Smart-City-Index
Städtetest: Wo die Digitalisierung fortgeschritten ist – und wo nicht
Das urbane Digitalisierungsniveau ist binnen fünf Jahren spürbar gestiegen. München hat Hamburg vom Spitzenplatz verdrängt. Uni-Städte liegen vorn. Berlin ist das Sorgenkind.
Von Thomas Magenheim
Zu den digitalen Vorreitern gehört Deutschland im internationalen Vergleich fraglos nicht. Aber zumindest auf Ebene der 81 deutschen Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern hat sich in den vergangenen fünf Jahren etwas getan, findet Ralf Wintergerst als Präsident des heimischen Digitalverbands Bitkom.
„Das Digitalniveau wurde angehoben, Städte machen Tempo“, urteilt Wintergerst mit Blick auf den fünften Smart-City-Index, den Bitkom seit 2019 erhoben hat. Der misst mit 37 Einzelindikatoren in fünf Kategorien, wie weit eine Stadt auf ihrem Digitalisierungspfad vorangeschritten ist. „Nach drei Jahren Hamburg ist 2023 München die digitalste Stadt“, sagt der Bitkom-Chef zu den aktuellen Ergebnissen. Der Vorsprung sei aber nur hauchdünn.
Das Digitalisierungstempo verläuft unterschiedlich
München kommt auf 84,5 von 100 möglichen Punkten, die Hansestadt auf 83,9 Punkte. Auf dem dritten Platz folgt Köln. Wirklich zurück geht es bei den Punkten nur in Ausnahmefällen. Unterschiede gibt es dagegen im Digitalisierungstempo. 2019 hätten noch unter 80 Punkte für den ersten Platz gereicht, so Wintergerst. Der damalige Zehnte wäre mit den Punkten seinerzeit heute auf Rang 43. Das zeige, es geht digital allgemein aufwärts, zumindest in Großstädten.
Es gibt aber auch ein digitales Leistungsgefälle. „Unter den Top 20 befinden wir uns auf relativ hohem Niveau“, sagt Wintergerst. In manchen der fünf Kategorien „Verwaltung“, „Energie und Umwelt“, „IT und Kommunikation“, „Mobilität“ sowie erstmals auch „Gesellschaft und Bildung“ gibt es zudem herausragende Kommunen. So ist Trier als die älteste Stadt Deutschlands bundesweiter Spitzenreiter bei Energie und Umwelt mit ausgesprochenen Stärken in Elektromobilität, Solarstrom oder energiesparender Straßenbeleuchtung. München ist die Nummer eins in IT und Kommunikation sowie Verwaltung, Hamburg in den Bereichen Mobilität sowie Gesellschaft und Bildung. Speziell die digitale Inklusion Älterer hebt Bitkom in der Hansestadt hervor.
Berlin auf Platz 24, Stuttgart auf Platz acht
„Aber es gibt auch andere Beispiele“, räumt Wintergerst ein. Dazu zählt ausgerechnet die Bundeshauptstadt. „Sie hat in allen Bereichen nachgelassen“, betont der Bitkom-Chef. War Berlin 2019 im Smart-City-Index noch Vierter, ist es mit dem aktuellen Rang 24 nach unten durchgereicht worden. Als eine von nur fünf von 81 Städten hat Berlin für den Smart-City-Index nicht einmal selbst Daten geliefert. Bitkom musste sich die über Umwege besorgen. „Berlin hat mehr Potenzial“, glaubt Wintergerst.
Aber so wie die Stadt sich digital derzeit präsentiere, sei das auch für das Image Deutschlands nicht förderlich. Auch Frankfurt steht mit Gesamtrang 22 nicht positiv da. Als Gesamtachter ist Stuttgart unter den Länderhauptstädten dagegen gut dabei. Wolfsburg ist 2023 einer der Hauptaufsteiger mit einer Verbesserung um 19 Plätze auf Rang 23.
Allgemein schneiden Universitätsstädte digital besser ab und als solche besonders in Bayern, Baden-Württemberg und auch Sachsen, erklärt Wintergerst. Hessen und Rheinland-Pfalz liegen leicht über dem Bundesschnitt, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen darunter.
Entscheidend sei das eigene Zutun und eine Digitalstrategie, betont der Bitkom-Chef. Um erfolgreich zu sein, müsse man digitale Kompetenzen in einer Stadtverwaltung bündeln und eng mit örtlicher Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft kooperieren. Wichtig sei es zudem, sich auf Mobilität und den Gebäudebestand zu konzentrieren. Vor allem aber könne man kostengünstig und zeitsparend viel mehr voneinander lernen.
Im Bereich Energie und Umwelt hapert es besonders
„Es gibt digitale Vorzeigelösungen“, sagt Wintergerst. Aber viele Städte wollten alles selbst entwickeln und kämen dadurch kaum voran. Unterschiedliche Bestimmungen zum Datenschutz würden es erschweren, Vorhandenes zu übernehmen. Er sieht Bund und Länder gefordert, für Vermittlung und Klarstellung zu sorgen. Wer heute erfolgreich sei, kooperiere bereits digital. So verbindet München, Hamburg und Leipzig das digitale Pilotprojekt Connected Urban Twins.
Laut Bitkom hapert es digital bundesweit am meisten im Bereich Energie und Umwelt. Das signalisiert fehlende Elektroladeinfrastruktur, zu wenige Elektroautos oder mangelhaftes Umweltmonitoring. Dass Bremerhaven als 81. und Letzter im Smart-City-Index mit gerade mal 35,4 Punkten weit weniger als die Hälfte des Spitzenreiters Münchens erreicht, zeigt, dass die Spreizung enorm ist und auch dies Anlass zur Sorge ist.