Opposition bei Frage der Impfpflicht gespalten
dpa/lsw Stuttgart. In der Kritik an Kretschmanns Landesregierung sind sich SPD und FDP häufig einig. Die Frage nach der Impfpflicht aber entzweit die Opposition im Land - genauso wie die Ampel im Bund.
In der Frage einer allgemeinen Impfpflicht geht ein Riss durch die Opposition im Landtag. Die baden-württembergische FDP-Fraktion hatte bislang nur Bedenken geäußert - nun sprachen sich die Abgeordneten einstimmig auf ihrer Klausur gegen die Einführung einer solchen Pflicht aus. Man sei der Überzeugung, dass das derzeit nicht durchführbar sei, sagte Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. „Wir haben zumindest noch kein Modell gesehen, dass auch nur im Entferntesten funktionieren könnte.“ SPD-Fraktionschef Andreas Stoch hält das hingegen für eine „falsche politische Festlegung“.
SPD und FDP bilden mit den Grünen im Bund eine Ampel-Regierung, im Land stehen sie der grün-schwarzen Regierung von Winfried Kretschmann als Opposition gegenüber. Über eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona soll der Bundestag voraussichtlich in freier Abstimmung ohne Fraktionsdisziplin entscheiden. Auch Teile der FDP im Bundestag sind gegen die Impfpflicht. Der FPD-Politiker Wolfgang Kubicki hat mit anderen liberalen Abgeordneten im Bundestag einen Antrag gegen die allgemeine Impfpflicht vorgelegt, während Kanzler Olaf Scholz (SPD) sich klar dafür ausgesprochen hat.
Den Antrag Kubickis würde er auch unterschreiben, sagte FDP-Landespolitiker Rülke. Man könne dabei nicht ändern, wenn auch die AfD im Bundestag für einen Antrag der FDP gegen eine Impfpflicht stimme. Er warnte davor, die Impfpflicht als Verheißung zu sehen. Querdenker und Reichsbürger würden sich trotzdem nicht impfen lassen. Zudem brauche es zur Umsetzung ein nationales Impfregister, um überhaupt zu wissen, wer noch nicht geimpft sei.
Rülke kritisierte am Donnerstag in dem Zusammenhang auch den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), mit dem seine Partei im Bund regiert. Lauterbach habe angekündigt, als Abgeordneter an einem eigenen Gesetzentwurf für eine Impfpflicht zu arbeiten. „Jetzt hat er es gestern wieder eingesammelt - mit der ulkigen Begründung, er müsse sich als Bundesgesundheitsminister neutral verhalten“, kritisierte Rülke. Der eigentliche Grund sei, dass Lauterbach auch keine Lösung einfalle, wie man eine Impfpflicht effizient und rechtssicher umsetzen könne.
Der baden-württembergische Oppositionsführer Stoch wies die Haltung der FDP-Fraktion zurück. Er habe den Eindruck, dass die Haltung der liberalen Abgeordneten im Landtag nicht die Meinung der gesamten Bundes-FDP widerspiegele. Deshalb gehe er auch nicht davon aus, dass die Position der FDP-Landtagsfraktion bei der Entscheidung im Bundestag eine große Rolle spielen werde. Die AfD-Fraktion bekräftige am Donnerstag ihr Nein gegenüber einer Impfpflicht.
Die Fraktionen im Landtag zurrten diese Woche bei Klausuren die politischen Schwerpunkte für das neue Jahr fest. Am Donnerstag präsentieren SPD, FDP und AfD ihre Themen. Die Pandemie überschattete die Konferenzen.
PANDEMIE-MAßNAHMEN - Die FDP-Fraktion hat das Festhalten der Regierung Kretschmann an der sogenannten Alarmstufe II, die mit strengeren Kontaktregeln im Südwesten verbunden ist, kritisiert. Man müsse sich am Hospitalisierungsgrad orientieren, sagte Rülke. Nach allem, was man höre, führe die Omikron-Variante zu milderen Verläufen. Er habe aber Verständnis dafür, wenn man vorsichtig sei, bis man wissenschaftliche Ergebnisse habe. Rülke forderte von Kretschmann zudem eine rasche Einführung einer FFP2-Maskenpflicht in Bussen und Bahnen, wie sie bereits in Bayern gilt. Die SPD-Fraktion hingegen sprach sich aus für eine großangelegte Informationskampagne fürs Impfen. Man müsse stärker werben auf verschiedenen Kanälen, sagte Stoch. Man hätte bereits im Sommer gegen Fehlinformationen und gegen die Angst vor dem Impfen vorgehen müssen. Er sprach auch von sprachlichen und kulturellen Barrieren.
CORONA-PROTESTE - Die AfD-Fraktion sieht die unangemeldeten Proteste gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen nicht als rechtswidrig an. „Jeder Bürger hat das Recht, sich hier zu versammeln, auch unangemeldet sich zu versammeln“, sagte Fraktionschef Bernd Gögel am Donnerstag. Der Abgeordnete Emil Sänze sagte, es sei normal, dass sich das „Volk entlädt über solche Spaziergänge“. „Und ich bin stolz darauf, dass die Leute das tun und ihren Anspruch auf Mündigkeit auch in die Hand nehmen.“ Aus Sicht des Innenministeriums stellen die unangemeldete Corona-Proteste jedoch einen klaren Verstoß gegen das Versammlungsrecht dar. Die SPD-Fraktion fordert hingegen einen „Sonderstab Corona-Extremismus“ und mehr Unterstützung der Kommunen im Vorgehen gegen die Proteste.
LANDTAGSPROJEKTE - Im Landtag will sich die FDP für das Voranbringen der Wasserstofftechnologie einsetzen und den Ausbau des Mobilfunknetzes. Die AfD-Fraktion plant Initiativen für eine Pflichtversicherung für Gebäudeeigentümer, für eine Direktwahl von Landräten und leichtere Abschiebungen. Zudem wollen sich die AfD-Abgeordneten für ein verpflichtendes Vorschuljahr einsetzen. Die Kinder sollen demnach an fünf Vormittagen die Woche vier Stunden lang von Lehrern und weiterqualifizierten Erziehern unterrichtet werden, die Zahlen bis Zehn lernen und die deutsche Sprache schon vor der Grundschule einheitlich beherrschen, sagte AfD-Bildungspolitiker Rainer Balzer. Die SPD will eine grundlegende Reform des überfüllten Maßregelvollzugs, mehr Personal, einen Ausbau der Plätze und mindestens einen neuen Standort. Die Regierungsfraktionen Grüne und CDU stellen ihre Klausurergebnisse am Freitag vor.
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