Südwesten fällt bei Bildungsranking zurück
dpa/lsw Berlin/Stuttgart. Eine Studie attestiert dem Südwesten nur geringe Verbesserungen bei der Qualität der Bildung. Im Ländervergleich fällt das Land weiter zurück. Potenzial sehen Experten vor allem in einem Bereich.
In Sachen Bildung gehört Baden-Württemberg nicht mehr zu den Musterschülern. In einem Ländervergleich rückt der Südwesten aus Sicht der wirtschaftsnahen „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) weiter nach hinten. Beim jährlichen Bildungsmonitor landete der Südwesten nur noch auf Platz sechs - nach Platz fünf im Vorjahr. Die Corona-Krise habe in allen Bundesländern Schwachpunkte der Bildungssysteme offengelegt, hieß es am Mittwoch. Wie groß der erstandene Schaden sei, werde erst in den kommenden Jahren in vollem Umfang erkennbar werden.
Trotz leichter Verbesserung sieht die vom Institut der deutschen Wirtschaft erstellte Studie Baden-Württemberg mittlerweile in einer schlechteren Position im bundesweiten Ländervergleich. Die Autoren sehen zwar Fortschritte bei der Digitalisierung der Schulen im Land. Es gebe bundesweit aber „gravierende Lernrückstände“ bei über der Hälfte der Schülerinnen und Schüler, wie eine Befragung von Lehrkräften gezeigt habe. Die Zahl der Studienanfänger ging im Südwesten während der Pandemie demnach stärker zurück als im Bundesdurchschnitt. Laut Wissenschaftsministerium ist dies vor allem auf den hohen Anteil von dualen Studierenden zurückzuführen. Sie kamen durch die Pandemie schwerer an Ausbildungsverträge bei Unternehmen - diese sind aber Bedingung für ein duales Studium.
STÄRKEN: Exzellent schneidet der Südwesten vor allem bei der dualen Ausbildung im Betrieb und in der Berufsschule ab. Deren Absolventen im Land haben demnach mit 94,1 Prozent die höchste Erfolgsquote aller Bundesländer. Der Bundesschnitt beträgt 90,5 Prozent. Zudem sei die Abbrecherquote unter den Auszubildenden in Baden-Württemberg mit 26,2 Prozent die geringste in ganz Deutschland (Bundesdurchschnitt: 30 Prozent). Auch das Durchschnittsalter der Erstabsolventen eines Studiums ist mit 25,1 Jahren hierzulande so gering wie in keinem anderen Bundesland (Bundesdurchschnitt 25,9).
POTENZIAL: Verbesserungsbedarf sehen die Bildungsexperten vor allem bei der Förderinfrastruktur. Auch wenn sich das Land im Vergleich zum Vorjahr im Bereich der Förderung verbessern konnte, sei der Anteil der Kinder zwischen drei und sechs Jahren in einer Ganztagsbetreuung in Baden-Württemberg (25,2 Prozent) der niedrigste in ganz Deutschland (Bundesschnitt: 47,6 Prozent). Potenzial hat der Südwesten demnach auch beim Fremdsprachenunterricht für Berufsschüler. Deren Anteil lag zuletzt mit 21,2 Prozent deutlich unter dem bundesweiten Schnitt von 35,3 Prozent.
RANKING: Primus beim jährlichen Vergleich der Bildungssysteme in Deutschland bleibt Sachsen. Der Freistaat landet aus Sicht der INSM wie in den Vorjahren auf Platz eins, vor Bayern, Hamburg und Thüringen. Schlusslicht in der Rangliste ist Bremen, hinter Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Berlin.
CORONA: Die Pandemie wird auch weiterhin ihre Spuren hinterlassen, schätzen die Macher der Studie, die Aussichten seien eher schlecht. Wegen der Bundesnotbremse hätten die Schulschließungen die baden-württembergischen Kreise hart getroffen. Eine Befragung von Lehrkräften zeige, dass bundesweit jeder zweite von ihnen gravierende Lernrückstände bei über der Hälfte der Schülerinnen und Schüler feststellt. Die Eltern waren in Baden-Württemberg „alles in allem“ in ähnlichem Maße wie der Bundesdurchschnitt mit den Lernangeboten im Schuljahr 2020/2021 zufrieden. Im Verhältnis Angebot und Nachfrage sei das Ausbildungsjahr 2020/2021 im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert gut gewesen.
REAKTIONEN: Einen Kurswechsel bei der Schulfinanzierung fordert SPD-Fraktionschef Andreas Stoch: Das Abrutschen bei der Förderinfrastruktur für die Schulen zeige, dass mehr Geld für die Schulen und Kitas bereitgestellt werden müsse. Für die FDP forderte deren bildungspolitischer Sprecher Timm Kern „frei von Ideologie die Stärkung der Haupt-, Werkreal- und Realschulen anzugehen“. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sagte, es sei bekannt, dass das Potenzial bei der Ganztagsbetreuung verbessert werden müsse. „Wir haben uns im Koalitionsvertrag die Aufgabe gegeben, den Ganztag in Baden-Württemberg weiterzuentwickeln. Diese Aufgabe gehen wir an“, sagte die Ministerin.
In der Studie wird nach INSM-Angaben „explizit eine bildungsökonomische Sichtweise eingenommen.“ Es geht zum Beispiel darum, inwieweit das jeweilige Bildungssystem zur Fachkräftesicherung beiträgt, aber auch um Bildungsgerechtigkeit, also den Zugang zu Bildung. Verglichen werden Ergebnisse aus Vergleichstests von Schülerinnen und Schülern, aber auch statistische Daten, etwa wie viel Geld ein Land pro Schüler ausgibt, wie das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern oder wie hoch der Anteil jüngerer Lehrer ist. Auch Schul- und Azubi-Abbrecherquoten werden untersucht.
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