Infektionswelle in Deutschland

Starker Anstieg: Experten empfehlen Impfung gegen Keuchhusten

Eine Keuchhusten-Infektion führt zu Hustenattacken, die über Wochen bleiben. Dieses Jahr gibt es in Deutschland extrem viele Fälle. Für wen eine Infektion gefährlich werden könnte.

Pertussis ist eine hoch ansteckende Infektionskrankheit, die meist durch das Bakterium Bordetella pertussis ausgelöst wird.

© dpa/Angelika Warmuth

Pertussis ist eine hoch ansteckende Infektionskrankheit, die meist durch das Bakterium Bordetella pertussis ausgelöst wird.

Von Markus Brauer/dpa

Deutlich mehr Menschen als gewöhnlich sind dieses Jahr in Deutschland an Keuchhusten erkrankt. Rund 22.500 laborbestätigte Fälle mit Angaben von Symptomen sind bislang an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet worden (Stand 21. November). So hoch waren die Zahlen in den vergangenen zehn Jahren noch nie.

„2024 deutlich außerhalb der normalen Schwankungen“

Im Jahr 2023 wurden laut RKI zum Beispiel nur rund 3430 Fälle registriert. Die meisten gab es in den vergangenen Jahren zuletzt 2017 mit rund 16.829 gemeldeten Fällen.

„Es gibt natürliche Schwankungen und es kommt alle paar Jahre zu einer stärkeren Saison“, sagt der Direktor der Infektiologie der Berliner Charité Leif Erik Sander. „Dieses Jahr liegt aber deutlich außerhalb der normalen Schwankungen.“ Die Situation sei nicht mit einer Pandemie vergleichbar, aber die Belastung durch Atemwegsinfekte wie Keuchhusten in den Kinderarztpraxen und Kinderkliniken sei hoch.

Pertussis: hoch ansteckend und brandgefährlich

  • Pertussis ist eine hoch ansteckende Infektionskrankheit, die meist durch das Bakterium Bordetella pertussis ausgelöst wird.
  • Weltweit ist Keuchhusten eine der häufigsten Infektionskrankheiten der Atemwege.
  • Der Erreger bildet Giftstoffe, welche die Schleimhäute der Luftwege schädigen.
  • Man infiziert sich durch Tröpfchen, hauptsächlich beim Niesen, Husten oder Sprechen.
  • Bei Jugendlichen, Erwachsenen und den meisten Kindern verläuft die Erkrankung oft als lange andauernder Husten.

Hohe Zahlen vor allem bei Teenagern

In den Kinderpraxen habe sich das auf jeden Fall bemerkt gemacht, sagte Tanja Brunnert, Sprecherin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Vor allem ältere Kinder im Teenageralter seien dieses Jahr betroffen. Das zeigen auch die Daten des RKI: Die meisten Fälle wurden dieses Jahr bei Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 16 Jahren gemeldet. „Viele hatten anhaltend quälenden Husten“, erläutert die Kinderärztin.

Eine mögliche Erklärung für die hohen Zahlen sind laut Sander Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie. Während der Pandemie hatten viele Menschen wegen der Infektionsschutzmaßnahmen keinen Kontakt mit dem Keuchhusten-Erreger. Dadurch habe die Immunität in der Bevölkerung abgenommen, weshalb nun mehr Menschen erkrankten. Außerdem sei es möglich, dass mehr auf Keuchhusten getestet würde.

„Weltweites Phänomen“

Nicht nur in Deutschland sind die Zahlen hoch. „Es ist ein weltweites Phänomen“, erklärt der Arzt. In den USA etwa wurden nach Daten der Gesundheitsbehörde CDC bis zum 10. November rund 23.500 Fälle gemeldet. Das sind fünfmal so viele Fälle wie im gleichen Zeitraum des Jahres 2023.

In der Regel mache der Erreger nicht schwer krank, teilt Sander mit. Deswegen sollte man die Krankheit aber nicht auf die leichte Schulter nehmen. „Es ist eine unterschätzte Erkrankung.“ Fast immer beginne sie mit normalen Erkältungssymptomen wie Schnupfen und leichtem Husten. Wenn die akute Infektion abklinge, könne ein hartnäckiger Reizhusten einsetzen, der vier bis sechs Wochen andauern könne.

Infektion vor allem für Säuglinge gefährlich

Insbesondere für Säuglingen könne das gefährlich werden und zu schweren Hustenanfällen, Krämpfen der Stimmlippen, Atemaussetzern und Erbrechen führen. Ein hoher Anteil aller Krankenhausbehandlungen und fast alle Todesfälle betreffen laut RKI junge, ungeimpfte Säuglinge unter sechs Monaten. Todesfälle durch Keuchhusten kommen in Deutschland aber sehr selten vor.

Bei Jugendlichen und Erwachsenen wie auch bei vielen geimpften Kindern verläuft eine Keuchhusten-Erkrankung oftmals lediglich als lang andauernder Husten. Hingegen ist der wegen nachlassender Immunität der Bevölkerung virulente Pertussis-Erreger für Säuglinge lebensbedrohlich. Sie können den Schleim nicht abhusten, was zu Atemnot und schließlich zum Ersticken führen kann.

Impfung dringend empfohlen

Laut RKI treten rund 60 Prozent der Fälle bei Erwachsenen auf. Bei Patienten mit einer chronischen Bronchitis oder einem Lungenemphysem kann eine Keuchhusten-Infektion zu einer schweren und akuten Verschlechterung der Erkrankung führen. Das kann lebensbedrohlich sein und langfristig dazu führen, dass die Lungenfunktion stärker eingeschränkt wird.

„Wir raten sehr dringend, eine Impfung wahrzunehmen“, betont Brunnert. Für Neugeborene werden in Deutschland drei Impfungen im Alter von zwei, vier und elf Monaten empfohlen. Die Impfung schütze sehr gut vor komplizierten Verläufen, eine Infektion könne man aber nicht immer verhindern, erklärt die Kinderärztin.

Impfung ist die einzig wirksame Prophylaxe

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt zum Schutz vor Keuchhusten eine dreiteilige Grundimmunisierung für Babys sowie je eine Auffrischimpfung im Alter von 5 bis 6 und von 9 bis 16 Jahren. Erwachsene sollten bei der nächsten fälligen Tetanus- und Diphtherie-Auffrischimpfung nochmals gegen Keuchhusten geimpft werden.

Auch für Erwachsene wird eine Auffrischungsimpfung empfohlen. Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Impfung insbesondere auch für Schwangere, die so auch ihr Neugeborenes schützen können. Ihrer Erfahrung nach werde das aber noch viel zu selten gemacht, sagt Brunnert.

Erkrankte sollten sich möglichst von anderen fernhalten, eine Impfung sei die einzig wirksame Prophylaxe, heißt es vom RKI. Der Verband der Kinder- und Jugendärzte weist darauf hin, dass Säuglinge zeitnah geimpft werden sollten und diese auch durch die Impfung von Schwangeren geschützt werden.

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Erstellt:
25. November 2024, 09:14 Uhr

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