Stubenheizer und Backofen in einem
Im Foyer des Carl-Schweizer-Museums steht nun ein gusseiserner Ofen mit Platten aus verschiedenen Epochen, der einst in einem uralten Eckhaus an der Brunnen- und Helfergasse in Murrhardt stand.

Seit den 1960er-Jahren war der gusseiserne Ofen im Magazin des Museums eingelagert, nun ist er restauriert und ausgestellt. Foto: E. Klaper
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Immer wieder gibt es „neue“, sprich historisch interessante Objekte im Carl-Schweizer-Museum zu entdecken. So steht seit Kurzem im Foyer gleich links neben dem Eingang und dem Durchgang in die neue stadtgeschichtliche Abteilung das Prachtexemplar eines gusseisernen Ofens. Er weist kunstvoll verzierte Platten und eine wunderschöne, ornamental verzierte „Krone“ als Abschluss auf und stammt aus einem Gebäude, das einst nur einen Katzensprung vom „Haus für Natur und Geschichte“ entfernt war.
„An der Ecke zwischen der Brunnen- und Helfergasse stand bis um 1960 ein uraltes Haus, dessen massiver, festungsartiger Unterbau meterdicke Mauern hatte“, erzählt Seniormuseumschef Rolf Schweizer. Er nimmt an, dass dieses Untergeschoss der Rest eines im Spätmittelalter außerhalb der Stadtmauern erbauten Wehrturms ist. Im Haus darüber wohnte Waldarbeiter Fritz Straub, der im Wald Brennholz machte, die „Stumpen“ – also die Baumstümpfe – mit Schießpulver aus dem Boden sprengte und an arme Leute verkaufte.
Als das Haus infolge des Zündelns abgebrannt war, informierte Straub Vater Egon und Sohn Rolf Schweizer über den Ofen, den er ihnen als historisches Stück fürs Museum anbot. „Wir gingen in die Brandruine und besichtigten den Ofen. Ich hielt ihn für ein Stück aus der Zeit zwischen 1650 und 1700, dabei war er repariert und die Teile stammen aus unterschiedlichen Epochen“, erinnert sich Rolf Schweizer. „Der Sockel und die Ofensteine sind klassizistisch, die Seitenplatten des breiten Hauptkastens mit Barock- und Rokokoornamentik stammen aus der Zeit um 1770, also kurz nach dem Stadtbrand. Die vordere Platte zeigt einen Schuljungen und ist von 1823, die Platten des oberen Kastens mit antikisierenden Figuren sowie die Ofenkrone sind aus der Zeit um 1840“, hat Museumsleiter Christian Schweizer recherchiert.
Erst bei Aufräumarbeitenkommt der Ofen wieder zutage
„Der ursprüngliche Ofen wurde möglicherweise beim Stadtbrand beschädigt und ergänzt durch neuere Teile, wie es damals bei den armen Leuten üblich war.“ Bald danach habe man die Brandruine abgebrochen: „Das ist schade, denn dies wäre das älteste Haus in Murrhardt gewesen“, bedauert Rolf Schweizer. „Da Straub den Ofen abbauen lassen musste, wofür der Ofensetzer auch noch Geld sowie das Altmetall von ihm verlangte, kam er auf die Idee, den Ofen dem Museum zu überlassen, und mein Vater baute ihn kostenlos ab, damit war beiden geholfen“, ergänzt Christian Schweizer.
Seit den 1960er-Jahren im Magazin des Museums eingelagert, kam der Gusseisenplattenofen erst bei den Aufräumarbeiten nach dem Umbau wieder zutage. „Heute können sich die meisten Leute nicht mehr vorstellen, was das für ein Ofentyp ist: Man nutzte ihn in doppelter Funktion als Stubenheizung, was durch die Wand hindurch von der Küche aus geschah, und als Backofen. Diese Öfen gab es seit etwa 1550, die Gestaltung der Platten diente als Medium, um die politische und religiöse Zugehörigkeit zu zeigen, und kunstvoll gestaltete Öfen galten als Prestigeobjekte“, erklärt Christian Schweizer. Die älteren Platten des Exponats fertigte die alte württembergische Gießerei Königsbronn, die neueren die Gießerei Wasseralfingen: Beide vereinigte man 1804/05 zu den Schwäbischen Hüttenwerken. Die vordere Platte des Hauptkastens aus der Epoche der Romantik und des Biedermeiers zeigt einen lesenden, auf dem Stuhl schaukelnden Jungen. „Der lesende Knabe“ ist Teil der 1823 kreierten Serie der vier lesenden, rechnenden, musizierenden und schreibenden Knaben von Modelleur Conrad Weitbrecht (1796 bis 1836), künstlerischer Leiter und Ziseleur der Hütte Wasseralfingen.
Zeitgeist des Aufschwungs nach den Napoleonischen Kriegen
„Das Motiv war eigentlich für Schulöfen im Königreich Württemberg gedacht“, erzählt Christian Schweizer. Weitbrecht war auch berühmt für seine Szenen verschiedener Berufe, aus der Landwirtschaft sowie von Kindern und Jugendlichen. Weitbrechts Nachfolger Christian Plock (1809 bis 1882) gestaltete die Platten des oberen Kastens. Die Vorderplatte zeigt eine Allegorie: ein junger Mann im antikisierenden Stil mit Früchtekorb, Blumen im Haar und Kranz als Symbol für Erfolg und Wohlstand. An der Seite, vom Eingang gesehen aus links, ist ein ähnlich gestalteter junger Mann von der Ernte kommend mit altgriechischem Helm, Garbenbündel und Sichel dargestellt als Allegorie für Arbeit und Fleiß, Tugenden des gebildeten Bürgertums.
So „spiegelt der Ofen den Zeitgeist des Aufschwungs nach den Napoleonischen Kriegen und den Hungerjahren um 1816/17 wider“. Die Ofenkrone aus fein ineinander verschlungenen symmetrischen, klassizistischen Ornamenten hat Christian Schweizer ergänzt, wobei ihm ein glücklicher Zufall zu Hilfe kam: „Schreinermeister und Stadtrat Markus Blank wusste, dass in Steinberg ein Originalofen ähnlicher Art in einem Bauernhaus steht. Von diesem habe ich die Krone abgegossen und auf den oberen Kasten montiert“, berichtet der Museumsleiter. Und unter dem Ofen liegt ein von Egon Schweizer präparierter, beim Aufräumen vor drei Jahren aus dem Schutt geborgener Jagdhund aus der Familie von Walter Mauser, einst Leiter der Murrhardter Zeitung.
Dank einer privaten Spende konnte der Gusseisenplattenofen restauriert werden. Das war sehr aufwendig und umfasste rund 30 Arbeitsstunden, wovon Christian Schweizer die meisten in Eigenleistung erbrachte, die Kosten überschritten einen vierstelligen Betrag. „Da der Ofen schwer ist, benötigte ich Hilfskräfte: Beim Transport, Entrosten und Säubern haben mich Fachleute, sprich Handwerker unterstützt, dazu Ehrenamtliche, Bekannte und Freunde.“ Der Museumsleiter schildert, wie die Restaurierung ablief.
Zuerst holte das Team den Ofen aus dem Magazin, reinigte alle Teile und behandelte sie mit einem Glasperlenstrahlengerät von einer Firma in Oppenweiler. Für den Aufbau war ein Innengerüst aus Holz erforderlich, wobei Mitarbeiter eines Murrhardter Schreinerbetriebs mit anpackten. Auf alle Teile trug das Team Rostschutz und Farbfassungen auf, es folgte der Abguss der Ofenkrone und den Abschluss bildeten diverse Feinarbeiten. Der Museumsleiter plant, das Foyer noch weiter mit verschiedenen historischen Exponaten auszustatten. Und ab Karfreitag, 15. April, sind wieder alle Abteilungen des Carl-Schweizer-Museums für Besucher geöffnet.