Weltneuheit auf Retro Classics
So verschmilzt Rühle Motors zwei alte Porsches zu einem neuen Sportwagen
Die Schorndorfer Manufaktur verwandelt Porsche 911 aus zwei verschiedenen Generationen in ein modernes Auto. Von außen sieht der Ruehle F97 aus wie ein Oldtimer, preislich spielt er in der Oberklasse mit.
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© Rühle Motors/Alexander Dietrich
Ein Porsche Oldtimer? Nein, das ist in brandneuer Ruehle F97.
Von Veronika Kanzler
Sobald der Zündschlüssel umgedreht wird, hören Kenner: Das ist der Sound eines Porsche-Sechszylinder-Boxer-Motors. Auch die Optik erinnert eindeutig an das ikonische Auto des Stuttgarter Sportwagenherstellers. Doch während der Motor nach einem recht aktuellen Baujahr klingt, ähnelt der Look des Fahrzeugs dem Porsche 911 RSR aus dem Jahr 1973, dem ersten deutschen Serienauto mit Heckspoiler. Wie passt das zusammen?
Die Antwort lautet: Vor uns steht und bollert eine Weltneuheit im Sportwagenbereich. Der Öffentlichkeit präsentiert wird sie erstmals auf der Retro Classics, eine der weltweit größten Messen für Oldtimer-Liebhaber, die von diesem Donnerstag bis Sonntag auf dem auf dem Messegelände in Stuttgart stattfindet.
Zwei Porsche 911 verschmelzen zu einem Ruehle F97
Der F97, ertüftelt und gebaut von der Oldtimer-Werkstatt Rühle Motors in Schorndorf verbindet zwei Porsche 911 aus verschiedenen Generationen in einem. Hier, in dieser unscheinbaren Hinterhofwerkstatt im Schorndorfer Schock Gewerbeareal, entsteht ein komplett neuer Sportwagen – der Ruehle F97. Hinter den Eisentoren stehen dicht gedrängt Ferraris neben Alfa Romeos und amerikanischen Muscle Cars und zeigen, womit Christian Rühle, Gründer und Chef von Rühle Motors, ansonsten sein Geld verdient. Das helle und moderne Werkstattflair passt zu den teuren Autos, die Rühle und seine drei Mechaniker wahlweise verkaufen, restaurieren oder reparieren.
Hinter einer meterhohen Glaswand mit Metallstreben stehen die beiden Prototypen, mit denen Rühle Motors die Branche aufmischen will. „Jegliche Standards, die wir heute in den Autos finden, wie etwa Kopfstützen, Airbags oder einen Gurt, sucht man in Oldtimern vergebens. Von unbequemen Sitzen und schwergängiger Handhabung des Fahrzeugs ganz zu schweigen“, erklärt Rühle. So fehlt es nicht nur an Komfort, sondern auch an Sicherheit, sei es bei einem Unfall oder als zuverlässiges Fortbewegungsmittel auf dem Weg in den Urlaub. Andererseits gefällt vielen das Erscheinungsbild eines Oldtimers. Zeitlos schöne Autos, die noch keine fahrenden Supercomputer sind, wecken beim Betrachter nostalgische Gefühle.
Der Ruehle F97: Modernes Auto mit klassischem Look
Viele seiner Kunden, sagt Rühle, wünschen sich mittlerweile das Beste aus beiden Welten. Und der Ruehle F97 vereint sie. „Unser Auto ist perfekt für Enthusiasten, die modernste Fahreigenschaften in klassischer Verpackung schätzen“, beschreibt der Firmenchef seine Kreation.
Es gibt bereits mehrere Unternehmen, die sich auf neu gemachte Oldtimer, sogenannte Retromods oder auch Restromods, spezialisiert haben. Der Begriff setzt sich aus den Wörtern „restaurieren” und „modifizieren” zusammen. Vor allem in den USA ist diese Fahrzeuggattung sehr beliebt. Wartezeiten von bis zu fünf Jahren auf ein Auto, das gut und gerne mehr als eine Million Euro kostet, sind beispielsweise bei dem in Kalifornien ansässigen Unternehmen Singer keine Seltenheit. Dafür erhält der Kunde dann ein hochindividualisiertes Fahrzeug, komplett nach seinen Wünschen. Hemmschwellen gibt es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten bekanntlich kaum. Reglementierend ist, was der Kunde bestimmt, und wie viel Geld er bereit ist, dafür auszugeben.
Rühle aus Schorndorf will Serienproduktion starten
Was also ist jetzt genau die Weltneuheit, die Rühle Motors geschafft hat? Zum einen eignet sich der Ruehle F97 als Prototyp für eine Serienproduktion. Ein Auto pro Monat lautet das Ziel, für das Rühle einen Investor sucht. Zum anderen – und dieses Detail ist so technisch wie bedeutend – hat das Fahrzeug mit dem Look eines 1973er Porsche einen wassergekühlten Boxer-Motor. Das ist erstaunlich, weil die Zuffenhausener Autoschmiede bis Ende der 90er- Jahre auf Luftkühlung setzte. Der luftgekühlte Motor ist deutlich flacher und leichter. Die Herausforderung bestand also darin, den originalen, leistungsstärkeren und weitaus größeren wassergekühlten Motor von der Baureihe 997.2 aus dem Jahr 2009 unter das Heck des 1973er RSR zu bekommen.
Hinzu kommt, dass die Plattform des 997.2 fast 20 Zentimeter länger ist, als die der Oldtimer-Karosserie, die später auf das Auto übergestülpt werden soll. Mit schwäbischem Understatement sagt Rühle: „Ich will nicht angeben“, aber ein bisschen stolz sei er schon, was sein Team und er innerhalb von wenigen Monaten geschafft haben.
Der 50-jährige Schorndorfer hat erst vor zehn Jahren seinen Kfz-Meister gemacht. Zuvor trug er den Titel Diplom-Kommunikationsdesigner. Aber eigentlich ist er seit mehr als 30 Jahren Restaurator und Oldtimer-Händler. Schon in den Neunzigern gehörte er zu einer losen Bande passionierter Schrauber, die sich in Garagen in Endersbach und Echterdingen trafen. Nach Rühles Erzählung hatte ihn dazu sein erstes eigenes Auto, ein Opel GT, gebracht. „Als der mir zum ersten Mal verreckt ist, blieb mir nichts anderes übrig, als ihn selbst zu reparieren“, erzählt Rühle. Das Gefühl, ihn wieder zum Laufen gebracht zu haben, „das war eine so unmittelbare Befriedigung, die gibt’s meiner Meinung nach nur im Handwerk“.
„Der F97 kann in jeder Porsche-Werkstatt gewartet werden“
Und in dem Ruehle F97 steckt jede Menge Handwerk. „Man braucht aber auch einen Hang zur Brutalität“, sagt der Firmenchef. Wie sonst bringt man es übers Herz, die Karosserie eines Porsches zu zersägen? Das sei sicher nicht jedermanns Ding. Aber notwendig, da die zwei 911 aus verschiedenen Baujahren verschieden lang sind. Für ein Fahrzeug müssen nach Angaben von Rühle zwei Karosserien zersägt und neu zusammengeschweißt werden.
Ein gelbes Herz, mit den Initialen von Rühle Motors versehen, ziert den F97 auf der Fronthaube. Etwaige Ähnlichkeiten mit dem Porsche Wappen – zumindest von der Ferne betrachtet – seien rein zufällig, versichert Rühle: „Das Logo gibt es schon seit der Gründung 2019, damals haben wir ja noch keine eigenen Fahrzeuge gebaut.“ Es sei einfach die Liebe zum Thema, die ihn für das Logo inspiriert habe.
Obwohl Kunden des F97 laut Rühle ihren Wagen „problemlos in jeder Porsche-Werkstatt warten lassen“ können, darf das Fahrzeug nicht als Porsche bezeichnet werden. Zwar sei die Technologie eins zu eins dieselbe – aber durch die vielen Anpassungen braucht es eine eigene Straßenzulassung.
Bei klassischen Oldtimer-Liebhabern, weiß Christian Rühle, kommt sein Sportwagen nicht immer gut an. Für Puristen ist ein alter Porsche weit mehr als ein Fortbewegungsmittel. Das Fahrgefühl eines Oldtimers ist unverfälscht und authentisch. Ohne die vielen elektronischen Helfer moderner Autos spürt man die Straße und das Fahrzeug auf eine direkte und unvermittelte Weise. Ein Oldtimer, so die gängige Meinung in der Szene, müsse sich baujahrtypisch fahren. Jede Veränderung am Original gilt als Frevel. Gerade in Deutschland, so die Rühles Erfahrung, werde diese Philosophie akribisch verfolgt: „Am besten besitzt selbst die hinterletzte Schraube noch ein Originalzertifikat.“ Auch deshalb prognostiziert der Schorndorfer, dass die Nachfrage für den Ruehle F97 wohl vor allem aus den USA kommen werde.
Der Porsche 911 ist einer der besten Sportwagen aller Zeiten
Dabei zeigt Christian Rühle auch Verständnis für Skeptiker: „Klar kann man sich die Frage stellen, ob immer alles modernisiert werden muss.“ Auch er frage sich das häufig. Und wenn er sich mal wieder anhören muss, dass der F97 kein Oldtimer sei, dann widerspricht er keinesfalls. „Unser Sportwagen ist neu, er hat nur den optischen Charme aus vergangenen Tagen.“
Dahinter steckt der Gedanke: Der Porsche 911 ist zwar per se einer der besten Sportwagen aller Zeiten. Aber jede Modellgeneration ist eben nur so gut, wie der Stand der Technik zu ihrer jeweiligen Entstehungszeit war – und mittlerweile könnte vieles besser sein. Für Rühle ist es deshalb kein Schaden, dass der F97 mit dem Porsche-Klassiker nicht viel mehr gemein hat als ikonische Silhouette und das Antriebslayout.
Aus dem Grund wolle der F97 auch gar nicht mit Oldtimern konkurrieren, man spreche mit dem Fahrzeug eine ganz andere Kundengruppe an. Die Gemeinsamkeit mit den Traditionalisten dürfte sich dabei auf die Zahlungskraft beschränken. Etwas weniger als ein mittlerer sechsstelliger Betrag soll das Auto in der Basisvariante kosten. Mit solchen Fahrzeugen sei es wie mit dem Skifahren, sagt Rühle: „Das braucht niemand – aber wer es sich leisten kann und sich daran erfreut, der bezahlt den Preis.“
Retro Classics
Nostalgie Die Retro Classics ist eine der weltweit größten Messen für Oldtimer-Enthusiasten.
LiebhabermesseRund 1600 Aussteller präsentieren auf dem Messegelände in Stuttgart von Donnerstag, 27. Februar, bis Sonntag, 2. März, einzigartige Autos aus vergangenen Tagen und Produktneuheiten wie etwa den Ruehle F97.
Liveauktion Am Samstag, 1. März, findet zudem eine Liveauktion von Autoraritäten statt.