„Staatssekretärs-Volkssturm“: Rülke provoziert Koalition

dpa/lsw Stuttgart. Es ging im Stuttgarter Landtag mal wieder um die zusätzlichen Staatssekretäre, die sich Grün-Schwarz genehmigt hat. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke bemühte zunächst die griechische Mythologie, um die Regierung zu ärgern. „Sie haben bei den Staatssekretären eine Megahydra entwickelt“, hielt der FDP-Mann Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Mittwoch in der Haushaltsdebatte im Landtag vor. „Wenn ein Kopf abgeschlagen wird, wachsen vier Köpfe nach.“ In den zehn Jahren Regierungszeit seien aus 5 Staatssekretären 16 geworden. „Ihr gesamter Gestaltungswille beschränkt sich auf das Ausweiten von Staatssekretären“, kritisierte Rülke.

Hans-Ulrich Rülke, Vorsitzender der FDP/DVP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Hans-Ulrich Rülke, Vorsitzender der FDP/DVP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Dann wandte er sich seinem Lieblingsgegner, Innenminister Thomas Strobl (CDU), zu. Es sei offensichtlich gar nicht so leicht, hinreichend Staatssekretäre zu finden, stellte Rülke fest. „Im Innenministerium sind sämtliche Staatssekretäre reaktivierte Rentner.“ Strobl finde auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht genügend Staatssekretäre. Und dann setzte der FDP-Mann nach: „Deshalb ist es notwendig, im Innenministerium eine Art Staatssekretärs-Volkssturm auf die Beine zu stellen.“

Vor allem bei den Grünen sorgte das für Empörung. Uli Sckerl, Parlamentarischer Geschäftsführer, rief sogleich: „Volkssturm ist ein Begriff aus dem Nationalsozialismus.“ Wenig später forderte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz in der Debatte Rülke auf, sich für den Begriff zu entschuldigen, was der FDP-Politiker aber nicht tat. Der Deutsche Volkssturm wurde im September 1944 in der Endphase des Zweiten Weltkriegs von den Nazis aufgestellt, um alle Männer zwischen 16 und 60 Jahren, die bis dahin noch nicht gekämpft hatten, für die Verteidigung des Landes zu mobilisieren.

Am Nachmittag schrieb Strobl einen Brief an Landtagspräsidentin Muhterem Aras, in dem er verlangt, dass sich Rülke unverzüglich bei seinen beiden Staatssekretären Julian Würtenberger (64) und Wilfried Klenk (62) entschuldigt und den Begriff in der nächsten Sitzung zurückzieht. Da Rülke auch in der Pressemitteilung zu seiner Rede das Wort „Volkssturm“ gebrauche, sei hier „von einer vorsätzlichen Grenzüberschreitung auszugehen“. Der FDP-Politiker greife hier „Motive nationalsozialistischer Propaganda und antisemitische Narrative“ auf.

Rülke sagte auf Nachfrage, der Begriff „Volkssturm“ sei schon während der Französischen Revolution verwendet worden, etwa beim Sturm auf die Bastille in Paris im Jahr 1789. Da am Mittwoch der 14. Juli gewesen sei - also der Jahrestag des Sturms auf die Bastille - sei doch klar, dass er sich darauf bezogen habe.

© dpa-infocom, dpa:210714-99-381067/3

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Erstellt:
14. Juli 2021, 14:45 Uhr

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