„Stunde der Wintervögel“: Wie das Beobachten von Vögeln Freude bringt
Mit der Aktion „Stunde der Wintervögel“ lädt der Nabu und der Landesbund für Vogel- und Naturschutz ab heute zum Zählen von Vogelarten auf. Die Vorsitzende der Nabu-Ortsgruppe Backnang erklärt, was es damit auf sich hat und was sie schon alles in ihrem Garten beobachten durfte.
Von Anja La Roche
Backnang. Ein Zaunkönig landet auf einem Stein. Der kleine, braune Vogel bedient sich genüsslich an dem Futter, das Anja McGrath dort verteilt hat. Ein Fettfutter, das aus Haferflocken, Fett, Nüssen und Sonnenblumkernen besteht. Im Busch dahinter tummelt sich gleich eine ganze Bande Feldsperlinge. Das bunte Treiben der Vögelchen kann die Backnangerin ganz entspannt von ihrem Wohnzimmer aus beobachten. Auf dem Esstisch vor ihr liegt ein Fernglas parat. So kann es losgehen mit der diesjährigen „Stunde der Wintervögel“, zu welcher der Naturschutzbund (Nabu) und der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) aufrufen. Ein jeder ist dazu eingeladen, sich dieses Wochenende an der bundesweiten Vogelzählung zu beteiligen (siehe Infotext).
Das hobbymäßige Beobachten von Vögeln wird auch „Birding“ genannt. Bei Anja McGrath, der Vorsitzenden des Nabu in Backnang, hat es vor etwa zehn Jahren angefangen. Als sie auf dem Balkon saß, kam ein Specht herangeflogen. Die Backnangerin wunderte sich über seinen roten Kopf. Bis sie herausfand, dass es sich um einen sogenannten Mittelspecht handelt. Seitdem hat sie immer mehr Vogelarten kennengelernt. Noch gut erinnert sie sich etwa an eine Vogelführung, bei der sie zum ersten Mal den lauten Gesang eines Grünspechts hören konnte.
Mit einigen Apps lassen sich Vögel anhand ihres Gesangs zuordnen
Mit dem Beobachten von Vögeln einher geht ein wachsendes Wissen über die Artenvielfalt in der Natur. Das ist auch der Grund, warum es die „Stunde der Wintervögel“ gibt. „Das ist vom Nabu eine Aktion, damit sich die Menschen mal mit den Vögeln in ihrem Garten beschäftigen“, erklärt McGrath. Außerdem würden die gesammelten Daten genutzt, um zu dokumentieren, wie sich die Anzahl der Vogelarten grob entwickelt.
Wer sich an der Aktion beteiligen will, dem empfiehlt McGrath, sich mit dem Aussehen der häufigsten heimischen Vogelarten auseinanderzusetzen. Informationen dazu findet man beispielsweise auf der Webseite und in der App des Nabu. Mit einigen Apps lassen sich inzwischen sogar Vögel anhand ihres Gesangs zuordnen. McGrath empfiehlt die App Merlin, die sehr zuverlässig die richtige Vogelart nenne.
Dann heißt es: Beobachten, beobachten, beobachten. Dafür eignen sich logischerweise Orte, an denen sich viele Vögel aufhalten, also überall dort, wo das Futterangebot reichlich ist. McGrath empfiehlt in Backnang den Waldfriedhof, die Waldränder, Streuobstwiesen und Biotope wie die Pfaffenrinne oder die Weißachauen. Auch im Wald lassen sich die gefiederte Freunde beobachten, dort halten sich andere Arten wie die Tannenmeisen, der Schwarzspecht oder der Waldkauz auf. „Aber da muss man sich schon besser auskennen.“
Besonders aktiv seien die Vögel derzeit über die Mittagszeit und kurz vor der Dämmerung. Und mit etwas Glück könne man auch Wintergäste beobachten, die aus dem fernen Norden und Osten hierzulande überwintern. Bergfinken beispielsweise seien schon öfter in ihrem Garten herumgeflattert, erzählt McGrath. Der etwa 15 Zentimeter große Vogel hat einen weißen Bauch und einen orange-roten Hals. Der Kopf des Männchens ist schwarz, der des Weibchens in einem helleren Braunton. McGrath liebt es, in ihrem Garten zu beobachten, wie ein Schwarm Buchfinken sich mit einem heimischen Finkenschwarm vermengt. Aber auch Erlenzeisige mit hellgrünem Gewand seien schon in großen Gruppen in ihrem Garten aufgekreuzt. „Die gibts hier zwar auch, aber es kommen auch Erlenzeisige als Wintergäste her.“
Rotkehlchen singen das ganze Jahr durch
Um die zahlreichen und vielfältigen Vogelarten besser kennenzulernen, eigne sich auch eine Vogelführung. Beim Nabu Aspach beispielsweise würden zwei Männer Führungen anbieten, die sich besonders gut auskennen, erzählt die Backnangerin. Ansonsten gilt: Einfach mal aus dem Fenster schauen. Oder beim Spazierengehen die Augen offen und die Ohren gespitzt halten. „Gerade die Rotkehlchen singen das ganze Jahr durch“, sagt McGrath. Bei Regen trifft man allerdings weniger Vögel an, weil diese sich dann lieber einen gemütlichen Unterschlupf suchen.
Besonders gut lassen sich Vögel beobachten, wenn man sie mit Futter anlockt. Viele Menschen haben deshalb ein Futterhäuschen und eine Wasserschale in ihrem Garten aufgestellt. Wichtig ist laut McGrath aber, dass die Vogelfütterung nicht mit einem effektiven Schutz bedrohter Vogelarten verwechselt wird. Denn von dem bereitgestellten Futter profitieren meistens nur die weniger bedrohten Arten. Viel wichtiger sei es, seinen Garten so zu gestalten, dass er viele natürliche Futterquellen und Nistplätze hat. „Den Garten nicht aufräumen, sondern die Stauden auch mal stehen lassen“, sagt McGrath. „Mit seinem eigenen Garten kann man viel zur Artenvielfalt beitragen. Jeder Quadratmeter zählt.“
Bestes Beispiel dafür ist nicht zuletzt ihr eigener Garten. Dass sie um die 30 verschiedenen Vogelarten bei sich zählen kann, ist das Ergebnis vieler Maßnahmen, die für ein umfangreiches, natürliches Futterangebot sorgen. Genau genommen gehört die große Wiese an ihrem Haus nicht ihr, sondern der Stadt. Die Backnangerin hat aber eine sogenannte Grünpatenschaft übernommen und kümmert sich um die ehemalige Streuobstwiese. Einen umgekippten, toten Obstbaum hat sie beispielsweise zersägt und in zwei Teilen in die Erde gesteckt. So dient er als Habitat für Insekten, Vögel und mehr.
In einem Totholzhaufen suchen die Spatzen immer Schutz, wenn der Bussard, der in den benachbarten Eichen nistet, auf Jagd geht. „Ich habe sogar schon gesehen, wie der Bussard sich einen Spatzen holt“, erzählt McGrath. Der Greifvogel hat dort vergangenes Jahr zum zweiten Mal Junge groß gezogen. Das Gras mäht McGrath im Frühjahr und lässt es dann, zu Haufen aufgetürmt, dort liegen. Dort suchen stets zahlreiche Blindschleichen Schutz, eine weitere Futterquelle für Greifvögel.
Im Kompost beobachtet McGrath regelmäßig einen Zaunkönig. Und auch seltenere Gäste wie einen Kernbeißer und einen Gimpel habe sie schon gesichtet, „Orni-Freuden“ nennt sie das. Unterm Strich hat die Naturliebhaberin also nicht nur etwas für den Erhalt der vielfältigen Vogelwelt getan, sondern auch einen Garten geschaffen, der ihr selbst tagtäglich Freude schenkt.
Jährliche Aktion Jedes Jahr rufen der Nabu und der LBV am ersten Januarwochenende und am zweiten Maiwochenende dazu auf, eine Stunde lang die Vögel im Garten, auf dem Balkon oder im Park zu zählen. Im Mittelpunkt stehen die weitverbreiteten Arten wie Haussperling, Amsel, Kohl- und Blaumeise, Buchfink, Buntspecht.
So funktionierts Man zählt eine Stunde lang die Vögel, die man sieht. Von jeder Art wird die höchste Anzahl Vögel notiert, die gleichzeitig gesichtet wurden.
Melden Die Beobachtungen können unter www.stundederwintervoegel.de und mit der App „NABU Vogelwelt“ bis zum 15. Januar gemeldet werden. Zudem kann man die Zählergebnisse am 6. und 7. Januar jeweils von 10 bis 18 Uhr unter der kostenlosen Telefonnummer 0800/1157-115 durchgeben.
Zahlen Die Aktion findet bereits zum 14. Mal statt. Im vergangenen Jahr haben bundesweit fast 100.000 Menschen mitgezählt.