Stadt setzt beim WLAN-Ausbau auf Profis

Verwaltung will lieber mit Unitymedia als mit der Freifunk-Initiative zusammenarbeiten – Gemeinderat vertagt Entscheidung

Öffentliches WLAN gibt es in Backnang bereits rund ums Rathaus und im Biegel, jetzt will die Stadt das Angebot auch auf den Bahnhof ausweiten. Die ehrenamtlich getragene Freifunk-Initiative würde das Projekt gerne umsetzen, doch die Verwaltung favorisiert den kommerziellen Anbieter Unitymedia. Der Gemeinderat hat die Entscheidung jetzt erst einmal vertagt.

WLAN gibt es zwar schon in einigen S-Bahn-Zügen, aber noch nicht am Bahnhof. Das möchte die Stadt Backnang jetzt ändern.Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

WLAN gibt es zwar schon in einigen S-Bahn-Zügen, aber noch nicht am Bahnhof. Das möchte die Stadt Backnang jetzt ändern.Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Backnang war beim Thema öffentliches WLAN nicht gerade Pionier, doch nach dem Start mit drei Hotspots vor einem Jahr ist der Wirtschaftsbeauftragte Ralf Binder mit der Resonanz sehr zufrieden: Im Schnitt loggen sich jeden Tag rund 60 Passanten mit ihren Smartphones in das von der Stadt finanzierte und von der Firma Unitymedia betriebene Netzwerk ein, beim Straßenfest waren es sogar bis zu 280 am Tag. „Das WLAN ist ein Marketinginstrument für die Stadt“, stellt Binder fest.

Deshalb würde er das Angebot gerne auf den Bahnhofsbereich ausweiten, denn beim Warten auf Bus oder S-Bahn wären sicher viele Fahrgäste dankbar für eine Internetverbindung, die das eigene Datenvolumen nicht belastet. Die Frage ist jedoch, wer das Netz dort einrichten und betreiben soll. Neben Unitymedia hat auch die Freifunk-Initiative ein Konzept vorgelegt (wir berichteten). Dahinter steckt ein ehrenamtlich getragener Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, offene Netze einzurichten, die jedermann kostenlos nutzen kann.

Freifunk-Initiator wundert

sich über falsche Zahlen

Im Verwaltungs- und Finanzausschuss des Gemeinderats empfahl Ralf Binder den Stadträten nun, sich für Unitymedia zu entscheiden. Das Unternehmen biete einen Service „auf professionellem Niveau“. Wenn das Netz einmal ausfalle, gebe es eine Hotline, die sieben Tage pro Woche rund um die Uhr erreichbar sei und sich um das Problem kümmere. Auch aus rechtlicher Sicht sieht er den gewerblichen Dienstleister im Vorteil: Wer sich in das Unitymedia-Netz einloggt, muss nämlich vorher die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters akzeptieren. Dadurch sei man abgesichert, wenn Nutzer über das Netzwerk illegale Aktivitäten starten. Die Freifunker verzichten hingegen ganz bewusst auf solche AGBs.

Ein Vorteil ist aus Binders Sicht auch, dass das Netz am Bahnhof, ebenso wie am Rathausplatz und im Biegel, unter dem Namen „Free Wifi BK“ verfügbar wäre. „Wir wollen das bestehende Netz erweitern und kein zweites aufbauen“, erklärte der Wirtschaftsbeauftragte.

Von den Kosten wäre die Freifunk-Lösung zwar günstiger – Binder kommt in seinen Berechnungen auf 11700 Euro für zwei Jahre gegenüber 16400 Euro bei Unitymedia. Damit sei aber noch nicht gesagt, dass das Angebot auch wirtschaftlicher sei. Denn Ersatzteile und Reparaturen müsse die Stadt bei der Freifunk-Lösung selbst bezahlen, bei Unitymedia wären sie hingegen durch den Servicevertrag abgedeckt.

Konrad Panzlaff, der bereits in mehreren Backnanger Asylbewerberunterkünften Freifunk-Netze eingerichtet hat und die Idee weiter voranbringen will, zeigt sich verwundert über die von Binder genannten Argumente und Kosten. „Wir können nicht nachvollziehen, wie diese Zahlen zustande kommen“, erklärt der Tesat-Ingenieur. Für Hardware und Installation rechnet er mit höchstens 5500 Euro, die sich durch ehrenamtlichen Einsatz sogar auf 3000 Euro reduzieren ließen. „Wir hätten gerne ein Angebot abgegeben, wurden aber gar nicht gefragt“, erklärt Panzlaff, dem in der Sitzung nur die Rolle des Zuhörers blieb.

Auch die rechtlichen Bedenken hält Panzlaff für unbegründet: „Der Datenverkehr läuft über die Freifunk-Gateways, die Stadt hat damit überhaupt nichts zu tun.“ Dass man als ehrenamtliche Initiative keine Servicegarantien wie ein professioneller Dienstleister geben könne, sei zwar richtig, sagt Freifunker Marvin Gaube: „In der Praxis funktioniert es aber sehr gut, weil viele Freiwillige dahinterstehen, die ein Interesse daran haben, dass es läuft.“

Der Ausschuss wollte angesichts der widersprüchlichen Informationen noch keine Entscheidung treffen. Auf Antrag von Stadträtin Dorothee Winter wurde das Thema auf März vertagt. Bis dahin sollen die Freifunker die Möglichkeit bekommen, ein Angebot mit den genauen Kosten vorzulegen. Die CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Ulfert forderte die Verwaltung außerdem auf, sich die Verträge aus Esslingen anzuschauen. Dort betreibt Freifunk seit 2018 ein Netz, das von der Stadt finanziell gefördert wird.

Kommentar
Ehrenamt verdient Unterstützung

Von Kornelius Fritz

„Wer etwas will, der findet Wege. Wer etwas nicht will, der findet Gründe“, hat Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm, einmal gesagt. Der Wirtschaftsbeauftragte Ralf Binder hat sogar jede Menge Gründe gefunden, warum er beim Ausbau des öffentlichen WLAN in Backnang nicht mit der Freifunk-Initiative zusammenarbeiten will: zu unprofessionell, zu unsicher, zu riskant.

Merkwürdig ist allerdings, dass eine Stadt wie Esslingen beim Ausbau ihres Netzes mit den Freifunkern zusammenarbeitet und das dort prima funktioniert. Und noch merkwürdiger ist, dass die engagierten Ehrenamtlichen in Backnang nicht einmal die Chance bekommen, sich und ihr Konzept im Gemeinderat vorzustellen. Nur durch Zufall haben die Freifunker überhaupt erfahren, dass das Thema im Ausschuss auf der Agenda stand. So geht man mit engagierten Bürgern, die etwas bewegen wollen, nicht um.

Natürlich gibt es Argumente, die für einen professionellen Dienstleister wie Unitymedia sprechen. Aber die Verwaltung darf den Gemeinderat nicht einseitig informieren. Und im Zweifel sollte eher eine Initiative engagierter Backnanger gefördert werden als ein Großunternehmen mit Sitz in Köln. Ehrenamtliche löschen in Backnang Brände und organisieren den Sanitätsdienst beim Straßenfest. Warum sollten sie nicht auch in der Lage sein, ein öffentliches WLAN am Bahnhof zu betreiben?

k.fritz@bkz.de

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Erstellt:
19. Januar 2019, 06:00 Uhr

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