Gebiete in Baden-Württemberg

Suche nach Atommüll-Endlager dauert wohl noch halbes Jahrhundert

In Baden-Württemberg sind jetzt weitere Gebiete für ein Atommüll-Endlager ausgeschlossen worden. Ursprünglich sollte in Deutschland bis 2031 ein Standort gefunden sein. Davon ist man längst abgerückt.

Wohin nur mit dem gefährlichen Abfall?

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Wohin nur mit dem gefährlichen Abfall?

Von Thomas Faltin

Wer in Münsingen oder Bad Herrenalb lebt, kann sich ob der schönen Lage der Städte ganz grundsätzlich glücklich schätzen. Jetzt kommt noch ein weiterer Grund dazu: Vor ihrer Haustür wird es kein Atommüll-Endlager geben. Denn die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat jüngst im Zuge ihrer Standortsuche weitere Gebiete ausgeschlossen, so auch einen Streifen von Bad Herrenalb über Pforzheim bis in den Main-Tauber-Kreis hinein. Ein Band von Münsingen bis auf die Ostalb sowie kleinere Bereiche am Bodensee kommen ebenfalls nicht mehr in Frage.

Große andere Flächen, etwa das Rheintal, Teile der Schwäbischen Alb oder Oberschwaben waren gleich gar nicht in Betracht gezogen worden, weil sie etwa erdbebengefährdet sind oder weil dort nicht das richtige Gestein vorkommt. Nur mächtige Tonschichten, Kristallingestein oder Steinsalz eignen sich laut den Experten für das Endlager, das irgendwann 27 000 Kubikmeter an hochradioaktivem Abfall aufnehmen soll. Welcher Anteil der Landesfläche noch im Spiel ist, kann Friederike Lanfermann, die Sprecherin des Umweltministeriums, nicht sagen – das werde nicht erhoben. Bundesweit sind es noch 44 Prozent der Fläche.

Ursprünglich sollte der Standort 2031 feststehen

Das Ziel der BGE ist es, bis Ende 2027 vermutlich vier bis zehn geeignete Regionen zu benennen, die dann vertieft untersucht werden sollen. Der ursprüngliche Plan, bis 2031 einen Standort festzulegen, ist aber schon lange obsolet. Ein Bericht des Öko-Instituts im Auftrag des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hat im vergangenen Sommer viel Wirbel erzeugt. Dort heißt es: „Selbst bei einem idealen Projektablauf muss damit gerechnet werden, dass das Verfahren erst im Jahr 2074 abgeschlossen werden kann. (...) Im realen Verfahren ist ein weniger idealer Verlauf zu erwarten.“

Als Grund für die Verzögerung gibt das Öko-Institut an, dass die notwendige Interaktion der verschiedenen Akteure sehr viel Zeit beanspruche, zudem gebe es zahlreiche zeitliche Abhängigkeiten der Verfahrensschritte. Empfohlen wird, die Zahl der Regionen, die gründlicher geprüft werden sollen, zu reduzieren. Die BGE selbst spricht von einem Abschluss der Suche zwischen 2046 und 2068. Das Bundesamt will nun klären, wie man den Prozess beschleunigen könnte.

Bis das Endlager in Betrieb gegangen sein wird, dürfte man sich aber womöglich im 22. Jahrhundert befinden. Vorerst lagern die Brennstäbe in bundesweit 16 Zwischenlagern – auch am ehemaligen Kernkraftwerk Neckarwestheim (Kreis Ludwigsburg) schlummern Brennstäbe in Castoren. Derzeit sind 99 der genehmigten 158 Behälterstellplätze belegt.

Der schwach- und mittelradioaktive Abfall umfasst weitere 620 000 Kubikmeter. Ungefähr die Hälfte davon soll in das Endlager Schacht Konrad bei Salzgitter kommen, das derzeit speziell für diesen Abfall gebaut wird. Ab den 2030er Jahren soll es zur Verfügung stehen.

Auch andere Staaten haben ihre große Mühe mit den Endlagern. Finnland ist das einzige Land, das ein fertiges Endlager besitzt – der Standort auf der Insel Olkiluoto im Südwesten des Landes soll dieses Jahr in den Regelbetrieb übergehen. In Frankreich soll das Endlager in der Region Grand Est in 500 Metern Tiefe errichtet werden. Der geplante Standort könnte zwischen 2035 und 2040 in Betrieb gehen. Er befindet sich Luftlinie rund 170 Kilometer von der baden-württembergischen Grenze entfernt nahe dem kleinen Ort Bure. Großbritannien oder Japan haben wie Deutschland noch keinen Standort festgelegt.

Die früheren Betreiber der deutschen Kernkraftwerke haben zusammen rund 24 Milliarden Euro in einen Fonds bezahlt; daraus und aus den jährlichen Zinsen sollen alle Kosten bestritten werden. Eine Nachschusspflicht der Energieversorger gibt es nicht. Schon vor zehn Jahren hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton im Auftrag des Wirtschaftsministeriums ausgerechnet, dass die tatsächlichen Kosten – eine Inflation von jährlich zwei Prozent berücksichtigt – bis 2100 auf rund 170 Milliarden Euro steigen könnten. Dass der Fonds reicht, daran gibt es längst erhebliche Zweifel.

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Erstellt:
1. Februar 2025, 13:54 Uhr

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