Boykott wegen steigender Preise

Supermärkte in Südosteuropa bleiben leer

Konsumentenorganisationen auf dem Balkan rufen zum Boykott wegen steigender Preise auf. Viele Menschen machen mit – und erste Unternehmen lenken ein.

Leere Gänge in einem Konzum-Markt im kroatischen Zadar: die Kunden protestieren mit ihrem Boykott gegen die gestiegenen Preise.

© imago//Jure Miskovic

Leere Gänge in einem Konzum-Markt im kroatischen Zadar: die Kunden protestieren mit ihrem Boykott gegen die gestiegenen Preise.

Von Thomas Roser

Der im Januar in Kroatien begonnene Käuferaufstand gegen überzogene Lebensmittelpreise zieht in Südosteuropa immer größere Kreise. Am Freitag riefen auch in den ex-jugoslawischen Nachbarstaaten Konsumentenschutzorganisationen zum Boykott von Super- und Drogeriemarktketten auf.

Vor allem in Bosnien und Herzegowina und Montenegro, aber auch in Nordmazedonien und Serbien vermeldeten heimische Medien am Freitag einen deutlich reduzierten Kundenandrang. Nachdem beim ersten Käuferboykott am 24. Januar Kroatiens Finanzbehörden Umsatzrückgänge von 53 Prozent im Einzelhandel vermeldet hatten, wurden nun Umsatzeinbußen von 42 Prozent registriert. Trotz des leicht abgeschwächten Boykotts berichteten die heimischen Medien erneut über leergefegte Supermarktregale und entvölkerte Parkplätze vor den Einkaufszentren.

Viele Kroaten kaufen stattdessen in Slowenien ein

Nur in Slowenien, wo die Lebensmittelpreise deutlich unter denen der ex-jugoslawischen Bruderstaaten liegen, fanden die Aufrufe zum Einkaufsboykott kaum Widerhall. Stattdessen wurden von den Supermärkten in den Grenzregionen erneut ein verstärkter Andrang von kroatischen Kunden vermeldet, die den Supermarktboykott im eigenen Land zu vermehrten Einkaufsfahrten nach Slowenien nutzten.

Vermutlich auch, um sich selbst aus der Schusslinie der Empörung über die deutlich über Westniveau liegenden Lebensmittelpreise zu bringen, unterstützen selbst Regierungspolitiker in Bosnien, Kroatien und Montenegro die Boykottaufrufe. Für Unmut und einer Lawine empörter Kommentare sorgte in Bosnien derweil Sebija Izetbegovic, die Frau des oppositionellen Bosniaken-Führers Bakir Izetbegovic (SDA), mit ihrer Erklärung, dass sie lieber die für die Teuerungswelle verantwortliche Regierung als die Supermärkte boykottiere.

Boykott ausgeweitet auf Coca-Cola und Limonaden, Spül- und Waschmittel

Nachdem Kroatiens Einzelhandelsverband nach der Boykottpremiere versichert hatte, sich von dem „sogenannten Käuferboykott“ nicht beeindrucken zu lassen, haben deren Organisatoren diesen vergangene Woche verschärft und zusätzlich zum einwöchigen Verzicht von Einkäufen bei Lidl, Eurospin und dm aufgerufen.

Gleichzeitig empfahlen sie den verstärkten Boykott für drei von der Teuerungswelle besonders betroffenen Produktgruppen: Coca-Cola und andere Limonaden, Flaschenwasser sowie Geschirrspül- und Waschmittel.

Erste Unternehmen lenken ein und senken die Preise

Zumindest in dem Adriastaat zeigt der sich ausweitende Kampf gegen die Teuerungswelle Wirkung. Kaufland hat inzwischen die dauerhafte Preisreduzierung von 1000 Artikeln ab dem 5. Februar angekündigt und gelobt, wöchentlich weitere 1800 Produkte zu verminderten Preisen anzubieten.

Die Konzum-Kette will die Preise von 250 heimischen Produkten senken – und zumindest bis zum Juni verbilligt anbieten. Auch Kroatiens Regierung hat vergangene Woche eine Ausweitung der Preisdeckelung für Grundnahrungsmittel verfügt – und die Liste der Produktgruppen, für die eine Preisobergrenze gilt, von 30 auf 70 verlängert.

Den vermehrten Druck auf die Handelskonzerne bekommen mittlerweile auch deren Zulieferer zu spüren. Die kroatische Tommy-Kette hat am Wochenende ein Schreiben an alle Lieferanten veröffentlicht mit der Forderung, ihre zum 1. Februar angekündigten Preiserhöhungen sofort zurückzunehmen: Andernfalls drohe die Aussortierung ihrer Produkte aus dem Verkaufssortiment. Kroatische Lebensmittelproduzenten fordert Tommy derweil auf, ihre Preise für heimische Abnehmer denen für die Exportmärkte anzugleichen: Denn oft seien kroatische Produkte im Ausland billiger als im eigenen Land.

Gleichzeitig kündigt das Unternehmen an, sich künftig verstärkt um Direktbezug von den Herstellern unter Ausschaltung des kräftig an der Preisschraube drehenden Zwischenhandels zu bemühen, der oft Missbrauch von exklusiven Importrechten mache: „Das Arbeitsmodell, in dem sich zwischen die Produzenten und den Handelsketten erst Importeure und dann auch noch Distributoren einschalten, ist veraltet, unnötig und schädlich. Wir haben in zusätzliche Lagerkapazitäten investiert und benötigen keine Vermittler, die – jeder auf seine Art - zusätzlich die Lieferketten verteuern.“

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Erstellt:
3. Februar 2025, 17:44 Uhr

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