Steinmetz engagiert sich für das Gedenken gefallener Soldaten
Der Backnanger Steinmetz hat schon als 14-Jähriger bei einem Kriegsgräbereinsatz auf dem elsässischen Soldatenfriedhof Baerenthal einen Gedenkstein zum Gedenken an die gefallenen Soldaten geschaffen. Diesem Engagement ist er sein ganzes Leben lang treu geblieben.
![Steinmetz engagiert sich für das Gedenken gefallener Soldaten Vor vielen Jahren schon hat Gerhard Groß dafür gesorgt, dass der Grabstein von Fritz Müller erhalten bleibt. Er war der Onkel der NS-Opfer Sophie und Hans Scholl. Foto: Alexander Becher](/bilder/vor-vielen-jahren-schon-hat-gerhard-gross-dafuer-gesorgt-353319.jpg)
© Alexander Becher
Vor vielen Jahren schon hat Gerhard Groß dafür gesorgt, dass der Grabstein von Fritz Müller erhalten bleibt. Er war der Onkel der NS-Opfer Sophie und Hans Scholl. Foto: Alexander Becher
Von Matthias Nothstein
Backnang. Das Gedenken an die gefallenen Soldaten der Weltkriege ist für Gerhard Groß ein ganz wichtiges Anliegen. Schon als Jugendlicher engagierte sich der heute 78-Jährige in der Pflege der Kriegsgräber, die er als Erinnerung und Mahnung der Nachwelt erhalten möchte.
Die Anfänge dieses Engagements gehen zurück auf das Jahr 1958, der zweite Weltenbrand lag erst wenige Jahre zurück. Damals zählte der 14-Jährige Steinmetzlehrling viele Gärtner aus Backnang zu seinem Freundeskreis. Als diese auf Initiative von Friedhofsaufseher Erich Barthau zu einem Arbeitseinsatz auf dem Soldatenfriedhof im elsässischen Baerenthal aufbrachen, schloss sich auch der junge Gerhard Groß an. Von seinem Vater hatte er die Erlaubnis und Freistellung aus dem elterlichen Betrieb für drei Wochen erhalten, „wenn du das machen willst, dann darfst du das“.
Auf dem Friedhof Baerenthal waren damals direkt neben der Kirche etwa 800 deutsche Soldaten bestattet. Ihre toten Körper waren in den letzten Kriegsmonaten aus der gesamten Region zusammengetragen oder aus provisorischen Ruhestätten umgebettet worden. In den Folgejahren kamen immer wieder Jugendgruppen aus Deutschland und richteten den Friedhof. So auch in dem Jahr, in dem Groß dabei war. Es galt, die wackligen Kreuze gerade zu stellen, Unkraut zu jäten und das Gras zu mähen.
Der Junge telefonierte nach Hause: Ich brauche Hammer und Meißel
Als der Steinmetz- und Bildhauerlehrling einen schönen Sandstein entdeckte, fragte er den örtlichen Pfarrer, ob er diesen zu einem Gedenkstein umwandeln dürfe. Der Geistliche gab ihm seinen Segen. Für die groben Arbeiten lieh sich Groß einen Pickel im Ort und glättete den Stein in mühevoller Kleinarbeit. Von einem benachbarten Hotel aus instruierte der Jüngling seinen Vater zu Hause: „Ich brauche Hammer und Meißel. Am Wochenende stößt der Ischinger Wolfgang zu unserer Gruppe dazu, gib ihm bitte mein Schrifthauerwerkzeug mit.“
Gesagt, getan. In den folgenden Tagen gestaltete der junge Steinmetz den Gedenkstein und haute die Inschrift ein: „Zum Gedenken der deutschen gefallenen Soldaten.“ Auf dem Stein wurde auch ein geschmiedetes Kreuz angebracht, das zuvor geputzt und gerichtet werden musste. Es wurde ein schönes Denkmal. Und als die örtliche Presse das Mahnmal ablichtete, drang die Kunde davon sogar nach Paris. Dort lasen die Tante und der Onkel von Groß die Geschichte und hakten ganz beeindruckt nach: „Bist du der Steinmetz aus Backnang, von dem da geschrieben steht?“
Eine schwierige Reise
Die Reise ins Elsass war so früh nach dem Weltkrieg kein Vergnügen. So wurden zum Beispiel die Zelte der 25 Backnanger Gärtner und Floristinnen eines Tages zerstört. Im Jahr zuvor waren sie sogar einmal angezündet worden. Doch auch das zarte Friedenspflänzchen zeigte erste Triebe. Nicht nur, dass der französische Pfarrer sie sehr wohlwollend aufnahm, auch der Hotelier würdigte das Engagement der Gruppe. Als diese wegen der zerstörten Zelte Unterschlupf in einem zerfallenen Haus suchte, bot er den Jugendlichen einen großen Raum zum Übernachten an. Und zum Abschied lud der Gastwirt die ganze Gruppe zu einem Gemeinschaftsessen ein.
Der Soldatenfriedhof von Baerenthal wurde 30 Jahre später aufgelöst, die Gefallenen auf den großen zentralen Soldatenfriedhof Bergheim umgebettet. Dort ruhen heute die Gebeine von 5309 deutschen Soldaten. Zur Eröffnung des Friedhofs wurde 1978 auch die Backnanger Delegation um Gerhard Groß eingeladen. Die Ansprache unter dem Motto „Gelöbnis für die Zukunft“ hielt Carlo Schmid, einer der Väter des Grundgesetzes. Er erinnerte damals an den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag aus dem Jahr 1963, der unter dem Zeichen des Friedens und der Brüderlichkeit stand. Schmids Worte sind heute aktueller denn je wenn er sagt: „Den Hinterbliebenen derer, die hier ihre letzte Ruhe fanden, wollen wir versichern, dass wir ihre Trauer ehren und mit ihnen fühlen. Wenn es einen Trost gibt, dann mag er darin gefunden werden, dass der Tod dieser Männer in den Überlebenden den Willen und die Entschlossenheit geweckt hat, alles zu tun, damit sich nicht wiederholen kann, was ihren Lieben den Tod brachte.“ Wer hören kann, der höre.
Vor drei Tagen erhielt er den Goldenen Meisterbrief
Gerhard Groß zumindest hat sich die Worte zu Herzen genommen. In all den Jahren kümmerte er sich um die Kriegsgräber auf dem Stadtfriedhof. Alle vier Jahre reinigte er sie, anfangs mit einer Bürste, später mit dem Dampfstrahler. Als der Waldfriedhof 1968 eröffnet wurde, stiftete Groß einen Gedenkstein, der nahe beim Eingang steht. Darauf eine Friedenstaube und die Inschrift: „Herr, ich warte auf dein Heil.“ Die Friedenstaube war das Meisterstück von Groß. Vor drei Jahren erhielt er den Goldenen Meisterbrief, der ihm wegen Corona erst dieser Tage ganz stilgerecht im Steinbruch Diener überreicht wurde.
Auch sein Sohn Axel tritt in die Fußstapfen seines Vaters. Sie reinigen immer wieder die Mahnmale in Waldrems, Maubach oder Schöntal. Gerhard Groß: „Ich habe das immer gerne gemacht. Nicht als Werbung, sondern um das Andenken der Gefallenen in Ehren zu halten.“
Stadtfriedhof Die Große Kreisstadt Backnang veranstaltet am Samstag, 12. November, um 16
Uhr am Mahnmal auf dem Backnanger Stadtfriedhof eine Feierstunde zum Gedenken an die Toten der beiden Weltkriege und an alle Opfer von Kriegen,
Gewaltherrschaft und Terrorismus. Die Feierstunde wird umrahmt vom Städtischen Blasorchester und den Chören des Liederkranzes und der Liedertafel Backnang. Oberbürgermeister Maximilian Friedrich hält die Ansprache, Dekan Wilfried Braun spricht die Worte zum Volkstrauertag und Lehrer und Schüler der Freien Waldorfschule Backnang sowie Klaus-Dieter Fackler vom Deutschen Roten
Kreuz Backnang die Gedenkworte. Die Reservistenkameradschaft legt einen Kranz nieder.
Weitere Feierstunden Am Sonntag, 13. November, um 10.30 Uhr findet eine Feierstunde auf dem Friedhof Maubach, um 11.15 Uhr eine weitere auf dem Friedhof bei der Kirche Waldrems und um 11.15 Uhr eine auf dem Friedhof bei der Aussegnungshalle Strümpfelbach statt. Die Ansprache in Maubach hält Ortsvorsteher Karl Scheib, in Waldrems Ortsvorsteherin Regina Konrad und in Strümpfelbach Ortsvorsteherin Siglinde Lohrmann.
Totensonntag Am Totensonntag, 20. November, um 9 Uhr findet in der Stephanus-Kirche in Steinbach ein Gedenkgottesdienst statt. Im Anschluss spricht Ortsvorsteher Andreas Rupp um 10 Uhr auf dem Friedhof Steinbach.