Stratege und Tempomacher im Rathaus
Maximilian Friedrich geht als klarer Favorit in die Oberbürgermeisterwahl am nächsten Sonntag. In Backnang kennt man ihn bisher nur als Wahlkämpfer, aber wie ist der einstmals jüngste Bürgermeister Deutschlands im Amt? Eine Spurensuche in Berglen.
Von Kornelius Fritz
BERGLEN/BACKNANG. Vor dem kleinen Gemüseladen an der Ortsdurchfahrt von Oppelsbohm hat sich eine Schlange gebildet. Wegen Corona darf immer nur ein Kunde in das Geschäft. Eine gute Gelegenheit, um mit den Wartenden über ihren Bürgermeister zu sprechen. Wie ist er denn so, der Herr Friedrich? „Als er kam, war ich skeptisch, weil er noch so jung war“, sagt eine ältere Frau mit Korb in der Hand, „aber er hat viel erreicht.“ Eine neue Sporthalle habe er gebaut, Kindergärten, ein Ärztehaus. „Er hat hier sehr viel aufgebaut“, bestätigt eine andere Kundin. Ihr Mann formuliert es weniger freundlich: „Er hat Berglen zugebaut.“ In einem sind sich die Leute vor dem Laden aber einig: Friedrich ist einer, der anpackt und das Ohr bei den Bürgern hat. Und zum runden Geburtstag habe er ihr persönlich einen Obstkorb vorbeigebracht, erzählt eine Seniorin.
25 Jahre und drei Monate alt war Maximilian Friedrich, als er am 1. Juli 2012 zum Bürgermeister von Berglen gewählt wurde. Damals war er Deutschlands jüngster Schultes, was ihm einige mediale Aufmerksamkeit bescherte. Die Zweifel, ob ein so junger Mann das überhaupt kann, hat er in der 6000-Seelen-Gemeinde zwischen Winnenden und Schorndorf schnell zerstreut. „Er ist ein akribischer Arbeiter. Ich habe ihn noch nie unvorbereitet erlebt“, sagt Oliver Klenk, der im Gemeinderat die Fraktion Freie Bürger Berglen anführt. Auch Felix Scherhaufer von der Bürgerlichen Wählervereinigung Berglen, der größten Gemeinderatsfraktion, beschreibt den Bürgermeister als sehr strukturierten Menschen, der immer einen klaren Plan verfolge.
Dieser Eindruck bestätigt sich beim Besuch im Rathaus: Im Büro des Bürgermeisters hängt eine Magnettafel, die in drei Bereiche unterteilt ist. „To do“, „doing“ und „done“ steht über den Feldern. „Das ist unser Kanban-Board“, erklärt Friedrich. In jedem Feld hängen Zettel mit Projekten. Beim Blick auf die Tafel sieht der Bürgermeister sofort, welches wie weit gediehen ist. Und Projekte gibt es in Berglen immer reichlich. Friedrichs Tempo sei von Anfang extrem hoch gewesen, sagen seine Gemeinderäte – manchmal vielleicht ein bisschen zu hoch für so eine kleine Gemeinde. Friedrich sieht das anders: Die Kommune, die vor 50 Jahren durch den Zusammenschluss von neun bis dahin selbstständigen Dörfern entstanden ist, sei bei seinem Amtsantritt im Dornröschenschlaf gelegen. Doch schon im Wahlkampf habe er das „Riesenpotenzial“ gesehen. Warum also unnötig Zeit verlieren?
Da war zum Beispiel die schlechte Internetanbindung in vielen der 21 Teilorte. Bürger erzählten Friedrich, dass sie mit dem Laptop im Auto in andere Ortsteile fahren, um ihre E-Mails abzurufen. Noch lange bevor sich im Rems-Murr-Kreis ein Zweckverband Breitbandausbau gründete, machte sich der junge Bürgermeister deshalb ans Werk, akquirierte Fördergelder und erarbeitete zusammen mit dem Fraunhofer-Institut eine Digitalisierungsstrategie. Die Gemeinde verlegte eigene Leerrohre und brachte damit die großen Telekommunikationsanbieter in Zugzwang. Heute surfen die Bewohner von Berglen selbst im kleinsten Weiler mit mindestens 100 Mbit pro Sekunde.
Bei einer Rundfahrt durch seine Gemeinde präsentiert Maximilian Friedrich weitere Meilensteine seines Wirkens. Zum Beispiel die schmucke Sporthalle am Ortseingang von Oppelsbohm. Sie ist dreimal so groß wie die alte, im Untergeschoss wurde eine Mensa für die benachbarte Schule untergebracht. Auch das Kleinspielfeld und der Spielplatz neben der Halle sind neu, und die Wege zur Schule wurden bei dieser Gelegenheit barrierefrei ausgebaut. Rund fünf Millionen Euro hat das Ganze gekostet, die Gemeinde musste aber nur vier Millionen selbst aufbringen. Das Finden und Anzapfen von Fördertöpfen sei eine der Spezialdisziplinen ihres Bürgermeisters, sagen seine Gemeinderäte.
Dass die Gemeinde seit 2016 schuldenfrei ist und es in den neun Jahren unter Friedrich keine Steuererhöhungen gab, hat allerdings noch einen anderen Grund. Berglen hat in den vergangenen Jahren beträchtliche Einnahmen durch den Verkauf von Bauland erzielt. Insgesamt vier neue Baugebiete wurden, seit Friedrich im Amt ist, erschlossen, was dem Bürgermeister auch Kritik eingebracht hat. „Bei ihm ist alles auf Wachstum ausgerichtet, die Nachhaltigkeit kommt dabei zu kurz“, findet Martin Schupp vom örtlichen BUND.
Maximilian Friedrich verweist hingegen auf die große Nachfrage nach Wohnraum im Ort: „Ich will, dass junge Familien hier wohnen bleiben können.“ Durch gezielte Ansprache und Unterstützung der Grundstückseigentümer sei es gelungen, drei Viertel der Baulücken im Ort zu schließen, doch ganz ohne Baugebiete im Außenbereich gehe es trotzdem nicht.
Aktuell stehen die Kräne und Bagger im Ortsteil Rettersburg: Auf knapp drei Hektar entsteht dort Wohnraum für rund 200 Menschen und ein neuer Kindergarten – der insgesamt siebte in der Gemeinde. Als Friedrich nach Berglen kam, waren nur noch drei in Betrieb. Den Gemeinderat hatte der Bürgermeister bei seinen Entscheidungen meist geschlossen hinter sich. „Herr Friedrich informiert uns sehr gut und sucht immer den Konsens“, lobt Susanne Reichart, Sprecherin der SPD offene Liste. Und auch Konflikte mit der Bürgerschaft hielten sich in Grenzen. „Ich glaube, wenn man Entscheidungen gut kommuniziert, kann man 80 bis 90 Prozent der Leute mitnehmen“, sagt Maximilian Friedrich.
Wechsel nach Backnang nähmen sie ihm in Berglen nicht übel.
Das liegt vielleicht auch am Charakter des jungen Bürgermeisters. Felix Scherhaufer sagt, dass dieser „immer geradeheraus, direkt und ehrlich“ sei. Dass Friedrich auf den ersten Blick etwas steif wirkt, hat ihm in Berglen nicht geschadet. Zumal sie ihrem Schultes bescheinigen, dass er seit seinem Amtsantritt schon lockerer geworden ist. „Als er kam, hatte er noch ein wenig die Attitüde des Klassenbesten“, sagt einer, der seinen Weg von Anfang an begleitet.
Neben den Großprojekten sind es auch viele kleine Dinge, auf die Maximilian Friedrich stolz ist: das offene Bücherregal vor dem Rathaus, das sanierte Backhäuschen in Öschelbronn oder der neue Trauplatz im Grünen. Auf einem einst völlig verwilderten Grundstück hat die Gemeinde auf Friedrichs Initiative den kleinen Platz mit der traumhaften Aussicht angelegt. Die Zahl der standesamtlichen Hochzeiten in Berglen hat sich seitdem verdoppelt. „Das ist das Tolle an meinem Beruf, dass man so viel gestalten kann“, schwärmt der 34-Jährige.
Künftig wird Maximilian Friedrich das höchstwahrscheinlich als Oberbürgermeister in Backnang tun. In Berglen hat niemand Zweifel, dass er dieser Aufgabe gewachsen ist. Und sie nehmen es ihm nicht übel, wenn er geht. Denn im Grunde haben die meisten schon immer geahnt, dass das Rathaus von Oppelsbohm ihrem zielstrebigen, jungen Bürgermeister irgendwann zu klein werden wird.