Ermordeter Rouven Laur

Mannheimer Polizistenmord – Spuren führen nach Russland

Recherchen des ZDF zeigen, dass aus Russland heraus bereits vier Tage vor dem Mannheimer Messerattentat mit Täterwissen im Internet nach Einzelheiten zu der Bluttat gesucht wurde.

In Mannheim gedenken Polizisten ihres bei einem Messerangriff auf dem Marktplatz getöteten Kollegen Rouven Laur: Spuren führen nach Russland.

© dpa/Uwe Anspach

In Mannheim gedenken Polizisten ihres bei einem Messerangriff auf dem Marktplatz getöteten Kollegen Rouven Laur: Spuren führen nach Russland.

Von Franz Feyder

Hinter dem Messerangriff im vergangenen Mai in Mannheim könnte ein russischer Nachrichtendienst stecken. Das ergaben Recherchen von Journalisten des ZDF-Heute Journals und der Dokumentationsreihe Terra X History. An den Folgen des mutmaßlich islamistisch motivierten Terroranschlags am 31. Mai 2024 verstarb der Polizeihauptkommissar Rouven Laur. Fünf weitere Männer wurden teilweise schwer verletzt.

Die ZDF-Journalisten stießen auf verdächtige Suchanfragen aus Russland wenige Tage vor dem Messerangriff auf dem Marktplatz Mannheims. So sei bereits am 27. April nach einem „Terroranschlag in Mannheim“ gesucht worden. Zudem verzeichnete Google russische Suchanfragen nach „Anschlag in Deutschland“, „Michael Stürzenberger Anschlag“ oder „Michael Stürzenberger erstochen“.

Den Islamkritiker Stürzenberger wollte der mutmaßliche Attentäter Sulaiman A. töten, wie der Afghane erst vor kurzem vor dem Oberlandesgericht Stuttgart aussagte. Als er realisierte, dass Stürzenberger seine beiden Angriffe überlebt hatte, „musste jemand sterben“. Daraufhin habe er den am Boden knienden Polizisten Laur angegriffen und auf ihn eingestochen.

Die Anfragen aus Russland vier Tage vor dem Anschlag ließen auf Täterwissen schließen, sagte der Internet-Profiler Steven Broschart den ZDF-Journalisten: „Wir finden tatsächlich zum Täter im Vorfeld Suchanfragen aus Russland, zum Täternamen, und das ist schon sehr, sehr ungewöhnlich.“ Zudem habe es vor der Tat auch russische Suchanfragen nach Webcams auf dem Mannheimer Marktplatz gegeben, um ein Livebild zu haben – „was auch sehr, sehr auffällig“ sei.

Ermittler können radikalen Internet-Lehrer nicht identifizieren

Der beeindruckend kompetent vor dem OLG Stuttgart aussagende Ermittlungsführer des baden-württembergischen Landeskriminalamtes machte deutlich, dass die Kriminalisten den Sulaiman A. offenbar radikalisierenden Internet-Gelehrten mit dem Aliasnamen „OR“ nicht identifizieren konnten. A. schilderte den Richtern des 5. Strafsenats, dass „OR“ ihn dazu motiviert habe, das Attentat in Mannheim zu verüben.

Vor dem ZDF hatte bereits am 23. März die englische Tageszeitung „The Telegraph“ berichtet, Mitarbeiter deutscher Geheimdienste gingen Spuren nach, wonach Russland hinter einer ganzen Reihe von Terroranschlägen stecke, die in den vergangenen Monaten in Deutschland von Asylbewerbern verübt wurden. Demnach hätten russische Geheimdienste gezielt versucht, psychisch kranke und/oder extremistische Asylbewerber anzuwerben, um Anschläge zu verüben und so Deutschland zu destabilisieren.

Moskaus Unterstützung für die AfD?

Ein Ziel sei es gewesen, so die Theorie der deutschen Nachrichtendienstler, die kremlfreundliche AfD zu unterstützen. „Einige dieser Angriffe ereigneten sich zu einem Zeitpunkt, als die Popularität der AfD einen Tiefpunkt erreichte“, zitiert die Zeitung einen geschützten deutschen Gesprächspartner. „Wir wissen, dass die Russen Agenten aus zweiter Hand einsetzen, kleine Leute auf der Straße, um zu verschleiern, wer dahintersteckt.“

In den zehn Monaten vor der Bundestagswahl am 23. Februar verübten mutmaßlich Asylbewerber und Flüchtlinge fünf Terroranschläge in Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg und München. Die Terrorwelle rückte das Thema Migration in den Mittelpunkt der Debatten im Wahlkampf. Auch deshalb, weil die meisten der Tatverdächtigen zum Zeitpunkt der Anschläge abgeschoben werden sollten.

Deutschland ist längst Russlands Schlachtfeld

Dem Journalisten des Telegraph sagte die deutsche Geheimdienstquelle, dass der russische Aspekt zu diesem Zeitpunkt nur eine Theorie sei: „Es ist interessant. Es könnte ein wenig Hilfe von außen gegeben haben, aber es gibt keine Beweise.“

Seit geraumer Zeit warnen deutsche Sicherheitsexperten davor, dass Deutschland massiv als Teil einer hybriden Kriegsführung von Russland angegriffen werde. So sagte der frühere Bundeswehr-Oberst und heutige CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter im September unserer Zeitung: „Wir befinden uns längst in einem Schattenkrieg mit Russland.“ Der Vorsitzende des für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz (Grüne) sagte einen Monat später unserer Zeitung: „Im Rahmen der hybriden Kriegsführung ist Deutschland zum Schlachtfeld Russlands geworden.“

Russlands Ziel: Deutschland zu destabilisieren

Russlands Ziel sei es, die Verbündeten der Ukraine zu destabilisieren und deren militärische Unterstützung für Kiew zu untergraben. „Die Verdichtung [der Anschläge – Red.] vor den Wahlen ist evident“, sagte von Notz den ZDF-Journalisten jetzt. Die von dem Sender jetzt durchgeführten Recherchen seien keine Beweise für eine russische Urheber- oder Mittäterschaft, aber Grundlage für mögliche Ermittlungsansätze. „Ich glaube, es ist völlig offensichtlich, dass diese digitalen Spuren, deren Auswertung und Analyse ein wichtiger Baustein dafür sein können, der Wahrheit deutlich näher zu kommen, und insofern sollte man das mit einbeziehen“, kommentiert der Politiker.

Auch bei möglichen Angriffen auf die kritische Infrastruktur fanden die Rechercheure Auffälligkeiten im Netz. So zum Beispiel im Fall des Brandes im DHL-Luftfrachtzentrum in Leipzig im Juli 2024. Inzwischen gehen auch deutsche Sicherheitsbehörden davon aus, dass Russland hinter dem Brand steckt.

Zum Artikel

Erstellt:
7. April 2025, 10:44 Uhr
Aktualisiert:
7. April 2025, 14:26 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen