Stoß vor Zug: Prozess muss teils neu verhandelt werden
dpa/lsw Karlsruhe. Der Prozess um den Stoß eines Mannes vor einen fahrenden Güterzug am Bahnhof Waghäusel (Kreis Karlsruhe) muss teils neu verhandelt werden. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag mitteilte, waren die Revisionen der Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Karlsruhe teilweise erfolgreich. Das Landgericht hatte einen 26-Jährigen im April dieses Jahres wegen Mordversuchs zu zehn Jahren Haft verurteilt - seinen 23 Jahre alten Bruder wegen unterlassener Hilfeleistung zu neun Monaten auf Bewährung.
Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass der Haupttäter aus Frust über seine Lebenssituation in Deutschland Ende Juli 2020 einen 54-Jährigen, der auf dem Bahnsteig wartete, unvermittelt ins Gleisbett gestoßen hatte. Mit Tritten und Schlägen hinderte er den Mann daran, wieder auf den Bahnsteig zu klettern, als ein Güterzug sich mit etwa Tempo 90 näherte. Das Opfer konnte sich in eine Lücke pressen und überlebte mit mehreren Brüchen. Der Anwalt des Haupttäters hatte auf eine mildere Strafe plädiert, weil er nicht von einem geplanten Mord seines Mandanten ausging. Die angeklagten Brüder aus Syrien hatten vor Gericht geschwiegen.
Der BGH hatte an den Feststellungen zum Tatgeschehen nichts zu beanstanden. Er sah die Schuldfähigkeit des Haupttäters aber nicht richtig beurteilt: „So wurde eine paranoide Schizophrenie nicht ausreichend untersucht, weil das Landgericht die Auffälligkeiten in seiner Lebensführung im Tatzeitraum nur unzureichend gewürdigt hat.“ Zudem sei eine sich aufdrängende mögliche drogeninduzierte Psychose nicht berücksichtigt worden. In der neuen Verhandlung müsse vor allem eine geistige Erkrankung eingehend geprüft werden - und damit auch, ob er in ein psychiatrisches Krankenhaus muss.
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