Streit um Sturmgewehr-Auftrag: Haenel zieht vor Gericht

dpa/th Suhl/Düsseldorf. Seit sechs Jahrzehnten beliefert Heckler & Koch die Bundeswehr mit Sturmgewehren. Geht es nach einem kleinen Konkurrenten aus Suhl, ist bald Schluss damit: Die Firma C.G. Haenel will unbedingt einen Großauftrag haben - und zieht juristisch alle Register.

Ein Firmenschild weist auf den Waffenhersteller C.G. Haenel hin. Foto: Michael Reichel/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild

Ein Firmenschild weist auf den Waffenhersteller C.G. Haenel hin. Foto: Michael Reichel/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild

Trotz Rückschlägen ist der Waffenhersteller C.G. Haenel weiterhin fest davon überzeugt, bei einem Sturmgewehr-Großauftrag des Bundes das Rennen zu machen. Nach einer für die Firma negativen Entscheidung des Bundeskartellamts habe man Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt, sagte Haenels Finanzchef Swen Lahl in Suhl. „Wir haben nichts falsch gemacht und sind weiterhin absolut überzeugt, in dem Vergabeverfahren das beste und wirtschaftlichste Angebot abgegeben zu haben.“

Das Bundesverteidigungsministerium hatte Haenel im März wegen möglicher Patentrechtsverletzungen von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen, in dem es um 120 000 Sturmgewehre für die Truppe geht - ein prestigeträchtiger Auftrag, der im Werben um andere Kunden eine Art Aushängeschild werden könnte. Statt Haenel soll der große Konkurrent Heckler & Koch aus Baden-Württemberg den Zuschlag bekommen. Gegen den Verfahrensausschluss ging Haenel vor, zog vor der Vergabekammer des Bundeskartellamts unlängst aber den Kürzeren. Mit dem OLG Düsseldorf geht es nun in die nächste Instanz.

Bis die dortigen Richter ein Machtwort sprechen und den Rechtsstreit beenden, dürfte es dauern: Nach Angaben einer Gerichtssprecherin ist der Verhandlungstermin für den 2. März 2022 geplant. „Mit einer Entscheidung des Gerichts rechne ich erst im zweiten Quartal 2022“, sagt Lahl. Bis danach der Bund seine finale Entscheidung bekanntgibt und der Bundestag die Haushaltsmittel absegnet, dürfte es nach den Worten von Lahl Ende 2022 sein. Anschließend würden 400 Erprobungswaffen hergestellt, welche die Bundeswehr unter unterschiedlichen Bedingungen testet. Erst wenn das abgeschlossen ist, folgt der nächste Schritt: „Wer auch immer den Zuschlag bekommt - die Serienproduktion dürfte erst 2024 beginnen.“ Das wäre etwa zwei Jahre später als zunächst angenommen.

Den Vorwurf der Patentverletzung weist Firmenchef Olaf Sauer zurück. Es geht um drei Bohrungen im Gewehr, die bei der von Haenel angebotenen Waffe MK556 nach Firmenangaben allerdings nicht vorhanden sind - es könne also gar keine Patentverletzung vorliegen. Heckler & Koch beruft sich mit Blick auf ein anderes Haenel-Modell auf ein Patent, das aus Sicht von Haenel aber nichtig ist. Zu den Bohrungen streiten die Firmen in zwei unterschiedlichen Verfahren vor dem Düsseldorfer Landgericht und vor dem Bundespatentgericht in München.

Außerdem gibt es noch Bedenken, ob das Magazin, das Haenel für das MK556 verwendet, ein anderes Patent verletzt. Auch diese Bedenken hält Sauer für ungerechtfertigt: „Wir haben eine schriftliche Vereinbarung mit der US-Firma Magpul, dass wir das Magazin benutzen dürfen.“ Dritter Knackpunkt in dem Streit ist die Frage, ob am Ende der Angebotswertung ein vergaberechtlicher Fehler gemacht wurde. So sehen es die Kartellamts-Richter. Haenel-Chef Sauer sieht hingegen keinen Fehler. „Ich bin zuversichtlich, dass die Richter am Düsseldorfer Oberlandesgericht uns Recht geben werden.“

Haenel ist eine Tochterfirma des Jagdwaffen-Unternehmens Merkel, beide Firmen nutzen dasselbe Werk. Laut Bundesanzeiger hat Haenel nur neun Mitarbeiter. Ist die Firma nicht viel zu klein für so den angestrebten Bundeswehr-Großauftrag? Hierzu sagt Sauer: „Haenel und Merkel arbeiten Hand in Hand, insgesamt haben wir 135 Mitarbeiter.“

Pro Jahr stelle man etwa 25 000 Rohre für Gewehre her. „Käme der Bundeswehr-Auftrag, so liefe der über sieben Jahre - also rund 17 000 Rohre pro Jahr zusätzlich“, sagt Sauer. „Das wäre gut machbar.“ Man würde etwa 30 zusätzliche Arbeitskräfte einstellen und zwei Schmiedemaschinen vom Zwei-Schicht-Betrieb auf Drei-Schicht-Betrieb hochfahren. „Wir haben hier genug Platz, genug Maschinen und die zusätzlichen Fachkräfte bekämen wir auch.“

Merkel inklusive Haenel gehörte vor eineinhalb Jahrzehnten zu Heckler & Koch, 2007 wurde es an einen Staatskonzern aus den Vereinigten Arabischen Emirate verkauft. Firmenchef Sauer bewertet das im Rückblick positiv: „Wären die arabischen Gesellschafter damals nicht gekommen, gäbe es uns heute hier gar nicht mehr.“ Die arabischen Eigentümer hätten Investitionen in insgesamt zweistelliger Millionenhöhe ermöglicht, wodurch die Produktion modernisiert worden sei. Merkel/Haenel gehört zum arabischen Rüstungsunternehmen Caracal.

Mal angenommen, Haenel bekäme den Großauftrag für die 120 000 Sturmgewehre - hätten die Vereinigten Arabischen Emirate dann nicht Einfluss auf die Bewaffnung der Bundeswehr? Manager Sauer hält wenig von so einer Befürchtung. „Wir arbeiten selbstständig und autark von unseren arabischen Eigentümern.“ Einen Technologietransfer dürfe es auch wegen der geltenden Ausfuhrbestimmungen nicht geben und den werde es absolut nicht geben. „Unsere arabischen Eigentümer kommen zur Gesellschafterversammlung und wir besprechen Finanzielles - operativ lassen sie uns freie Hand.“

Caracal stellt ebenfalls Sturmgewehre her und hofft derzeit auf einen Großauftrag aus Indien. Haenel-Chef Sauer betont, dass es zwischen Haenel und Caracal keine gemeinsamen Entwicklungen oder Hilfestellungen gebe. „Das ist eine völlig andere Firma.“

Merkel inklusive Haenel kam nach Firmenangaben im Jahr 2020 auf einen Umsatz von 19 Millionen Euro, zum Gewinn wurden keine Angaben gemacht. 70 Prozent des Geschäfts sind Jagdwaffen, 30 Prozent Waffen für verschiedene Polizeikräfte und Armeen. Haenel beliefert zum Beispiel die Kommando Spezialkräfte (KSK) mit Scharfschützengewehren. Die Stückzahlen bei solchen Verträgen sind gering. Die Sturmgewehr-Vergabe wäre der mit Abstand größte Auftrag, den Haenel je bekommen hat. Geschäftsführer Sauer, der schon seit 2003 in der Firma tätig ist, sagt hierzu: „Wir haben die nötigen Kapazitäten.“

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Ein Schild mit drei Firmennamen steht vor dem Werk einer Thüringer Waffenschmiede. Foto: Wolf von Dewitz/dpa-Zentralbild/dpa

Ein Schild mit drei Firmennamen steht vor dem Werk einer Thüringer Waffenschmiede. Foto: Wolf von Dewitz/dpa-Zentralbild/dpa

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Erstellt:
22. Juli 2021, 11:52 Uhr

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