Stiller Protest auf den Feldern
Mit grünen Kreuzen ein Zeichen setzen – Landwirt Marco Holzwarth aus Aspach: „Man ist für viele nur der dumme Bauer“
Ein grünes Kreuz als stiller Protest der Landwirte: Marco Holzwarth aus Kleinaspach hat dieses Symbol auf dem Acker vor dem elterlichen Hof aufgestellt. Er sagt: Das Volksbegehren Artenschutz bedeutet das Ende für die Landwirtschaft, wie sie derzeit ist. Bauer Robert Trautwein aus Kirchberg beteiligt sich zwar nicht an dieser Aktion, hat aber durchaus Verständnis für die Landwirte, die es machen. Und das, obwohl er Bio-Landwirt ist und somit nicht ganz sodirekt vom Volksbegehren betroffen wie die konventionellen Landwirte.
Von Silke Latzel
ASPACH/KIRCHBERG AN DER MURR. Sie stehen mittlerweile fast überall: grüne Kreuze. Wer aufmerksam ist, sieht sie in Backnang, Aspach und Kirchberg an der Murr, in Auenwald, Burgstetten und Althütte. Sie sind „ein stilles Zeichen des Protests der Landwirte gegen das ,Volksbegehren Artenschutz – Rettet die Bienen‘“, erklärt Marco Holzwarth, ein junger Landwirt aus Kleinaspach. Er hat eines der grünen Kreuze aufgestellt, am Feld direkt neben dem elterlichen Betrieb, kurz vor der Ortseinfahrt nach Kleinaspach. „Wird das Volksbegehren mit all seinen Forderungen umgesetzt, werden hier bei uns die Ackerflächen verloren gehen, wir können nur noch Mais anbauen, weil nur noch das ohne Pflanzenschutzmittel geht.“
„Wenn ich mit dem Traktor auf der Straße fahre, hupen die Leute oder zeigen mir den Mittelfinger“
Seiner Ansicht nach würden viele Menschen dem Volksbegehren ihre Stimme geben, ohne überhaupt zu wissen, welche Auswirkungen es für die hiesigen Bauern hätte. „Die regionale Landwirtschaft bricht dann zusammen, der Salat wird dann aus China kommen“, so Holzwarth. Denn ohne Herbizide, Fungizide und Insektizide gehe es nun einmal nicht in der Landwirtschaft, sagt er. Auch ein generelles Verbot des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat hält er nicht für den richtigen Lösungsansatz. „Wir versuchen schon, so wenig wie möglich zu verwenden, die Mittel kosten uns ja auch Geld. Aber noch weniger geht nicht, weil es dann komplett wirkungslos wäre. Und beispielsweise im Weinbau ist das gar nicht möglich. Auf dem Acker oder im flachen Land kann man noch viel maschinell machen, ohne zu spritzen, aber in unseren Steillagen ist das einfach nicht möglich.“ Seiner Ansicht nach solle das Mittel dort verboten werden, wo es großflächig und unverhältnismäßig aufgebracht wird.
Das generelle Problem sei vor allem, dass die Arbeit der Landwirte bei der Bevölkerung heute gar nicht mehr geschätzt werde. „Wenn ich mit dem Traktor auf der Straße fahre, hupen die Leute zeigen mir den Mittelfinger. Man ist für viele nur der dumme Bauer, der die Straße blockiert. Die Menschen wissen gar nicht mehr, woher ihr Fleisch und ihr Gemüse kommt.“ Seiner Ansicht nach müsse dieses Wissen bereits im Kindergarten oder in der Schule vermittelt werden. „Kinder dürfen einfach nicht mehr denken, dass Kühe immer lila sind.“
Holzwarth ist deutlich: Auch wenn er sich entschieden hat, in die Fußstapfen seines Opas und seines Vaters zu treten und den Hof zu übernehmen, hat er Angst vor der Zukunft. Existenzangst. „Ich weiß ja nicht, wie es weitergehen wird.“ Über Facebook ist er auf die Aktion von „Bauer Willi“, dem Initiator der grünen Kreuze, aufmerksam geworden. „Ich und ein paar Kollegen haben dann entschlossen, auch diese Kreuze aufzustellen. Wir haben auch zwei in unserem Weinberg. Natürlich muss so etwas dort gemacht werden, wo es die Leute auch sehen und dann vielleicht drüber nachdenken, sonst bringt es ja nichts.“ Sein Wunsch: „Der Verbraucher soll regional einkaufen, das würde helfen. Und wenn wir Bauern schon Blumen für die Insekten anpflanzen, dann sollte man die nicht einfach abreißen und daheim in die Blumenvase stellen. Das geht halt nicht.“
Biolandwirt Robert Trautwein: Kleine Veränderungen statt Chemie bringen schon sehr viel
Robert Trautwein aus Kirchberg ist Biolandwirt. Er hat kein grünes Kreuz auf seinem Acker aufgestellt, kann das Anliegen der Bauern aus konventionellen Betrieben aber nachvollziehen. Mehr noch, er hat sogar ein gewisses Verständnis – und sieht, wie Holzwarth auch – vor allem die Verbraucher in der Pflicht. „Ganz klar, wir müssen mehr für eine umweltfreundliche Landwirtschaft tun. Aber nicht so, wie es in diesem Volksbegehren gefordert wird.“ Er ist sich sicher: „Mehr Bio zu produzieren, bringt gar nichts, wenn der Verbraucher kein Bio kauft. Stellt man das jetzt mit Gewalt um, bricht der Markt zusammen und es ist keinem geholfen.“ Er kenne viele Landwirte, die über eine Umstellung auf Bio nachdenken, aber derzeit unsicher sind. „Für große Betriebe, vielleicht sogar noch mit Viehhaltung, ist das sowieso viel schwieriger als für kleine.“ Trautwein hat seinen Betrieb vor 40 Jahren umgestellt – aus ökologischen, aber auch aus gesundheitlichen Gründen. „Mein Vorteil ist es, dass ich kein gelernter Landwirt bin. Ich bin nicht auf eine landwirtschaftliche Schule gegangen, auf der mir von Anfang an eingeredet wurde, dass Bio nicht funktioniert und alles nur mit Chemie geht. Ich war in meinem Lernen da sehr viel freier.“
Vielmehr müsse man einfach kleine Veränderungen vornehmen, um auf Chemikalien verzichten zu können. So werden seine Kartoffeln etwa im Gewächshaus vorgekeimt, kommen dann in die Erde und sind in der kritischen Zeit im Juli, „da kommt meistens die Kartoffelfäule“, schon so groß, dass sie bereit sind zur Ernte. „Oder unser Wintergetreide: Das säen wir nie vor November aus. Je kälter es nämlich ist, desto geringer ist das Risiko für Pilzkrankheiten und desto weniger Unkraut gibt es.“ Auch eine gute Fruchtfolge sei wichtig, vielleicht sogar das „ein und alles“.
Thema Glyphosat: Auch hier hat Trautwein eine klare Meinung: „Glyphosat schädigt die Knöllchenbakterien, die man zur Bodenverbesserung braucht. Und um ihre Wirkung zu ersetzen, braucht man dann wieder Dünger. Den man kaufen muss.“ Schlimm sei das allerdings vor allem in den USA, wo Glyphosat in den riesigen Monokulturen prophylaktisch eingesetzt werden würde – und in sehr viel größeren Mengen als in Deutschland üblich. „Das Problem ist: Das Volksbegehren unterzeichnen viele Menschen, die im Monat nicht dazu bereit sind, auch nur fünf Euro für Bio-Produkte auszugegeben. Und man sollte vielleicht auch mal darüber nachdenken, ob man wirklich jeden Tag Fleisch auf dem Teller haben muss.“ Viele schmackhafte und kreative Rezepte, die bei Trautweins auf den Tisch kommen, seien ohne Fleisch – und verblüffen immer wieder durch ihre Kreativität und den Geschmack.
Sein Appell an die Verbraucher ist derselbe wie bei Holzwarth: regional kaufen. Und sein Appell an konventionelle Landwirte: „Jeder Bauer sollte auf den Äckern Blühstreifen anlegen, die Lebensraum für Insekten bieten. So kann man der Natur eine ganz große Hilfe sein.“
Das „Volksbegehren Artenschutz – Rettet die Bienen“ fordert, dass die Landesregierung Öko-Landwirtschaft so fördern soll, dass bis 2025 ein Viertel und bis 2035 die Hälfte aller landwirtschaftlichen Flächen im Ländle ökologisch bewirtschaftet werden. Zudem soll der Einsatz von Pestiziden, die die Artenvielfalt gefährden, in besonders geschützten Gebieten verboten werden.
Die Landesregierung soll außerdem bis Anfang 2022 einen Plan vorlegen, wie der Anteil der mit Pestiziden belasteten Flächen im Land bis 2025 um die Hälfte reduziert werden kann. Auch der Schutz der Streuobstwiesen steht auf ihrer Agenda.
Mit einem Eckpunktepapier reagierte die Landesregierung Baden-Württemberg nun auf das Volksbegehren. Damit soll die biologische Vielfalt gestärkt und die bäuerliche Landwirtschaft mit ihrer regionalen Erzeugung gesichert werden.
„Bauer Willi“, der Initiator der Aktion der grünen Kreuze, ist der Landwirt Wilhelm Kremer-Schillings vom Niederrhein. Als bloggender „Bauer Willi“ hat er sich einen Namen gemacht: ein unabhängiger Landwirt, der offen und geradeaus über die Erfordernisse der modernen Landwirtschaft aufklärt und mit den Verbrauchern in Dialog tritt.
Die Kreuze mahnen gegen steigende Auflagenflut, überzogene Bürokratie, Dumpingpreise für Essen, ungebremsten Flächenverbrauch und unfaire Handelspolitik.
Die Landwirte fordern: fruchtbare Böden statt Beton, sichere Lebensmittel, die vor Krankheiten geschützt werden dürfen, dass Düngen nach Bedarf erlaubt wird und keiner Frist unterliegt, dass heimische Produkte gefördert werden statt „Fleisch aus Übersee“ und dass die bäuerliche Tierhaltung weiterhin existent bleibt.