Tageslicht von oben auch beim Turnen
Der evangelische Kindergarten im Wohngebiet Ziegeläcker in Sulzbach an der Murr wird erweitert. Gestern fiel der Startschuss für die Baumaßnahme. In der 300 Quadratmeter großen Erweiterung sind Räumlichkeiten für eine vierte Gruppe untergebracht.

Bürgermeister Dieter Zahn ließ es sich gestern nicht nehmen, mit der Baggerschaufel symbolisch die Bauarbeiten zu starten. Foto: Gemeinde
Von Ute Gruber
SULZBACH AN DER MURR. Bei der Planung des evangelischen Kindergartens im Wohngebiet Ziegeläcker vor rund 20 Jahren hat man offenbar sehr weit vorausgedacht. Das verspielte, helle einstöckige Gebäude aus der Feder von Architekt Carlheinz Findling war in raffinierter Form schon auf Zuwachs geplant: Der hohe, achteckige, geräumige Bewegungsraum etwa, der momentan noch zwei Fensterfronten zum Garten hat, besitzt ein passend achteckiges, großes Oberlicht.
Wenn nun also an der westlichen Gartenseite weitere Räume angebaut werden, wozu mit dem Baggerbiss am gestrigen Montag der Startschuss gefallen ist, müssen die Kinder auch in Zukunft nicht bei Neonlicht turnen, sondern können Tageslicht von oben genießen. Der markante Raum, der mit seinem Glasdach ein bisschen an eine Orangerie aus König Wilhelms Zeiten erinnert, wird damit zum Zentrum des anthroposophisch anmutenden, pastellfarbigen Gebäudes, in dem rechte Winkel in der Minderheit zu sein scheinen.
Architekt Carlheinz Findling ist es wichtig, dass das Gebäude Wärme ausstrahlt, Sichtbeton hält er zum Beispiel für ungeeignet: „Man muss das mit den Augen der Kinder sehen, nicht mit denen eines Erwachsenen.“ Dabei war die Prognose zur Zeit der Einweihung 2004 eher negativ – es herrschte ein deutlicher Geburtenrückgang, man rechnete auf Dauer mit nur zwei benötigten Kindergartengruppen.
Erhöhter Raumbedarf wegen der gestiegenen Geburtenrate.
„Der dritte Raum ist so konzipiert, dass er auch einmal für Zwecke der Jugend oder Senioren genutzt werden kann“, zitiert Bürgermeister Dieter Zahn aus der damaligen Stellungnahme. Daran ist nicht mehr zu denken – der Bedarf an Kinderbetreuung ist enorm gestiegen und der Mehrzweckraum längst zur festen dritten Gruppe geworden. „Das liegt natürlich einerseits an der erfreulich gestiegenen Geburtenrate“, erläutert Liselotte Denner, die im Kirchengemeinderat den Vorsitz im Kindergartenausschuss innehat.
„Dann kam Anfang 2000 der gesetzliche Anspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz, der vor Gericht eingeklagt werden kann.“ Die Flüchtlingswelle spülte vor einigen Jahren weitere Kinder in die Gemeinde und die Arbeitsgewohnheiten in den Familien haben sich mittlerweile deutlich gewandelt, wie Cornelia Boitin feststellt. Sie vertritt als stellvertretende Vorsitzende den Kirchengemeinderat während der derzeitigen Vakanz der Pfarrstelle.
„Heute arbeiten deutlich häufiger beide Eltern im Beruf als noch vor 30 Jahren. Durch den Betreuungsanspruch ist das ja auch möglich. Dass Frauen daheimbleiben, ist kaum noch üblich.“ Dass dies auch zunehmend für die neue Großelterngeneration gilt, die damit häufig als Babysitter ausfällt, verschärft den Bedarf noch.
Auch die Art der Betreuung hat sich gewandelt: Zunehmend wird eine Ganztagesbetreuung gewünscht. Im Kindergarten Ziegeläcker können die Kinder in einer der Gruppen daher bis 17 Uhr bleiben und bekommen ein warmes Mittagessen. Da dies im ursprünglichen Konzept nicht vorgesehen war, steht der Mittagstisch derzeit im großen Foyer und ist nur durch einen schweren Vorhang vom Abholbetrieb getrennt. Betten für das Mittagsschläfchen werden nach Bedarf im genannten Bewegungsraum aufgestellt.
All diesen Provisorien wird nun Abhilfe geschaffen: In der gut 300 Quadratmeter großen Erweiterung wird neben den üblichen Räumlichkeiten für eine vierte Gruppe (Gruppenraum, Nebenraum, Materialraum, Sanitärraum) ein eigener Schlafraum für die Tageskinder eingerichtet, dazu ein Elternsprechzimmer, zwei Räume für Fördergruppen, ein Büro für die Kindergartenleitung und ein der Mitarbeiterzahl angemessener Personalraum. Die beiden letztgenannten Räume befinden sich seither eingeklemmt zwischen Eingang und Küche und sollen zweckmäßigerweise zum neuen Essensraum zusammengelegt werden. Die Ganztagesbetreuung wird damit bedarfsgerecht auch baulich abgebildet, wie es Bauamtsleiter Martin Hübl fachgerecht formuliert.
Es wird mit Baukosten von 890000 Euro gerechnet.
Ausgeführt wird der Unterbau derzeit von der Firma Munz aus Fichtenberg, die auch den Bagger stellt, mit dem Bürgermeister Zahn vor einem guten Dutzend Gästen nun symbolisch schon mal den Rasen abkratzt für die künftige Bodenplatte. Das Gebäude selbst soll von den Zimmerleuten der Firma Elser aus Murrhardt in CO2-bindender, massiver Holzkonstruktion erstellt werden. Somit ist auch klimatechnisch an die Zukunft gedacht. Für die übrigen Gewerke von Trockenbau, Sanitär- und Elektroinstallation, Gipserei et cetera lief am gestrigen Montag die Submission aus. Man ist gespannt auf das Ergebnis und hofft optimistisch auf Fertigstellung vor dem Winter, angepeilt ist Kalenderwoche 36 (Anfang September). Es wird mit Baukosten von 890000 Euro gerechnet, dazu wurden Zuschussanträge gestellt, die gut 50 Prozent dieser Kosten decken würden.
Da man auch heute wieder versucht, schon an morgen zu denken, wird in südwestlicher Richtung ein überdachter Freispielplatz erstellt, der bei Bedarf zu einer fünften Gruppe umgebaut werden kann. Schließlich soll noch in diesem Jahr jenseits des Hohlwegs ein neues Baugebiet erschlossen werden, in dem möglicherweise viele junge Familien Einzug halten.
„Der Statistik nach würden die allein eine komplette Gruppe füllen“, rechnet der Rathauschef. Und da sich naturgemäß besonders kurzfristig der Bedarf bei den Krippenkindern ab einem Jahr ändert, wurde beim Baugesuch gleich ein weiterer Raum für selbige auf dem Vorgarten Richtung Osten beantragt. Das würde die anderen Gruppen entlasten, bei denen Kleinkinder wegen des höheren Betreuungsbedarfs gleich zwei Plätze belegen. Denn „der Bedarf wird steigen“, ist sich Elternbeiratsvorsitzender Andreas Fillgraff sicher, „vor allem nach Corona und Homeoffice, wenn die Leute im Beruf wieder präsent sein müssen“.