Südwesten macht Druck bei Rückgaben von Benin-Bronzen
dpa Stuttgart/Berlin. Seit Jahren wird über mögliche Rückgaben von Benin-Bronzen aus deutschen Museen gestritten. Baden-Württemberg macht nun Druck mit einem Fahrplan. Im Zweifel gibt es auch Alleingänge.

Drei Raubkunst-Bronzen aus dem Benin in Westafrika sind im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe in einer Vitrine ausgestellt. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa/Archivbild
Mit einem Fahrplan will Baden-Württemberg mehr Tempo in die Diskussion um Rückgaben der als Raubgut geltenden Benin-Bronzen aus deutschen Museen bringen. Ohne Einigung sind darin auch Alleingänge vorgesehen. „Die Zeit ist reif“, sagte Kunstministerin Theresia Bauer der dpa in Berlin. Die Grünen-Politikerin fordert ein „weitreichendes Signal“ von einer für Donnerstag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) einberufenen Runde. Museumsexperten und politisch Verantwortliche wollen dann über den weiteren Umgang mit Benin-Bronzen beraten.
Benin-Bronzen sind in zahlreichen deutschen Museen zu finden. Auch im Berliner Humboldt Forum sollen sie ausgestellt werden. Die Objekte stammen größtenteils aus britischen Plünderungen des Jahres 1897.
Bauer will, „dass wir in dieser Runde bereits konkrete Vereinbarungen treffen, eine Selbstverpflichtung eingehen sollten mit klar definierten Schritten“. In intensivem Dialog mit den Herkunftsgesellschaften müsse es zu einer gemeinsamen Strategie kommen, „die selbstverständlich auch Restitutionen einschließen sollte“. Die Kunstministerin übermittelte den beteiligten Ländern eine „Roadmap“ mit einem „zügigen und strukturierten Prozess in zwei Schritten“, um die vor bereits zwei Jahren vereinbarten Leitlinien von Bund und Ländern zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten auf den Fall Benin anzuwenden.
Wo nicht bereits erfolgt, sollen innerhalb eines Jahres die Provenienzen der relevanten Kulturgüter aufgearbeitet, dokumentiert und öffentlich zugänglich gemacht werden. Grundlage dafür soll die bereits entstehende Datenbank „Digital Benin“ sein, die federführend vom Hamburger Museum am Rothenbaum verwaltet wird. So sollen im Dialog mit den nigerianischen Partnern diejenigen Kulturgüter identifiziert werden, „die zeitnah nach Nigeria zurückgeführt werden sollen“.
Parallel soll bis Ende kommenden Jahres ein umfassendes Konzept zum Umgang mit den Sammlungsgütern erarbeitet werden, „das konkrete Verfahren und Zeitpläne für die Rückführung von Kulturgut nach Nigeria beinhaltet“. Die weitere Zusammenarbeit zwischen Nigeria und Deutschland auf diesem Gebiet müsse den kontinuierlichen Austausch und Dialog zwischen den verschiedenen Partnern sowie Kooperationsprojekte beinhalten.
Baden-Württemberg setzt im Zweifel auch auf Alleingänge: „Falls eine einheitliche Regelung von Bund, Ländern und kommunaler Seite bis Ende 2022 nicht zustande kommen sollte, werden Rückgaben in der Verantwortung der einzelnen Träger erfolgen, dort, wo die jeweils zuständige Instanz das beschließt“, heißt es in der „Roadmap“.
Die Rückgabe kolonialer Gegenstände ist für Bauer kein Schlusspunkt, sondern Ausgangspunkt für Dialog und Partnerschaften mit den Herkunftsgesellschaften. „Wir wollen die gemeinsame Kolonialgeschichte auch gemeinsam aufarbeiten und ein neues Kapitel der Zusammenarbeit aufschlagen“, sagte die Ministerin. Ziel sei es, die Geschichte der Kolonialzeit stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Eingeladen für das Gespräch am Donnerstag hat Grütters die Leitungen der deutschen Museen der Benin Dialogue Group mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Berlin), dem Linden-Museum Stuttgart, dem Museum am Rothenbaum Hamburg, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und dem Rautenstrauch-Joest-Museum Köln. Zudem sollen neben dem Auswärtigen Amt die jeweils für die Museen zuständigen politischen Ebenen dabei sein sowie die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten sowie der Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder als Leiter der Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland.
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