025.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Post von den großen Zulieferern der Autoindustrie bekommen.

© dpa/Michael Kappeler

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Post von den großen Zulieferern der Autoindustrie bekommen.

Von Matthias Schmidt

In normalen Zeiten sind sie Konkurrenten oder stehen sich im Tarifpoker gegenüber. Es ist die Krise der Autoindustrie, die sie nun zum gemeinsamen Hilferuf vereint. In einem jetzt publik gewordenen Appell an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dringen die fünf größten Zulieferbetriebe des Landes gemeinsam mit der Gewerkschaft IG Metall auf mehr Unterstützung. Von Bosch, Continental, Mahle, Schaeffler und ZF haben jeweils Geschäftsleitung und Gesamtbetriebsrat unterschrieben. An erster Stelle fordern sie Maßnahmen zur schnelleren Verbreitung der Elektromobilität. Gleichzeitig brauche es aber auch freie Fahrt für Autos mit Plug-in-Hybrid-Antrieb und klimaschonende Treibstoffe.

Zwar war schon zum Zeitpunkt des Versands kurz vor Weihnachten unklar, wie lange Scholz noch Kanzler sein wird. Für den Inhalt aber sollte sich auch ein möglicher künftiger Kanzler interessieren. In der Zulieferindustrie seien seit 2019 fast 50 000 Arbeitsplätze verloren gegangen, Tausende von Beschäftigten seien aktuell in Kurzarbeit und die Ankündigungen der Branche „weisen für die nächsten Monate eine dramatische Beschäftigungslage aus“, heißt es in dem Brief. Allein ZF, Bosch und Conti planen derzeit die Streichung von mehr als 40 000 Arbeitsplätzen.

Elektromobilität ist „zentraler technologischer Pfad“

In dem auf Briefpapier der IG Metall verfassten Schreiben vom 19. Dezember heißt es, es läge bei der Regulierung zum Antrieb der Zukunft und deren Rahmenbedingungen „einige Dinge im Argen“. An erster Stelle fordern die Zulieferer Maßnahmen zur schnelleren Verbreitung von E-Autos. „Wir sind einig in der Einschätzung, dass die Elektromobilität den zentralen technologischen Pfad der zukünftigen Pkw-Mobilität darstellt“, schreiben die Unterzeichner.

Die stockende Nachfrage bringt die Zulieferer, die große Summen in die E-Mobilität investiert haben, in akute Schwierigkeiten. Sie befürchten, in eine Art Abwärtsspirale zu geraten: „Ohne höhere Nachfrage und Stückzahlen bei E-Autos auf den deutschen und europäischen Märkten wird es europäischen Herstellern schwerer fallen, Kosten und Preise zu senken, was es wiederum den außereuropäischen Wettbewerbern erleichtert, Marktanteile in Europa zu gewinnen.“ Dadurch verzögerten sich weitere Investitionen. Und es steige der Druck „Wertschöpfung und Arbeitsplätze dorthin zu verlagern, wo die Märkte sich besser entwickeln“.

Nach Auffassung der großen Zulieferer und der IG Metall müsse „trotz der politischen Übergangssituation in der Bundesrepublik“ der Rahmen für den Hochlauf alternativer Antriebe verbessert werden. Sie fordern eine Mischung aus steuerlichen Entlastungen beim E-Auto-Kauf und beim Ladestrom sowie den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur. „Die Belebung des Fahrzeugmarktes, insbesondere auch bei der Elektromobilität, wäre ein klares Signal für Investitionen und Beschäftigungen“, heißt es in dem Brief.

Die zweite zentrale Forderung stellt das in der EU für 2035 geplante Neuzulassungsverbot für CO2-emittierende Autos, in Frage, das vereinfacht als „Verbrennerverbot“ bekannt ist. Die Zulieferer plädieren für eine langfristige Berücksichtigung von Plug-in-Hybriden – also Kombi-Antrieben aus Elektro-und Verbrennungsmotor. Bei einem hohen elektrischen Fahranteil hätten sie eine bessere Klimabilanz als reine Verbrenner, nähmen zudem Menschen die Reichweitenangst – „und erleben nicht zuletzt deshalb auch auf dem chinesischen Markt derzeit einen Boom“.

Außerdem gebe es keinen Grund, erneuerbare, klimaneutrale Kraftstoffe auf Wasserstoff- oder Biobasis nach 2035 auszuschließen, die es bisher allerdings nur in kleinen Mengen gibt. Die von der EU-Kommission in Aussicht gestellte Ausnahme vom Verbrennerverbot müsse deshalb pragmatisch umgesetzt werden.

Für Lkw braucht es auch Wasserstoff-Tankstellen

Auch für Lkw sehen die Zulieferer in Elektroantrieben einen wichtigen Baustein, es fehle derzeit aber an Lademöglichkeiten, dem Stromnetzausbau und der vom Bund gestrichenen Kaufförderung. Auf der Langstrecke brauche es zudem Wasserstoff-Tankstellen für Lkw mit Brennstoffzellenantrieb.

Hinzu kommen zahlreiche Forderungen, die auf Standortfaktoren zielen, etwa die Senkung der Energiepreise, weniger Berichtspflichten, leichterer Zugang zu Krediten. In der Sache ist der Wunschkatalog der Zulieferer nicht neu, aber die Einigkeit und Dringlichkeit, mit der er vorgetragen wird. Auch gegenüber Brüssel erhöht die Autoindustrie derzeit den Druck. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will in rund sechs Wochen Sofortmaßnahmen verkünden. Der Erfolgsmaßstab wird sein, ob es gelingt, die Industrie zu schützen, ohne die Klimaziele zu gefährden. Die Zulieferer beteuern, dies genauso zu sehen: „Wir wollen, dass eine Transformation gelingt und dass diese nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch und sozial erfolgreich ist.“

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Erstellt:
24. Januar 2025, 15:50 Uhr

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