An der Rhein-Schleuse Iffezheim
„Jahrhundertunfall“ - Steuerfrau von Rheinschiff vor Gericht
Verletzt wurde niemand, doch der Schaden ist groß. Eine Steuerfrau soll auf dem Rhein alkoholisiert einen schweren Schiffsunfall verursacht haben. Nun sagt sie erstmals aus.
Von red/dpa
- Das Güterschiff „La Primavera“ fuhr laut Zeugen ungebremst auf ein riesiges Tor der Rheinschleuse Iffezheim: Ein gutes Jahr nach dem spektakulären Unfall steht die Steuerfrau vor Gericht. Die 50-Jährige sagte im badischen Kehl aus, sie sei damals bewusstlos gewesen. „Es gab einen Stoß, Rufe, dann kam ich zu mir“, berichtete die Angeklagte vor dem örtlichen Schifffahrtsgericht.
Sie räumte ein, am Tag der Havarie im vergangenen November Wein getrunken haben. Später sei bei ihr eine Herzkrankheit festgestellt worden. Der in den Niederlanden lebenden Frau wird von der Anklage vorgeworfen, das Schiff alkoholisiert gegen das Schleusentor manövriert zu haben. Die Blutalkoholkonzentration habe bei der Angeschuldigten zur Tatzeit mindestens 1,13 Promille betragen.
Zeuge: Beispielloser Unfall
Ein Beamter der Wasserschutzpolizei mit zwei Jahrzehnten Berufserfahrung sagte aus, einen Crash dieser Art habe er bisher nicht erlebt. „Das ist ein Jahrhundertunfall.“ An dem Bauwerk im baden-württembergischen Kreis Rastatt entstand nach Angaben der Ermittler damals ein Schaden von rund zwei Millionen Euro. Es muss komplett ausgetauscht werden, die neue Anlage soll diesen Dienstag eingebaut werden.
„Primavera, das Tor ist zu!“
Vor Gericht wurde auch der Funkverkehr an der Schleuse abgespielt. „Hey, Primavera, das Tor ist zu!“, rief ein Schleusenmitarbeiter, ohne dass vom Schiff eine Reaktion kam. Es gab demnach auch Warnungen per Sirene und Lautsprecher.
Ein Anwalt der Angeklagten sagte in der Verhandlung, es sei sehr bedauerlich, dass es zu dem Unfall gekommen sei. Die Steuerfrau berichtete, sie habe nach dem Aufprall auf das Schleusentor unter Schock gestanden und sei in ihre Kajüte zurückgekehrt. Dort habe sie zur Beruhigung wieder Wein getrunken. „So etwas ist mir noch nie zugestoßen“, sagte sie mit Blick auf den Unfall. „Es war ein Schock.“
Angeklagte: „Ich sollte aufpassen.“
Vor dem Aufprall sei sie gebeten worden, den sogenannten Trackpiloten zu übernehmen - dies ist ein System zur automatischen Führung von Schiffen. Sie habe sich im Steuerhaus der „La Primavera“ befunden: „Ich sollte aufpassen.“ Der Kapitän habe sie nach der Kollision mit dem Schleusentor gefragt, warum sie ihn nicht gerufen habe. „Ich weiß nicht, was passiert ist“, sagte die Polin laut einer Übersetzung ihrer Dolmetscherin. Die Strecke am Oberrhein habe sie gekannt.
Ein Polizist schilderte vor Gericht, dass eine diese Art von Steuerung von Schiffen auf dem vielbefahrenen Rhein durchaus üblich sei. „Bis Rotterdam fahren die autonom“, sagte er. Ein Schiffsführer müsse sich jedoch im Steuerhaus befinden. Bei Schleusen sollten Schiffe hingegen manuell manövriert werden.
Die Anklage lautet auf fahrlässige Gefährdung des Schiffsverkehrs. Verletzt wurde damals niemand. Im Fall einer Verurteilung drohen der Angeschuldigten eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe, wie die Anklagebehörde berichtet hatte.
Der Prozess findet vor dem Amtsgericht Kehl statt, das für den betreffenden Rheinabschnitt als Schifffahrtsgericht zuständig ist. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Offenburg am Rande des Prozesses berichtete, hatte sich die Frau vor der Gerichtsverhandlung nicht zu dem Unfall geäußert. Staatsanwalt Martin Seifert fragte mit Blick auf die vor Gericht geschilderte Erkrankung der Frau: „Warum erfahren wird erst jetzt davon?“