Stadt Backnang will mit Solarschub als Vorbild glänzen

Der Stromertrag auf den Dächern der städtischen Gebäude soll allein im nächsten Jahr um 75 Prozent steigen. Backnang plant für 2024 neun neue und vor allem großflächige Fotovoltaikanlagen auf den eigenen Immobilien. Auch der Denkmalschutz ist künftig kein K.-o.-Kriterium mehr.

Die Sanierung des Gerichtsvollzieherhauses am Rande des Freithofs ist ein typisches Beispiel für die neue städtische Strategie. Das Dach muss schnellstmöglich saniert werden und erhält eine Solaranlage, was bislang aufgrund des Denkmalschutzes nicht möglich war. Foto: privat

Die Sanierung des Gerichtsvollzieherhauses am Rande des Freithofs ist ein typisches Beispiel für die neue städtische Strategie. Das Dach muss schnellstmöglich saniert werden und erhält eine Solaranlage, was bislang aufgrund des Denkmalschutzes nicht möglich war. Foto: privat

Von Matthias Nothstein

Backnang. Fotovoltaikanlagen haben auf den Dächern der öffentlichen Gebäude in der Stadt Backnang bislang keine allzu große Rolle gespielt. Das soll sich jetzt ändern. Bei der Vorstellung des Investitionsprogramms für die Jahre 2024 bis 2027 erklärte Oberbürgermeister Maximilian Friedrich dieser Tage, die Stadt wolle mit einer Solarinitiative als Vorbild in Sachen Klimaschutz vorangehen. Alleine im nächsten Jahr soll der Stromertrag auf den Dächern der städtischen Liegenschaften um 75 Prozent auf dann knapp 1400 Kilowatt in der Spitze steigen. In absoluten Zahlen haben bis 2020 lediglich 19 Anlagen auf städtischen Dächern die Sonne zur Stromgewinnung eingefangen. Danach wurden jedes Jahr zwei bis vier neue Anlagen montiert. Nun jedoch sollen allein im nächsten Jahr neun neue Fotovoltaikanlagen auf städtischen Dächern montiert werden, und 2025 weitere sieben Stück.

Deutlicher noch als die Anzahl steigt die Leistung dieser Sonnenkraftwerke. Die bis 2023 betriebenen Anlagen haben in der Spitze ein Potenzial von 800 Kilowatt. Innerhalb von Jahresfrist steigt dieser Wert um 75 Prozent auf 1375 Kilowatt. Denn die demnächst gebauten Anlagen sind zum Teil auch deutlich größer als die früheren. Die größte soll auf dem Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) entstehen, dort gehen die Planer von 200 Kilowatt in der Spitze aus. Auch auf der Karl-Euerle-Halle – wie immer sie künftig auch heißen wird – werden Module verlegt, die in der Summe das Potenzial für 120 Kilowatt haben. Es folgen als Standorte das Technikforum (100 Kilowatt), die Stadthalle (78), das Backnanger Bürgerhaus (35) das Gebäude Mühlstraße 11 mit zwölf Kilowatt. Module für jeweils zehn Kilowatt werden auf dem Gerichtsvollziehergebäude und auf den Kindertagesstätten Ekertsklinge und Stubener Weg errichtet.

Gesetzesänderung eröffnet ganz neue Möglichkeiten

Und noch in einem anderen Bereich möchte die Stadt Vollgas geben und sogar Neuland betreten. Es geht um die Nutzung der Dächer von denkmalgeschützten Gebäuden. Bislang war der Denkmalschutz ein Ausschlusskriterium, wenn Eigentümer eine Fotovoltaikanlage errichten wollten. Im Zuge der Energiekrise hat auf diesem Gebiet ein Umdenken stattgefunden. So wurde das Denkmalschutzgesetz von Baden-Württemberg im Februar dieses Jahres geändert. Im Paragraf 7 heißt es jetzt im Absatz 2: „Bis zur Erreichung der Netto-Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2040 nach dem Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg ist der besonderen Bedeutung von Energieeinsparung, -effizienz und erneuerbaren Energien sowie des Verteilnetzausbaus gegenüber denkmalschutzrechtlichen Belangen Rechnung zu tragen.“ Das heißt: Wenn nicht ganz besonders triftige Gründe dagegen sprechen, können Fotovoltaikanlagen genehmigt werden. Erster Bürgermeister Stefan Setzer nannte als Beispiel die Stadthalle. Dort war eine solche Anlage bislang tabu, jetzt sollen auf dem Hallendach Module mit einer Leistung von 78 Kilowatt in der Spitze installiert werden, das wäre eine der größten Anlagen auf den städtischen Dächern. Allerdings beruhigte Setzer auch sofort all diejenigen, die zu große Eingriffe in den Denkmalschutz befürchteten: „Die Änderungen bedeuten nicht gleichzeitig, dass solche Anlagen jetzt auf alle Dächer drauf können und dürfen.“

Damit die Beeinträchtigungen der Optik minimiert werden, gibt es zahlreiche Empfehlungen. So sollen die Module farblich der Dacheindeckung angepasst werden. Schließlich gibt es inzwischen auch die Möglichkeit, die Module rot einzufärben. Backnangs Klimamanagerin Simone Lebherz erklärte hierzu, die eingefärbten Anlagen seien zwar etwas teurer, da sie noch nicht in Masse produziert werden, und hätten einen geringeren Wirkungsgrad. Trotzdem sei die Nutzung der denkmalgeschützten Dächer alternativlos: „Wenn wir die Möglichkeit auf einem geeigneten Dach haben, werden wir es machen.“

Bei denkmalgeschützten Gebäuden werden „minimalinvasive Eingriffe“ empfohlen

Damit die Anlagen nicht zu sehr ins Auge stechen, gibt es noch weitere Vorgaben. So sollen sie nicht auf die Ziegel, sondern wenn möglich in das Dach integriert montiert werden. Auch soll kein Flickenteppich auf dem Dach entstehen, sondern möglichst große, zusammenhängende Flächen. Und die Module sollen von Dachrand eingerückt verlegt werden. In der Summe nennt Lebherz dies einen „minimalinvasiven Eingriff“ in die Dachlandschaft. Willy Härtner (Grüne) lobte stellvertretend für viele Stadträte den Mut der Verwaltung, die Fotovoltaik nicht nur generell auszubauen, sondern auch auf das Gebiet der denkmalgeschützten Gebäude auszuweiten.

Bei der Frage, in welcher Reihenfolge die Dächer der städtischen Gebäude mit Anlagen bestückt werden, spielen bauliche Überlegungen allerdings die größte Rolle. Müssen zum Beispiel ohnehin bald die Fenster erneuert werden und ist dafür ein Gerüst nötig? Oder ist das Dach so alt, dass eine Wärmedämmung gemacht werden muss? Diese Aspekte sind wichtiger als die Frage, welches Dach am besten geeignet ist. Typisches Beispiel ist das Gerichtsvollziehergebäude an Rande des Freithofs. Weil das Dach undicht und schlecht isoliert ist, muss die Stadt dringend handeln. Und so werden dort nicht nur neue Fenster eingebaut und die Fassade erneuert, sondern auch Fotovoltaikelemente aufs Dach montiert. Obwohl in diesem Fall mehrere Hunderttausend Euro investiert werden müssen und der Investitionsplan der Stadt ohnehin proppenvoll ist, segnete das Gremium diese außerplanmäßige Ausgabe ab.

Lieferprobleme gibt es nicht mehr, aber die Handwerkerkapazität ist begrenzt

Es gibt aber auch andere Beispiele, bei denen außer der Montage einer Fotovoltaikanlage nichts gemacht wird. Konkret genannt wurde die Stadthalle. „Aber dieses Dach hat geradezu danach geschrien , etwas draufzumachen“, so die Einschätzung von Lebherz. Nach Ansicht der Klimamanagerin wird am Schluss ohnehin nicht entscheidend sein, „was wir geplant, sondern was wir realisiert haben“. Und hier sieht sie eindeutig die Kapazität des Handwerks als Nadelöhr, denn die Lieferprobleme bei den Modulen gehören inzwischen der Vergangenheit an. „Die Module bekommen wir wieder zuverlässig geliefert.“

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Erstellt:
2. November 2023, 06:00 Uhr

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