Bahn treibt Digitaltickets voran
Sparticket nur bei Daten-Herausgabe
Bahn- und Bustickets sollten alle Reisenden umstandslos kaufen können – auch ohne digitales Kundenkonto oder Smartphone. Die Verbraucherzentralen fordern strengere Regeln von der Politik und kritisieren die Methoden der bundeseigenen Deutsche Bahn AG.
Von Thomas Wüpper
Das Ergebnis der Umfrage beeindruckt. 96 Prozent sind der Meinung, dass auch Menschen ohne Internetzugang oder Smartphone einfachen Zugang zu allen Angeboten im öffentlichen Personenverkehr haben müssen. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) findet es eher oder sehr schlecht, dass die bundeseigene Deutsche Bahn einige Produkte nur noch digital verkauft – und fast jeder Zweite (47 Prozent) würde sich eingeschränkt fühlen, wenn der Fahrkartenkauf nur noch digital möglich wäre. Das zeigt eine aktuelle und repräsentative Forsa-Befragung im Auftrag des Dachverbands der Verbraucherzentralen (Vzbv).
„Die Digitalisierung im Ticketvertrieb darf nicht zum Ausschluss einzelner Gruppen vom Bus- und Bahnfahren führen“, warnt Vzbv-Vorständin Ramona Pop. Insbesondere attraktive preisreduzierte Fahrkarten seien immer öfter an die Herausgabe von Daten geknüpft und würden nicht oder nur stark eingeschränkt an Automaten oder Schaltern verkauft. Digitale Technik sollte „Mobilität einfacher und besser machen und keine neuen Barrieren schaffen“, fordert die Verbraucherschützerin. Die Herausgabe von Kundendaten oder das Anlegen eines Kundenkontos müsse immer freiwillig sein: „Politik und Verkehrsunternehmen müssen gemeinsam mit Verbraucherverbänden eine Digitalisierungsstrategie entwickeln, die alle mitnimmt.“
Reisezentren radikal ausgedünnt
Die Mahnung richtet sich in erster Linie an den größten deutschen Staats- und wichtigsten Mobilitätskonzern, der den Vertrieb von Handy- und Online-Fahrkarten seit Jahren massiv ausbaut. Das bringt zweifelsfrei viele Komfortvorteile für digital erfahrene Nutzer. Doch gleichzeitig dünnte der unter anhaltendem Spar- und Kostendruck stehende DB-Konzern den Verkauf in den Reisezentren radikal aus – mit der Folge, dass die Schlangen und Wartezeiten vor den verbliebenen und oft unterbesetzten Schaltern an Bahnhöfen oft abschreckend lang sind. Der Fahrkartenkauf in Reisebüros ist zudem vielerorts auch kaum noch möglich, weil Agenturen weniger oder keine Provisionen mehr bekommen und den beratungsintensiven Ticketvertrieb aufgegeben haben.
Im Sommer ließ die DB einen weiteren Schritt folgen. Seit Juni gibt es die mehr als fünf Millionen Rabattkarten ausschließlich digital, was viel Kritik auslöst. Wer die beliebte BC 25 oder 50 haben möchte, braucht zwingend ein Kundenkonto. Auch beim bisher noch angebotenen Ausdruck auf Papier (PDF mit QR-Code) sei eine Registrierung immer die Voraussetzung, kritisieren der Vzbv und Fahrgastverbände. Hinzu kommt: Fahrkarten zum Sparpreis oder Super-Sparpreis bekommt man beim Staatskonzern schon seit einem Jahr nur noch, wenn eine Handynummer oder E-Mail-Adresse angeben wird, auch beim Schalterverkauf.
Der DB-Konzern betont auf Anfrage, man werde „niemanden auf dem Weg zur Digitalisierung allein lassen“. Die Berater in Reisezentren und beim telefonischen Kundenservice stünden Kunden helfend zur Seite. Kein Bahnreisender benötige zwingend ein Smartphone. „Auch digitale Tickets können ausgedruckt mitgeführt werden, einen solchen Ausdruck erhält man auf Wunsch auch im Reisezentrum“, erläutert eine Sprecherin. Das gelte auch für zuggebundene Spar- und Super-Spartickets. Um Reisende bei Änderungen zur Fahrt informieren zu können, zum Beispiel bei Gleiswechseln oder Verspätungen, sei aber die Angabe der Mail-Adresse oder Mobilfunknummer nötig.
Der Konzern räumt auch ein, dass an Automaten in Bahnhöfen überhaupt keine Sparpreis-Tickets mehr erhältlich sind. Dafür gebe es „keine Nachfrage mehr“, behauptet die Sprecherin. Zuletzt seien nur zwei Prozent aller Sparpreise-Tickets am Automaten gekauft worden. Für die Bahn-Card gelte ebenfalls, dass ein Ersatzdokument – ob als PDF-Dokument in digitaler Form oder als Papier-Ausdruck – im Zug anerkannt werde. Wer keine Möglichkeiten habe, sich das Ersatzdokument selbst auszudrucken, bekomme es auf Wunsch kostenlos im Reisezentrum.
Kundenkonto als Voraussetzung
Für den Erwerb der Bahn-Card ist aber ein Kundenkonto die Voraussetzung, bestätigt die DB. Es werde beim Kauf im Reisezentrum durch den Berater „automatisch angelegt“. Dazu sei es zudem nötig, eine Mailadresse anzugeben. Das digitale Angebot habe große Vorteile. Einmal in der App DB Navigator hochgeladen, habe man die virtuelle Bahn-Card immer dabei und sie könne nicht mehr verloren gehen. Außerdem könnten Kunden ihre Daten bequem selbst ändern.
Nach DB-Angaben werden im Fernverkehr inzwischen 90 Prozent aller Tickets digital über bahn.de oder den DB Navigator gekauft. Vor zehn Jahren war es erst die Hälfte. Im Nahverkehr würden bereits 78 Prozent der Tickets digital gebucht, ein Jahrzehnt zuvor waren es nur zehn Prozent. Durch das digitale Deutschland-Ticket habe sich der Anteil der digital gekauften Nahverkehrstickets mehr als verdoppelt.