Streit um die Schulkindbetreuung

Tagesmütter sollen nicht mehr finanziert werden, wenn es eine kostenlose Schulbetreuung gibt – Eltern wehren sich

2018 hatte der Kreistags-Jugendhilfeausschuss beschlossen, dass für Schulkinder keine Tagesmutter mehr gezahlt wird, wenn es kostenlose schulische Betreuungsangebote gibt. Inzwischen gibt es heftige Gegenwehr vonseiten der Eltern. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

2018 hatte der Kreistags-Jugendhilfeausschuss beschlossen, dass für Schulkinder keine Tagesmutter mehr gezahlt wird, wenn es kostenlose schulische Betreuungsangebote gibt. Inzwischen gibt es heftige Gegenwehr vonseiten der Eltern. Foto: A. Becher

Von Pia Eckstein

WAIBLINGEN. Ärger bei der Kinderbetreuung: Im März 2018 hatte der Kreistags-Jugendhilfeausschuss beschlossen, dass für Schulkinder keine Tagesmutter mehr gezahlt wird, wenn es kostenlose schulische Betreuungsangebote gibt. Inzwischen gibt es heftige Gegenwehr vonseiten der Eltern. Die Änderung bedeute, dass gute Beziehungen zerschlagen würden und Kinder im schlechten Fall pro Tag durch mehrere Institutionen geschleust werden müssten.

Beschlossen wurde das Ganze schon Mitte März 2018. Die Änderungen bei der Kindertagespflege gingen damals im Jugendhilfeausschuss mit einer Stimmenthaltung durch. Beschlossen wurden 13 Maßnahmen, darunter Veränderungen bei den Zuzahlungen, die Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder durch Tageseltern zu zahlen haben. Zuerst tat sich dann gar nichts. Doch dann, ab Ende des Jahres, sorgte vor allem die Entscheidung, dass für Schulkinder zukünftig der Tageselternzuschuss vom Jugendamt nicht mehr gezahlt wird, wenn die Schule eine kostenlose Betreuung nach dem Unterricht anbietet, für Verwerfungen.

Ursprünglich war geplant, diese neue Regelung ab März 2019 durchzusetzen. Doch die Entscheidung wurde vom Kreisjugendamt Ende Dezember wieder rückgängig gemacht. In einem Brief an betroffene Eltern wird das damit erklärt, dass offenbar viele Familien die Informationen zu der neuen Schulkindregelung erst im Dezember bekommen hatten und nicht in der Lage waren, die Betreuung innerhalb der nicht einmal ganz drei Monate neu zu organisieren.

Der Staat will Betreuungszeiten

nicht doppelt finanzieren

Daher werde die neue Regelung erst zum 1. Oktober 2019 umgesetzt – ein Schulhalbjahr mehr Zeit für die Eltern, sich vor Ort über die Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu informieren und einen Platz zu organisieren. Doch selbst trotz dieses Zugeständnisses sind Eltern unzufrieden. Die Mutter jener kleinen Grundschülerin etwa, die seit acht Jahren zu ihrer Tagesmutter geht. Sie mache dort ihre Hausaufgaben, es sei ein gewachsenes Verhältnis, alles laufe bestens. Warum solle so etwas auseinandergerissen werden? Warum eine funktionierende Beziehung zerstören? Die Mutter zitiert Kultusministerin Susanne Eisenmann, die im Juli 2018 auf einem Fachtag die Wahlfreiheit der Eltern in Bezug auf die Betreuung ihrer Kinder betonte. Doch damals ging es nur um Ganztagsschule oder Hort. Warum gehört, fragt die Mutter, die Betreuung durch Tageseltern nicht dazu? Sie habe nie die Ganztagsschule für ihre Tochter gewollt, sagt die Mutter. Doch sie habe offensichtlich keine Wahlfreiheit. Denn einen Hort gibt es für sie nicht.

Doch auch die Ganztagsschule löst das Betreuungsproblem dieser Familie nicht. Denn die schließt ihre Pforten Stunden, bevor Mutter und Vater von der Arbeit zurückkommen. Das heißt: Das Kind müsste nach der Ganztagsschule doch noch zur Tagesmutter gehen. Zu dieser Uhrzeit aber könnte die Tagesmutter die Kleine nicht von der Schule abholen, sondern das Mädchen müsste von der Schule zum Bahnhof laufen und allein mit der S-Bahn ins nächste Dorf fahren. Ist das zumutbar? Und ist es sinnvoll, dass ein Kind, nachdem es am Morgen das Zuhause verlassen hat, mehrere verschiedene Institutionen durchlaufen muss, bis der Tag rum ist? Wollte die Familie das nicht, müsste das Mädchen mehrere Stunden am Nachmittag allein zu Hause bleiben. Ist das zumutbar? Das Kreisjugendamt weist darauf hin, dass es schlicht darum geht, Doppelfinanzierungen, die letztlich vom Steuerzahler getragen werden müssen, zu vermeiden. Kindertagespflege sei nicht verboten. Doch sie werde nicht mehr parallel zu kostenfreien schulischen Angeboten finanziert, in die die Schulen ja auch viel Geld gesteckt haben. Das heißt für die Familie des Grundschulkindes: Wenn die Ganztagsschule nicht gewünscht wird, kann das Mädchen auch so, wie immer, mittags von der Tagesmutter abgeholt werden. Doch die Stunden, während derer das Ganztagsangebot der Schule läuft, müssen dann aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Erst wenn die Schule schließt, werden die Kosten für die Tagesmutter wieder übernommen.

Kindertagespflege, so das Kreisjugendamt, richte sich laut Sozialgesetzbuch vorrangig an Kinder unter drei Jahren. Auf der Internetseite des Kultusministeriums zu den Ganztagsschulen heißt es, das Land habe 158 Millionen Euro in deren Ausbau investiert. Für Kinder im schulpflichtigen Alter sei daher nach dem Sozialgesetzbuch VIII „ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten“.

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Erstellt:
5. Februar 2019, 06:00 Uhr

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