Sulzbacher Wald wird von der Geldquelle zum Zuschussobjekt
Seit 2018 gibt es im Gemeindewald von Sulzbach an der Murr fast jedes Jahr ein Defizit. Der Wald leidet unter Orkanen, Dürren und Käferbefall. Während der Holzpreis seit rund 40 Jahren stagniert, haben sich die Kosten verdreifacht. Neue Baumarten sollen den Forst resistenter machen.
Von Ute Gruber
SULZBACH AN DER MURR. Hatte vor Jahrzehnten eine so waldreiche (rund 700 Hektar) Gemeinde wie Sulzbach an der Murr eine größere Investition vor – den Bau einer neuen Gemeindehalle oder eines Rathauses etwa –, wurde einfach ein Sonderhieb angeordnet. Mit dem Erlös des zusätzlich geschlagenen Holzes war die Frage der Finanzierung dann weitgehend erledigt. Heute dagegen müsse man schon froh sein, wenn unter der Bilanz des Gemeindewalds wenigstens eine schwarze Null stehe, erläutert Dagmar Wulfes in der jüngsten Gemeinderatssitzung in ihrem Überblick zur aktuellen Situation im heimischen Forst. Zusammen mit Gemeindeförster Axel Kalmbach stellt die Leiterin des Kreisforstamts dem Gremium ausführlich das Rechnungsergebnis von 2022, den Betriebsplan für 2024, den Stand des aktuellen sowie den Ausblick auf den neuen zehnjährigen Forsteinrichtungszeitraum ab 2025 zur Abstimmung vor. Alle Beschlüsse erfolgten einstimmig.
Grund für die Misere ist der unbefriedigende Holzpreis, der zuletzt immerhin wieder auf dem Niveau der 1980er-Jahre angelangt sei (zirka 110 Euro pro Festmeter bei frischem Fichtenholz). In einem eindrücklichen Schaubild zeigt die Forstexpertin, wie seit jener Zeit nach jeder zarten Preiserholung ein anderer Sturm mit klangvollem Namen – Wiebke, Lothar, Kyrill und wie sie alle hießen – mit ungeplanten Schadholzmengen für Jahre den Preis in den Keller katapultierte. Zuletzt sorgten dann die regelmäßig heißen Sommer für viele Dürre- und Schädlingsopfer unter den Bäumen.
Während der Holzerlös also seit über 40 Jahren stagniert, haben sich die Erntekosten von zehn Euro pro Festmeter auf 30 Euro mittlerweile verdreifacht, im Extremfall lagen sie über dem Erlös des (Käfer-)Holzes – wenig motivierend für Waldbesitzer, Befallsnester aufarbeiten zu lassen und so die (noch) gesunden Bäume zu schützen. Größter Kostenpunkt bei den jährlichen Ausgaben ist mit rund einer viertel Million Euro auch im Gemeindewald das Personal.
Der Betriebsplan 2024 geht erneut von einem Defizit von gut 8000 Euro aus
Im Forsteinrichtungszeitraum 2015 bis 2025 waren seit dem Dürrejahr 2018 fast alle Jahre defizitär, auch der vorgestellte Betriebsplan 2024 rechnet mit einem Defizit von gut 8000 Euro, was nach Aussage von Gemeindeförster Axel Kalmbach ähnlich auch für das noch nicht abgeschlossene Jahr 2023 gilt. Trotz schlechter Preise musste zum Beispiel 2020 gezwungenermaßen über 160 Prozent des planmäßigen Hiebsatzes von 7,8 Festmeter pro Hektar eingeschlagen werden – lauter kranke Bäume.
Weitere Themen
Ein kurzer Lichtblick 2022: In diesem Jahr war bei planmäßiger Erntemenge ein erfreulicher Gewinn von gut 38000 Euro (bei rund 400000 Euro Holzerlös) erwirtschaftet worden, obwohl auch hier 50 Prozent der Ernte Schadholz waren. Damals war die Nachfrage nach Bauholz pandemiebedingt enorm: Der Referenzpreis lag bei erfreulichen rund 120 Euro. „Wir bräuchten aber 150 Euro pro Festmeter, damit das auch langfristig wirtschaftlich ist.“
Um den Wald für den Klimawandel zu rüsten, liegt daher schon seit Jahren das Augenmerk der Forstleute auf dem Aufbau eines vielfältigen Mischbestands mit Trend zu wärmeliebenden Arten. Im Sulzbacher Gemeindeforst werden jährlich zwei Hektar vorbereitet und neu bepflanzt und folglich auch vier Hektar Jungbestand gepflegt (von Dornen und anderen Konkurrenten befreit). Auch 2024 sollen über 6000 kleine Bäumchen aus acht verschiedenen Arten gesetzt werden. Dabei wird trotz allem die sensible Fichte als hervorragender Nutzbaum mit 2000 Pflanzen am häufigsten gepflanzt, „aber immer in Mischung mit anderen und vorwiegend an geeigneten feuchten Nordhängen“, wie der Revierleiter auf Nachfrage erklärt. Auch solle sie früher geerntet werden. Fast genauso viele wärmeliebende Eichen sollen gesetzt werden, was allerdings weit aufwendiger ist, denn sie brauchen eine Wuchshülle als Schutz vor Fraß durch Rehe. Spitz- und Feldahorn will Kalmbach 1150-mal pflanzen, ebenso 800 Douglasien, die zwar sehr wüchsig, aber ganz besonders aufwendig sind, weil sie nicht nur gegen Rehe geschützt, sondern später auch noch geastet werden müssen. In kleineren Stückzahlen kommen Winterlinde, Lärche und Hybridnuss (eine wüchsige Walnusskreuzung, die jedoch keine Nüsse ausbildet) zum Einsatz. In den vergangenen Jahren wurden außerdem unter anderem Flatterulme, Baumhasel, Edelkastanie und Elsbeere auf die rund 700 Hektar gemeindeeigenen Wald eingebracht. „Was sich letztlich bewährt, wird sich leider erst in Jahrzehnten zeigen“, erklärt der Gemeindeförster, „die Douglasien halten sich zumindest bisher ganz gut.“
Bewirtschaftung soll Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes erhalten
Da 2025 ein neuer Zehnjahreszyklus in der Forstplanung beginnt, stellt Forstamtsleiterin Dagmar Wulfes die geplanten Zielsetzungen vor. Dabei kann vieles aus dem bisherigen Plan übernommen werden; Schutzfunktion, Erholungsfunktion und Nutzfunktion des Waldes sollen durch die passende Bewirtschaftung nachhaltig erhalten werden. Sollte es im Einzelfall allerdings zu Zielkonflikten kommen, soll wegen der Herausforderungen des Klimawandels der Schutz von Natur, Boden und Klima, beziehungsweise die Erholungsfunktion vor der Nutzung priorisiert werden. „Der Wald als Ökosystem spielt nicht nur eine zentrale Rolle für den Erhalt der biologischen Vielfalt von Pflanzen und Tieren. Er sichert ebenso unsere Lebensgrundlagen wie Wasser oder Luft. Dabei wird ein Mehrwert für die Erholung geschaffen und manche der Leistungen lassen sich sogar ökonomisch in Wert setzen“, heißt es in der Zielsetzung.
Neu im Gemeindeforst wird dabei das im Staatsforst entwickelte Alt- und Totholzkonzept sein, bei welchem markierte Habitatbäume beziehungsweise definierte Waldrefugien aus der Nutzung genommen werden sollen. Sie werden also der natürlichen Alterung und dem Zerfall überlassen, wodurch Lebensräume für Spechte, Fledermäuse oder Käfer entstehen. Ungewöhnliche Maßnahmen werden zum Schutz der Gelbbauchunke ergriffen: Hierfür dürfen tiefe Radspuren, die bei der Bewirtschaftung im Wald entstanden sind, erst nach einem Jahr eingeebnet werden.
Neben der Holzpreissituation berichtet Amtsleiterin Dagmar Wulfes von weiteren Themen:
Wasserspeicher In den Fokus rückt der Wald als Wasserspeicher. Möglichst viel Niederschlag soll zurückgehalten werden. Durch eine regelmäßige Durchforstung stehen die Bäume lockerer und es gelangt mehr Wasser auf den Waldboden. Dort steht es dann den Wurzeln zur Verfügung statt aus der Baumkrone zu verdunsten. Durch Tümpel und Kolke kann der Abfluss verzögert werden.
Waldbrandtandem Die Gefahr von Waldbränden nimmt durch die Dürreperioden zu. Um dieses Risiko besser zu managen, werden derzeit sogenannte Waldbrandtandems gebildet: Der Kreisbrandmeister/die Feuerwehr und ein Verbindungsförster erarbeiten Aktionskonzepte, die sie mit den örtlichen Feuerwehren üben. Zum Glück blieb Baden-Württemberg von Brandkatastrophen wie in Brandenburg oder Südeuropa seither verschont. Zwar seien Brandherde nicht seltener, aber in den vergangenen Jahren kleiner geworden, stellt die Forstexpertin fest. Grund sei die große Verbreitung von Mobiltelefonen, dank derer Beobachtungen sofort an die Feuerwehr gemeldet werden könnten, was kostbare Zeit schenkt.
Sorgenkind Tanne Neu ist die Rolle der Tanne als Sorgenkind. Durch ihre tiefe Pfahlwurzel und den Wasserkern blieb sie bis vor Kurzem im hiesigen Wald von Hitze und Schädlingen gänzlich unbehelligt. Nun ist der Grundwasserspiegel so weit abgesunken, dass auch sie Wassermangel leidet und in völlig ungewohntem Maße von vielerlei Schädlingen heimgesucht wird. Auch Misteln in der Krone und Hallimasch am Stamm schwächen die Veteranen.
Wildtierbeauftragter Neu ist auch der Wildtierbeauftragte im Landkreis, Dominic Hafner. Als Netzwerker ist er Ansprechpartner für Tierschützer wie für Wildgeschädigte, für Jäger, Polizei, Land- und Forstwirte, Veterinäre und Privatpersonen. Er steht in engem Kontakt mit den Experten der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg, vor einigen Monaten wurde gemeinsam eine sehr gut besuchte und gelungene Veranstaltung zum Thema Wolf in Grab organisiert. Während der Wolf aber bisher im Schwäbischen Wald noch keine Rolle spielt, entwickelt sich der – hier nicht heimische – Waschbär zur Bedrohung für Amphibien und Vögel und sucht auch Wohngebiete heim. Weitere aktuelle Themen betreffen die Rückkehr des Bibers und die Invasion durch die Nilgans.