Geisel-Diplomatie im Iran

Teheran sucht einen Hebel

Seit zwei Wochen sitzt die italienische Reporterin Cecilia Sala in Teheran in Haft. Ihr Fall sorgt für Verstimmungen zwischen Italien und dem Iran.

Die Journalistin Cecilia Sala

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Die Journalistin Cecilia Sala

Von Thomas Seibert

Der Iran will mit Geisel-Diplomatie einen iranischen Geschäftsmann freipressen und vor neuen Atomgesprächen den Druck auf Europa erhöhen. Die italienische Journalistin Cecilia Sala, die seit dem 19. Dezember in Teheran in Haft sitzt, wird so zum Faustpfand im Streit zwischen dem Iran und dem Westen.

Drei Tage vor Salas Festnahme hatten die italienischen Behörden den iranischen Geschäftsmann Mohammad Abedini in Mailand verhaftet. Was der Journalistin vorgeworfen wird, ist nicht bekannt. Abedini sitzt in Italien auf Wunsch der USA in Haft. Washington will seine Auslieferung, weil seine Firma am Bau von iranischen Kampfdrohnen mitgewirkt haben soll, mit denen drei US-Soldaten getötet wurden. Der Iran fordert seine Freilassung.

Iran will Gefangene austauschen

Nun brachte Teheran die beiden Fälle erstmals offiziell miteinander in Zusammenhang und deutete an, dass der Iran die Journalistin gegen den Geschäftsmann austauschen will: Die staatliche Nachrichtenagentur Irna meldete, der iranische Botschafter in Rom habe mit dem italienischen Außenministerium sowohl über Sala als auch über Abedini gesprochen. Der Iran hat in den vergangenen Jahren schon mehrmals mit der Festnahme westlicher Staatsbürger die Freilassung von Iranern im Ausland erpresst.

Die Festnahme der Reporterin widerspricht auf den ersten Blick dem Ziel des iranischen Präsidenten Massud Peseschkian, die Beziehungen zum Westen zu verbessern. Peseschkians Regierung begann im November neue Atomgespräche mit europäischen Staaten, die nach iranischen Angaben am 13. Januar in Genf fortgesetzt werden sollen. Auch mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump will Peseschkian ins Geschäft kommen. Teheran strebt ein neues Abkommen mit Regeln für das iranische Atomprogramm an, um den Westen zur Abschaffung von Wirtschaftssanktionen zu bewegen.

Netzwerk iranischer Verbündete ist durchlöchert

Peseschkians Regierung geht außen- wie innenpolitisch geschwächt in die neuen Verhandlungen. Die Niederlage der Hisbollah im Libanon im Krieg gegen Israel und der Sturz des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad haben das Netzwerk iranischer Verbündeter im Nahen Osten durchlöchert. Teheran droht seit Monaten mit einem neuen Raketenangriff auf Israel, zögert aber, weil ein israelisch-amerikanischer Gegenangriff das Regime erschüttern könnte. Im Iran wächst die Wut vieler Bürger über die Unfähigkeit der Führung, die Wirtschafts- und Versorgungskrise in den Griff zu bekommen. Obwohl der Iran zu den gasreichsten Ländern der Welt gehört, schließen die Behörden mitten im Winter viele Ämter und Schulen, weil nicht genug Gas zum Heizen da ist.

Westen mit zusätzlichen Sanktionen gegen den Iran

Zudem hat der Westen vor den neuen Atomgesprächen zusätzliche Sanktionen gegen den Iran erlassen. Europa beschloss vor kurzem Strafmaßnahmen gegen die iranische Schifffahrtsbranche, um iranische Waffenexporte an Russland zu verhindern. Die US-Regierung verhängte Sanktionen gegen eine Abteilung der iranischen Revolutionsgarde wegen angeblicher Versuche Teherans, die Präsidentschafts- und Kongresswahlen in den USA im vorigen Oktober mit gezielten Desinformationen zu unterwandern.

Nun sucht der Iran nach Hebeln, um den Westen unter Druck zu setzen. Die verstärkte Anreicherung von Uran gehört dazu. Teheran hat nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde inzwischen genug Material für vier Atombomben. Der Westen will erreichen, dass der Iran die Anreicherung radikal reduziert.

Auch die Festnahme der Journalistin Sala ist ein Druckmittel im Verhältnis zum Westen. Ihre Festnahme könnte bei dem Treffen am 13. Januar in Genf zu Sprache kommen. Schon vor der Auftaktsitzung im November hatten die Europäer angekündigt, auch iranisch-europäische Streitthemen außerhalb der Atomfrage anzusprechen.

Gemeinsame EU-Position notwendig

Um der iranischen Geisel-Taktik zu begegnen, sei eine gemeinsame Haltung der Europäer nötig, „die für das Regime teuer wird“, fordert der Iran-Experte Behnam Ben Taleblu von der US-Denkfabrik FDD. Auch die iranische Exil-Opposition verlangt seit langem eine gemeinsame Position europäischer Staaten, um sich vom Iran bei Geiselnahmen nicht auseinander dividieren zu lassen.

Bisher gibt es keine gemeinsame Haltung. So beteiligte sich Deutschland im vergangenen Jahr nicht an Gefangenenaustauschen zwischen dem Iran, Belgien und Schweden, obwohl mehrere Deutsche in iranischer Haft saßen. Nach der Hinrichtung des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd im Oktober warfen Aktivisten der Bundesregierung vor, den 69-jährige im Stich gelassen zu haben. Sharmahds Tochter Gazelle kritisierte, ihr Vater sei in den Verhandlungen über Gefangenen-Deals nie berücksichtigt worden.

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Erstellt:
3. Januar 2025, 14:16 Uhr

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