Private Krankenversicherung
So schneiden PKV-Tarife bei Stiftung Warentest ab
Die Stiftung Warentest hat mehr als 1200 Angebote von privaten Krankenversicherern untersucht – und kommt zu einem überraschenden Ergebnis.
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Privat oder gesetzlich krankenversichert? Diese Entscheidung will gut überlegt sein.
Von Werner Ludwig
Wer privat krankenversichert ist, bekommt schneller einen Termin beim Facharzt. Doch wie sieht es mit den medizinischen Leistungen und den Kosten aus? Damit befasst sich eine aktuelle Untersuchung der Stiftung Warentest. Wir beantworten wichtige Fragen dazu.
Was wurde untersucht?
Die Warentester haben 1245 Tarifkombinationen für private Krankenvollversicherungen unter die Lupe genommen. Damit werde fast der gesamte Markt abgedeckt, sagt Testleiter Julian Chudoba. Überraschendes Ergebnis: Rund zwei Drittel dieser Tarifkombinationen sind nach Ansicht des Experten „nicht empfehlenswert“ und wurden daher nicht weiter betrachtet. Eingehender untersucht wurden am Ende nur 384 Angebote.
Nach welche Kriterien wurden die Tarife ausgewählt?
Entscheidend für die Berücksichtigung im Test waren Leistungen, die mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entsprechen und teilweise darüber hinaus gehen. Für diesen „Rundum-Schutz“ haben die Tester 17 Kriterien definiert – darunter Chefarztbehandlung und Zweibettzimmer im Krankenhaus, Erstattungen von 100 Prozent für Zahnbehandlungen und von mindestens 75 Prozent für Zahnersatz sowie eine 80-prozentige Kostenübernahme für mindestens 50 ambulante Psychotherapiesitzungen pro Jahr. „Eine private Krankenversicherung bietet nicht per se besseren Schutz als die gesetzliche“, so das Fazit der Tester. So gebe es je nach Tarifkombination etwa Versorgungslücken bei der Palliativpflege für Sterbende, im Bereich Kieferorthopädie oder bei Ernährungs-Apps und anderen digitalen Anwendungen. Ausgeschlossen wurden auch Tarife mit einer jährlichen Selbstbeteiligung der Versicherten von mehr als 660 Euro.
Welche Tarife schneiden am besten ab?
Alle Tarifkombinationen im aktuellen Test erhalten die Gesamtnote „gut“ oder „sehr gut“. Allerdings gibt es bei den monatlichen Beiträgen erhebliche Unterschiede. „Mehr Beitrag bedeutet nicht, dass immer auch mehr Risiken abgedeckt sind“, sagt Testleiter Chudoba. Während der günstigste Angestelltentarif Arag ME600, KTV42/150, PVN bei einem Eintrittsalter von 35 Jahren monatlich mit 649 Euro zu Buche schlägt, sind es beim Tarif einsA expert 2, T42+/150, PVN der Barmenia 1054 Euro – ein Unterschied von mehr als 400 Euro im Monat. Angegeben ist jeweils der Gesamtbeitrag von Arbeitnehmer und Arbeitgeber einschließlich der privaten Pflegeversicherung und 150 Euro Krankentagegeld ab dem 43 Krankheitstag. Für Beamte ist die Continentale mit dem Tarif Comfort-B/50S, SP2-B/50S, PVB am günstigsten, der mit „gut“ bewertet wurde: Bei einem Eintrittsalter von 30 Jahren sind hier 250 Euro monatlich fällig. Das günstigste Angebot mit der Note „sehr gut“ ist die Tarifkombination BHB30, BHB20T, BHK30, BHK20T, PVB der Arag, die monatlich 284 Euro kostet.
Wie werden sich die Beiträge entwickeln?
Angesichts weiter steigender Kosten in der Gesundheitsversorgung sind sowohl in der gesetzlichen als auch in der privaten Krankenversicherung steigende Beiträge zu erwarten. Die Warentester weisen aber auf einen wichtigen Unterschied hin: Während die Beiträge der GKV sich nach dem Einkommen richten, das im Alter in der Regel niedriger ist als im Arbeitsleben, kalkulieren Versicherer ihre Beiträge einkommensunabhängig auf Basis des Krankheitsrisikos der Versicherten. Das führt im Alter zu einem deutlich Anstieg. Die Stiftung Warentest hat in einer Modellrechnung den Beitragsanstieg der letzten 20 Jahre von jeweils 3,1 Prozent pro Jahr in die Zukunft fortgeschrieben. Ein Rechenbeispiel: Bei einem 35-jährigen Angestellten würde dadurch der monatliche Gesamtbeitrag von aktuell 865 Euro auf 2160 Euro im Alter von 65 Jahren steigen. Achtung: Von den genannten Beträgen ist jeweils der Beitragsanteil des Arbeitgebers oder der Rentenversicherung abzuziehen. Selbstständige zahlen den vollen Beitrag selbst. Zu bedenken ist auch, dass Ehepartner im Gegensatz zu den gesetzlichen Kassen nicht beitragsfrei mitversichert sind.
Für wenn kommt eine private Krankenversicherung in Frage?
Eine private Krankenversicherung könne zur „existenzbedrohenden Kostenfalle“ werden, warnt Julia Bönisch, Vorstandsmitglied der Stiftung Warentest. „Wir empfehlen sie nur für Beamte uneingeschränkt, da der Staat einen Großteil der Kosten im Alter übernimmt. Angestellte und Selbstständige, die gut verdienen, sollten gut überlegen, ob sie sich die enormen Beiträge auch im Alter langfristig leisten können.“ Wer in die private Krankenversicherung wechsle, solle sich parallel dazu ein eigenes Finanzpolster aufbauen, um die Versicherung auch im Ruhestand bezahlen zu können, empfiehlt Testleiter Chudoba. Sinnvoll sei ein monatlicher Sparbetrag von 270 Euro. Wenn die Versicherung im Alter zu teuer wird, gibt es auch die Möglichkeit, einen günstigeren Tarif des selben Anbieters zu wählen oder in den Basistarif zu wechseln, der etwa so viel leistet wie die gesetzlichen Kassen und aktuell 942,46 Euro im Monat kostet.
Was ist beim Abschluss zu beachten?
Versicherte sollten sich überlegen, welche Leistungen sie unbedingt brauchen – „es muss nicht immer der Top-Tarif sein“, meint Experte Chudoba. Die Gesundheitsfragen sollte man unbedingt ehrlich beantworten – wer hier flunkert, riskiert unter Umständen den Versicherungsschutz. Die Warentester empfehlen, gleichzeitig Angebote von den drei günstigsten Anbietern einzuholen. Denn die Versicherer müssen Interessenten, die bereits abgewiesen wurden, nicht aufnehmen. Für Menschen mit Vorerkrankungen sei es dagegen besser, bei dem gewünschten Anbieter eine anonyme Voranfrage über einen Makler zu stellen.
Private Krankenversicherung
Anteil Nach aktuellen Zahlen haben in Deutschland gut 8,7 Millionen Menschen eine private Krankenvollversicherung (PKV). Knapp 75 Millionen sind gesetzlich versichert, wobei mitversicherte Ehepartner und Kinder mitgezählt werden.
Wechsel Angestellte können ab einem Jahresbruttoeinkommen von derzeit 73.800 Euro in die PKV wechseln. Zudem können sich Selbstständige und Beamte privat versichern. Letztere Gruppe muss in der Regel nur maximal die Hälfte der Krankheitskosten privat absichern. Für den Rest kommt kommt der Staat über die Beihilfe auf.
Rückkehr Ein Wechsel zurück in die gesetzliche Kasse ist nur bis zum Alter von 55 Jahren möglich – und nur, wenn das Einkommen unter die Versicherungsgrenze fällt. Selbstständige, die der PKV den Rücken kehren wollen, müssen sich anstellen lassen.