Techno-Festival auf dem Schlossplatz

In die gute Stube der Stadt soll ein anderes Publikum einziehen, ein jüngeres. Im September wird ein neues Festival-Format dort stattfinden. Was ist geplant?

Im Hof des Alten Schlosses wird getanzt – im September soll das Vibrancy-Festival auf dem Schlossplatz stattfinden.

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Im Hof des Alten Schlosses wird getanzt – im September soll das Vibrancy-Festival auf dem Schlossplatz stattfinden.

Von Frank Rothfuß

Stuttgart - Sie haben gut hingesehen. Von den besten Plätzen aus. Die Beamten des Landesfinanzministeriums sitzen bekanntlich im Neuen Schloss und haben einen guten Blick auf den Schlossplatz, den sie verwalten. Und bei Konzerten haben sie dort viele graue Haarschöpfe erblickt, auf der Bühne und im Publikum.

Und sie haben gesehen, dass bei Veranstaltungen, die sich an ein jüngeres Publikum richten, der Platz voll war. Etwa als beim SWR-Festival SWR3 den Abend mit elektronischer Musik gestaltete. Oder bei der Auftaktparty zur Fußball-EM, als DJs wie Robin Schulz 25 000 Menschen anlockten, vielen von ihnen jünger als 30.

Die Lehre war: Elektro funktioniert – auch auf dem Schlossplatz.  So rannten  die beiden  Stuttgarter Dominik Seidenspinner  und  Felix Müller offene Türen ein, als sie anfragten, ob sie mit ihrem Vibrancy-Festival auf den Schlossplatz kommen dürften. Sie dürfen. Zwei Tage lang, am 12. und 13. September 2025, werden mehrere DJs vor jeweils 7500 Besuchern spielen. „House und melodischen Techno“ darf man da erwarten, sagt Seidenspinner. Binnen kurzer Zeit haben sie es damit von einer Dachterrasse in der Stuttgarter Innenstadt auf den Schlossplatz geschafft. „Damit geht ein Jugendtraum in Erfüllung“, sagt Seidenspinner.

Ein Traum, der vor fünf Jahren noch als genau das erschien: ein Traum. Da feierte Seidenspinner seinen 29. Geburtstag auf einer Dachterrasse nahe der Stiftskirche. 60 Leute waren geladen, und via Instagram fanden die Bilder vom Fest den Weg in die Welt. Plötzlich kamen Anfragen: „Hey cool! Wann machst Du das wieder?“ Nun hatte Seidenspinner Medienmanagement studiert, sein Freund Müller Innovationsmanagement. Die beiden verdienten ihr Geld nicht mit Veranstaltungen.

Doch sie kannten das Electronic-Duo Ameli Paul. Und als Corona über die Welt kam, filmten sie einen Auftritt der beiden in den Weinbergen des Remstals. Unter dem Namen Vibrancy Music luden sie das Video hoch. „Der Name wurde als Gag geboren“, sagt Seidenspinner. Mittlerweile ist er ein Markenzeichen für elektronische Musik, die an besonderen Orten gespielt wird. Die beiden merkten nämlich schnell, dass das ankommt. Und machten weiter. Sie organisierten Auftritte von Künstlern auf dem Fernsehturm und an der Grabkapelle.

Das schlug Wellen. Und als 2021 wieder für kurze Zeit Publikum dabei sein durfte, gingen sie in den Hof des Alten Schlosses und vors Mercedes-Museum. Dann gab es kein Halten mehr. Die Skisprungschanze in Innsbruck, das Panoramarestaurant auf dem Schilthorn in der Schweiz, das Schloss in Heidelberg, der Landschaftspark in Duisburg, die Burgruine Allerheiligen bei Offenburg – die Orte sind handverlesen und besonders. Demnächst kommt die Völklinger Hütte dazu. Und eben der Schlossplatz. Im Vorjahr kamen 1500 Menschen in den Hof des Alten Schlosses. Nun werden es an zwei Tagen 15 000 Besucher. Eine ganz andere Kategorie.

Zumal Seidenspinner und Müller vieles immer noch selbst machen, hauptamtlich mittlerweile. Den Ticketshop und das Einlasssystem haben sie programmiert, für das Buchen bedienen sie sich einer Berliner Agentur. So nach und nach wollen sie die Künstler bekannt geben.

Anders als bei Rock und Pop, wo man davon ausgehen kann, dass das Publikum dieselben Künstler immer wieder aufs Neue sehen will, herrscht bei elektronischer Musik ein steter Wechsel. Getrieben von sozialen Netzwerken tauchen ständig neue Heroen auf, die in kurzer Zeit möglichst viel abkassieren wollen und müssen. Denn der nächste Trend rückt mit Macht heran. Und weil in den USA und den Golfstaaten wahnsinnige Ticketpreise gezahlt werden, sind auch die Gagen in wahnwitzige Höhen gestiegen. „Bis zu einer halben Million“ verlangen die aktuellen Stars der Szene, sagt Seidenspinner. Zumindest sechsstellige Gagen muss zahlen, wer im Konzertgeschäft mitmischen will.

Nichtsdestotrotz versuchen Dominik Seidenspinner und Felix Müller, anders als andere Festivals, ohne Sponsoren und mit zivilen Preisen anzutreten. Bei 50 Euro geht es los. 120 Euro zahlt, wer auf der Bühne tanzen und in den Backstagebereich möchte. Natürlich sind die beiden zuversichtlich, dass es funktioniert, dass die Erfolgsgeschichte weitergeht. Und sie denken schon größer. In ganz Europa sind sie auf der Suche nach schönen Orten. Montenegro etwa haben sie ins Auge gefasst. Doch zunächst einmal geht es auf den Schlossplatz. Zum Heimspiel!

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Erstellt:
29. Dezember 2024, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
30. Dezember 2024, 22:01 Uhr

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