Baden-Württemberg zieht bei Öffnung mit: Aber Vorbehalte

dpa/lsw Stuttgart. In gut vier Wochen sollen so gut wie alle Corona-Schutzmaßnahmen wegfallen. Baden-Württemberg trägt das zwar mit. Aber Kretschmann will für den Ernstfall gewappnet sein und verlangt von der Ampel Nachbesserungen.

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Baden-Württemberg zieht bei der nun geplanten schrittweisen Aufhebung der Corona-Maßnahmen bis Mitte März grundsätzlich mit. Das bedeutet, dass aller Voraussicht nach in viereinhalb Wochen auch im Südwesten so gut wie alle Schutzmaßnahmen wegfallen dürften - dann blieben nur noch die Masken und das Abstandhalten.

Kretschmann sieht „Grund zur Hoffnung und Zuversicht“

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält den dreistufigen Öffnungsplan für verantwortbar, mahnte aber zur Vorsicht. Bund und Länder seien sich am Mittwoch in ihrer Konferenz einig gewesen: „Es ist Zeit, weiter kontrolliert zu lockern“, sagte der Grünen-Politiker in Stuttgart. „Noch haben wir die Pandemie nicht hinter uns gelassen, aber wir haben allen Grund zur Hoffnung und zur Zuversicht.“

Er appellierte jedoch an die Menschen im Südwesten, weiter vorsichtig zu bleiben und sich - wenn noch nicht geschehen - impfen zu lassen. Mehr Freiheit bedeute auch wieder mehr Eigenverantwortung jedes Einzelnen. „Dann haben wir gute Chancen auf ein Ende der Pandemie und dann werden wir unsere Freiheit ganz zurückgewinnen.“

Der 20. März dürfte eine Art „Freedom Day“ werden

Bund und Länder beschlossen am Mittwoch einen Drei-Stufen-Plan für Öffnungen. In dem Papier heißt es: „In einem dritten und letzten Schritt ab dem 20. März 2022 sollen alle tiefgreifenderen Schutzmaßnahmen entfallen, wenn die Situation in den Krankenhäusern dies zulässt.“

Kretschmann gibt Bedenken zu Protokoll

Kretschmann dringt aber darauf, dass die Länder auch nach dem 20. März im Notfall noch tiefgreifende Corona-Maßnahmen verfügen können. Er will zum Beispiel weiter Kultur- und Sportveranstaltungen untersagen oder die Zuschauerzahl beschränken können, wenn es die Infektionslage erfordert. Kretschmann ließ in das Beschlusspapier eine entsprechende Protokollerklärung einfügen.

Damit die Länder ihre Möglichkeiten behalten, müsste die Koalition aus SPD, Grünen und FDP im Bundestag einen neuen Beschluss des Infektionsschutzgesetzes herbeiführen. Ansonsten könnten die Länder nicht mal mehr das Tragen von Masken vorschreiben. „Denn meiner Ansicht ist es nicht sinnvoll, jetzt mutig Lockerungen zu begehen und gleichzeitig den Instrumentenkasten zu vermindern“, sagte Kretschmann.

SPD sieht Kretschmann in Oppositionsrolle zur Ampel

Die SPD im Land kritisierte Kretschmanns Ausscheren. Die Protokollerklärung ergebe keinen Sinn, weil im Beschluss von Bund und Ländern vorgesehen sei, dass es eine „Regelung zu ergänzenden Schutzmaßnahmen für den Fall eines lokalen Ausbruchsgeschehens in einzelnen Landkreisen, Bezirken oder kreisfreien Städten“ geben soll, sagte Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Mittwochabend gesagt: „Es wird einen hocheffektiven Basisschutz geben.“ Stoch meinte deshalb: „Für mich wird es langsam Zeit, dass Ministerpräsident Kretschmann seine Oppositionsrolle zur Bundesregierung aufgibt.“ Auch die Grünen gehörten zur Ampel. „Da muss man nicht immer in das Horn der CDU blasen, vor allem wenn es inhaltlich nicht weiterhilft.“

Baden-Württemberg muss nun Öffnungsplan umsetzen

Bund und Länder beschlossen am Mittwoch zudem, dass in einem ersten Schritt Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene komplett wegfallen - das ist in Baden-Württemberg schon der Fall. Die Zugangsregel im Einzelhandel nur für Geimpfte und Genesene (2G) soll gekippt werden - im Südwesten war diese Regel noch in der Alarmstufe II vorgesehen, derzeit gilt aber nur die Alarmstufe I. Es sollen nach dem Beschluss von Mittwoch aber weiter medizinische Masken getragen werden.

In einem zweiten Schritt soll demzufolge ab dem 4. März der Zugang zur Gastronomie und Hotellerie nicht nur Geimpften und Genesenen, sondern auch Personen mit negativem Test (3G) ermöglicht werden. Bei überregionalen Großveranstaltungen - inklusive Sport - soll gelten: im Innenbereich eine Auslastung bis 60 Prozent der Höchstkapazität, das heißt maximal 6000 Zuschauer. Im Außenbereich sollen bis zu 75 Prozent der Höchstkapazität, maximal 25.000 Zuschauer, zugelassen werden.

Es zeichnet sich ab, dass im Südwesten Mitte nächster Woche eine neue Corona-Verordnung mit neuen Regeln gilt. Es ist wahrscheinlich, dass Baden-Württemberg schon dann in die Warnstufe zurückkehrt und in den meisten Bereichen dann die 3G-Regeln gelten. Damit würde das Land dem nun beschlossenen Fahrplan um gut eine Woche vorgreifen.

Wirtschaft erfreut über „Exit-Datum“

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hält den Öffnungspfad für „sinnvoll und nachvollziehbar“. Die Forderungen Kretschmanns zu tiefgreifenderen Auflagen lehnte er ab: „Dass Herr Kretschmann dann Kultur- und Sportveranstaltungen nicht mehr untersagen kann, begrüßen wir sehr.“ Die Protokollerklärung werde folgenlos bleiben.

Der Wirtschaft im Südwesten fiel ein Stein vom Herzen. „Es war mehr als geboten, jetzt nicht nur Öffnungsschritte festzulegen, sondern dem Exit ein Datum zu geben“, erklärte Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK). Er drang auf einen klaren Fahrplan für die Gastronomie und Hotellerie sowie die Tourismus- und Freizeitbranche. Wegen der noch geltenden Beschränkungen zeigten sich Kunden für das wichtige Ostergeschäft sehr verunsichert und zurückhaltend.

© dpa-infocom, dpa:220216-99-159279/3

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Erstellt:
16. Februar 2022, 18:48 Uhr

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