Nach Anschlägen in Magdeburg und München

Städte tüfteln an Sicherheitskonzepten für Fasnetsumzüge

Der Anschlag von München führt in Heidenheim zu einem Faschings-Eklat. Der Innenminister beruhigt. Närrische Hochburgen tüfteln an ihren Sicherheitskonzepten.

Sicherheit spielt bei Narrenumzügen wie hier in Bad Dürrheim eine immer größere Rolle.

© Cornelius Rück

Sicherheit spielt bei Narrenumzügen wie hier in Bad Dürrheim eine immer größere Rolle.

Von Eberhard Wein und Rüdiger Bäßler

Der traditionelle „Faschingssturm“ kurzfristig geplatzt, so etwas hat es in Heidenheim bisher nicht gegeben. Aber am vergangenen Samstag ist es passiert. Die große Mehrheit der 14 regionalen Zünfte wollte am Zug durch die Innenstadt nicht mehr teilnehmen, nachdem die Stadtverwaltung Mitte der Woche strenge Sicherheitsauflagen erließ.

Eine davon, so schilderte ein Zunftsprecher aus der Organisationsgruppe hinterher: „Das Prinzenpaar durfte nicht mehr mit dem Cabrio fahren“. Zwei Bundesstraßen, die die Heidenheimer Innenstadt durchschneiden, hätten vom Faschingszug „in Eigenverantwortung überquert werden sollen“. Und Guggenmusiker, die sonst immer vor einer innerstädtischen Bäckerei aufspielten, hätten sich dort auch nicht treffen dürfen. Vorläufig scheint das Verhältnis zwischen Rathaus und närrischem Volk auf Gefriertemperatur gesunken zu sein – der sonst gesprächige Zunftvertreter will jetzt lieber anonym bleiben.

Sicherheit wird für die Vereine immer teurer

Kühl auch die Stellungnahme der Stadt: die Entscheidung für erhöhte Sicherheitsmaßnahmen sei „unter dem Eindruck der Amokfahrten in Magdeburg und München mit zwei Toten und vielen Verletzten“, getroffen worden, so eine Sprecherin. Die Ordnungsbehörde habe eine großräumige Umleitung des Verkehrs vorgeschlagen – und auch Kosten dafür genannt: Umleitungsbeschilderung 8300 Euro, weitere Sicherungsmaßnahmen für den Überfahrschutz wie Absperrgitter und Betonlegesteine rund 12 000 Euro. „Diese Kosten waren dem Veranstalter zu hoch“, so das Rathaus. Ein verkürzte, billigere Umzugsvariante sei anschließend erst gemeinsam beschlossen, dann „überraschend“ seitens der Zünfte doch verworfen worden. Für die Verwaltung seien „die Maßnahmen nach wie vor gerechtfertigt“. Ein „Überfahrschutz-Light“ sei „nicht zu verantworten, wenn man die Tragödien durch Überfahrtaten ernst nimmt“.

Solche Absagen wie in Heidenheim hat es anderswo bisher nicht gegeben und sind im Unterschied zur närrischen Diaspora in vielen Fasnetshochburgen im Süden des Landes auch undenkbar. So ging das Narrentreffen der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) am selben Wochenende in Aulendorf ohne Einschränkungen über die Bühne. „Die Sicherheit muss passen, aber wir wollen auch Spaß am Leben vermitteln und Freude für Jung und Alt bieten“, sagte der neugewählte VSAN-Präsident Roland Haag.

Im Ehrenamt gebe es auch in puncto Sicherheit viele Ideen und auch viel Engagement. Trotzdem sei der Aufwand mittlerweile für die Vereine riesig. 30 000 bis 40 000 Euro müssten die Organisatoren von größeren Narrenumzügen allein für Sicherheit ausgeben – trotz des Einsatzes von Ehrenamtlichen.

Palmer: Es fühlt sich richtig an

Doch auch die Städte rüsten auf. Zuletzt habe man sich mehr auf Messerattacken konzentriert, jetzt liege das Augenmerk wieder stärker auf Abwehrmaßnahmen gegen Autoanschläge, sagte der Sprecher der Stadt Schwäbisch-Gmünd, Markus Herrmann. Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg habe man sich neue Einfahrtssperren beschafft, die beim Rathaussturm und bei einer Streikversammlung von Verdi bereits zum Einsatz gekommen seien, hieß es aus Pforzheim. Auch in Konstanz wurde das Sicherheits- und Zufahrtsperrenkonzept zur Straßenfasnacht noch einmal angepasst. In Waiblingen wird erstmals die Kreuzung am Alten Postplatz gesperrt.

Beim Umzug durch Tübingen versperrte schweres Gerät des Technischen Hilfswerks die Zufahrtsgassen. „Es fühlt sich richtig an. Anders geht es nicht mehr“, erklärte der Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos). Auch in Überlingen, Villingen-Schwenningen und Friedrichshafen nahm man die Anschläge der vergangenen Wochen zum Anlass, die Sicherheitsmaßnahmen eingehend zu überprüfen. In Ludwigsburg wird inzwischen mit der Hilfe von Gutachtern ein komplettes Neukonzept erarbeitet. Die Barockstadt hat etwas mehr Zeit. Der einzige Narrenumzug durch Neckarweihingen am kommenden Wochenende fällt aus – nicht wegen Sicherheitsbedenken, sondern wegen der Bundestagswahl.

Die Bewältigung dieser Wahl zeitgleich mit dem allmählichen Höhepunkt der Faschingskampagne hat die Sicherheitsbehörden schon bisher beschäftigt. Der Anschlag von München erhöht die Spannung aber weiter. Zwar beruhigt der CDU-Innenminister Thomas Strobl auf Anfrage: „Den Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg liegen aktuell keine Erkenntnisse oder Hinweise vor, aus denen sich eine konkrete Gefährdung durch einen Anschlag in Baden-Württemberg ableiten lässt.“

Der Innenminister warnt vor Dschihadisten

Allerdings gebe es „weiterhin eine hohe abstrakte Gefahr dschihadistisch motivierter Gewalttaten – auf die ich seit langem immer und immer wieder hinweise.“ Die Polizeibehörden suchten überall die Zusammenarbeit. „Wir stehen den Veranstaltern bei der Erstellung örtlicher Sicherheitskonzepte beratend zur Seite und treffen die erforderlichen polizeilichen Maßnahmen. Daher muss niemand auf die Durchführung oder den Besuch von Veranstaltungen oder Versammlungen verzichten.“

In Rastatt und Oberndorf will man sich in dieser Woche noch einmal zusammensetzen. In Mannheim fanden mehrere Begehungen der Umzugsstrecken statt. „Wir haben nochmals nachgeschärft. Der zusätzliche Aufwand ist in personeller und finanzieller Hinsicht erheblich“, sagte Tobias Hermann von der Stadt Rottweil. Details wolle man aus polizeitaktischen Gründen aber nicht nennen.

„Wir haben in einer Begehung der gesamten Umzugsstrecke neuralgische Punkte definiert und dort Sicherungsmaßnahmen festgelegt“, sagte der Bürgermeister von Elzach, Roland Tibi (parteilos). Betonteile würden dauerhaft über die Fasnet aufgestellt. Allerdings ist die Absicherung der Narren schwieriger als die eines Weihnachtsmarktes. „Umzüge und Läufe können keinem gut abgrenzbaren Bereich zugeordnet werden“, erklärte eine Sprecherin der Stadt Esslingen.

Ein Spediteur hilft aus

Zudem sind Betonpoller nicht immer eine Lösung. Bei einem großen Umzug vor zwei Wochen in Bad Dürrheim war kurz vor dem Start Feueralarm ausgelöst worden. Eine Wohnung war in Brand geraten. „Wir müssen die Straßen nicht nur sperren, sondern sie bei solchen Einsätzen auch schnell wieder öffnen können“, sagte der Narrenpräsident Haag.

In Aulendorf stellte ein örtlicher Spediteur Lastwagen und mit Sand gefüllte Container an die Zufahrtswege – natürlich kostenlos. In kleinen Orten gebe es oft solche pragmatischen Lösungen. „Wir müssen solche Konzepte vor Ort erarbeiten. Da helfen keine zentralen Vorgaben“, sagte der Bürgermeister Matthias Burth (parteilos). Mehr als 10 000 Menschen hätten friedlich gefeiert. Eine absolute Sicherheit gebe es aber nicht. „Natürlich kann man eine 2,5 Kilometer lange Umzugsstrecke mit Hundertschaften der Polizei absichern“, sagt Markus Herrmann. „Aber dann hat es mit Fasnet nichts mehr zu tun.“

Zum Artikel

Erstellt:
20. Februar 2025, 10:52 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen